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() Schmatko:„Geostrategie ist ein interessantes Feld, hat aber keinen Einfluss auf unsere Entscheidung“
„Wir sind Energieverschwender“

Russlands Energieminister Sergej Schmatko kritisiert das europäische Pipelineprojekt Nabucco und stellt klar, dass der russische Energiesektor unter staatlicher Kontrolle bleibt. Bei Energieeinsparung will er von deutschen Unternehmen lernen.

Herr Minister Schmatko, seit zehn Jahren gibt es jetzt den Energiedialog zwischen der Europäischen Union und Russland. Warum kommt es trotzdem immer wieder zu Konflikten? Zunächst muss man festhalten, dass die Kooperation zwischen Russland und Europa sehr viel älter ist als zehn Jahre. Wir blicken auf eine lange Geschichte zurück, in der die Zusammenarbeit immer ganz gut funktioniert hat. Wenn man davon absieht, dass Russland im Streit mit seinen Nachbarländern Ukraine und Weißrussland schon mehrfach den Gashahn nach Europa abgedreht hat, zuletzt im Winter 2009... Sie können mir glauben, dass wir sehr unglücklich darüber sind, was 2009 in der Ukraine passiert ist. Wir tun jetzt aber alles dafür, dass sich so etwas nicht wiederholt." Kritiker werfen der russischen Regierung seit Jahren vor, dass sie ihre Energieressourcen als Waffe bei der Durchsetzung ihrer geopolitischen Interessen nutzt, besonders in der ehemaligen sowjetischen Hemisphäre. Nein, nein, nein, das stimmt nicht. Geostrategie ist zwar ein interessantes Feld, hat aber keinen Einfluss auf unsere energiepolitischen Entscheidungen. Bevor wir Verträge schließen, analysieren wir in jedem Land, ob es ein vielversprechender Markt für uns ist. Dann sind wir unter Umständen auch bereit, zeitlich befristete Zugeständnisse beim Preis zu machen. Wir haben unsere Monopolstellung nie ausgenutzt, um unbegründet hohe Preise zu verlangen. Wir haben aber auch eine bessere Beziehung zur aktuellen Regierung der Ukraine, sodass wir ihr beim Gaspreis entgegengekommen sind. Als Gegenleistung darf die russische Schwarzmeerflotte auf der Krim bleiben. Das ist uninteressant, dafür bezahlen wir doch auch. Haben Sie vor diesem Hintergrund Verständnis dafür, dass die EU weiterhin das Pipelineprojekt Nabucco, das Europa mit Gas aus Zentralasien versorgen soll, verfolgt, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern? Die EU darf machen, was sie will. Aber Nabucco ist keine Konkurrenz für unser Pipelineprojekt South Stream. Zumal Nabucco noch immer keine Lieferantenverträge geschlossen hat. Wer soll denn die Pipeline finanzieren, wenn nicht einmal klar ist, woher das Gas kommen soll? Selbst wenn Nabucco gebaut wird, wird die Maximalkapazität bei 31 Milliarden Kubikmeter liegen. Das ist ein kleiner Bruchteil des europäischen Energiebedarfs und viel weniger Gas, als wir jetzt schon in der EU verkaufen. Also bereitet Ihnen Nabucco keine schlaf­losen Nächte? Nein, es gibt nur eine Sache, die ich dabei nicht verstehe und die mich beunruhigt. Warum bevorzugt die EU einseitig den Bau von Nabucco gegenüber South Stream? Das Gas, das South Stream liefert, erhöht ebenfalls den Wettbewerb in Europa, wodurch die Preise sinken werden. Wie weit sind Sie bei South Stream? 2013 ist Baubeginn, die ersten Gaslieferungen sollen 2015 erfolgen. Sind solche Pipelineprojekte überhaupt noch sinnvoll, wo viele andere gasproduzierende Länder auf Flüssiggas setzen und so ihre Exporte viel einfacher diversifizieren können? Ich bin überzeugt, dass die Nachfrage nach Gas in den kommenden Jahrzehnten steigen wird, weil Gas ein Energieträger der Zukunft ist. An der Tatsache, dass es auch in den USA, in China und in Australien große Gasvorkommen gibt, können wir nichts ändern. Wir bleiben ganz pragmatisch und werden auf keinen Fall auf eine Politik setzen, die die technologische Entwicklung und den Wettbewerb behindert. Wir fördern bereits den Bau von Verflüssigungsanlagen. Statt gegeneinander zu agieren sollten die gasproduzierenden Länder lieber gemeinsam dafür werben, den Gasanteil am Energiemix zu erhöhen. Also eine Gas-OPEC? Nein, das ist Unsinn. Es gibt bislang keine Gas-OPEC, und es wird auch in Zukunft keine geben. In der EU setzt man für die Zukunft eher auf erneuerbare Energie, auch um den CO-Ausstoß zu verringern. 100 Prozent erneuerbare Energie, das wird nicht funktionieren. Politik und Wirtschaft werden einen vernünftigen Kompromiss finden müssen, damit Energie bezahlbar bleibt. In Deutschland steigen die Preise jedes Jahr wegen der gesetlich garantierten Einspeisevergütung für die erneuerbare Energie. Gaskraftwerke eignen sich außerdem hervorragend zur Grundsicherung, weil sie schnell zugeschaltet werden können, wenn die Sonne nicht scheint oder Windstille herrscht. Reichen denn Russlands Gasvorkommen, um alle Verpflichtungen, die Sie eingegangen sind, zu erfüllen? Im September haben Sie eine strategische Energiepartnerschaft mit China geschlossen. Diesbezüglich muss sich Europa keine Sorgen machen. Das sind jeweils unterschiedliche Gasquellen. Wir haben im Übrigen schon immer gesagt, dass wir neue Märkte erschließen wollen. Über den Gaspreis wird gerne gestritten. Was ist denn ein fairer Preis für den Kubikmeter? Das ist eine schwierige Frage. Es gibt in vielen Ländern die Ölpreisbindung … … die aber ein Auslaufmodell ist, weil die weltweiten Ölvorkommen zur Neige gehen. Ich bin da sehr konservativ. Das Konzept der Ölpreisbindung gibt uns Kontinuität und Stabilität. Das hindert uns aber nicht daran, über Alternativen nachzudenken. Wenn Gas in Zukunft vermehrt zur Stromerzeugung eingesetzt wird, ist auch eine Koppelung an den Strompreis bedenkenswert. Wie wichtig ist denn der Energiesektor insgesamt für Russland? Er hat eine zentrale Bedeutung, weil wir erstens wesentliche Einnahmen für den Staatshaushalt direkt aus dem Energiesektor erzielen. Zweitens basiert auch das gesamte Programm zur Modernisierung der russischen Industrie auf dem wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes. Außerdem haben die Energieunternehmen einen extrem hohen Multiplikator, weil sie in anderen Branchen Arbeitsplätze schaffen. In der Ölindustrie werden bereits 80 Prozent der Ausrüstung in Russland produziert. Das widerlegt auch das Vorurteil, dass wir ein reiner Energielieferant sind. Hat da die Krise nicht riesige Löcher im Haushalt hinterlassen? Nein, weil wir mit den meisten unserer Abnehmer Langzeitverträge haben. Darin ist festgelegt, dass sie auch in einer Krise nur 10 bis 20 Prozent weniger Gas bei uns kaufen können. Die Krise hat sogar einen Vorteil gehabt: Da wir im vergangenen Jahr 90 Milliarden Kubikmeter weniger Gas gefördert haben, kann Gasprom jetzt die Produktion schnell wieder hochfahren – ohne große Investitionen. Insofern haben wir auch keinen großen Druck, neue Felder zu erforschen, wo die Förderung möglicherweise teurer wird. Beim eigenen Bedarf setzen Sie zunehmend auf Atomkraft. Wir bauen derzeit sieben Atomkraftwerke. In der Krise haben wir die strategische Entscheidung getroffen, den Anteil der Kernenergie bei der Stromgewinnung auf 22 Prozent zu erhöhen. Welche Ziele haben Sie für die kommenden Jahre ausgegeben? Beim Thema Gas haben wir sehr ambitionierte Pläne. Bis zum Jahr 2030 werden wir eine Billion Kubikmeter Gas fördern, im Moment sind es 600 Milliarden Kubikmeter. Wir sehen aber auch gutes Potenzial bei der Kohle, vor allem in Südost­asien. 2008 haben wir eine Million Tonnen Kohle nach China verkauft, 2010 werden es mehr als zwölf Millionen Tonnen sein, und das lässt sich noch auf 20 Millionen Tonnen steigern. Beim Öl haben wir 2010 das Förderniveau des Vorjahres von knapp 500 Millionen Tonnen gehalten. Der Ölverbrauch wird aber wieder ansteigen, wenn sich die Weltwirtschaft weiter erholt. Welche Rolle spielt das Thema Energieeffizienz in Russland? Das ist für mich ein Schlüsselthema, weil es meines Erachtens die Wirtschaft insgesamt ankurbeln kann. Wir haben aber das Problem in Russland, dass kaum jemand etwas von diesem Geschäft versteht. Daher engagieren sich bisher nicht viele, und die Banken weigern sich, entsprechende Projekte zu finanzieren. Das hat historische Gründe. Wir gehen sehr verschwenderisch mit unserer Energie um, weil wir immer reichlich davon hatten, und sie infolgedessen sehr billig war. Jetzt werden wir auch auf dem russischen Binnenmarkt die Preise sukzessive anziehen, um die Verbraucher und die Industrie zum Sparen zu erziehen und Anreize für Innovationen bei der Energieeinsparung zu setzen. Beim Gaspreis werden wir schon 2015 auf dem Binnenmarkt den Weltmarktpreis abzüglich der Transportkosten und der Exportzölle verlangen. Wir werden diesen Weg konsequent gehen, auch wenn sich die russische Wirtschaft beschweren wird, dass sie dadurch an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Können sich bei der Verbesserung der Energieeffizienz auch ausländische Unternehmen beteiligen? Selbstverständlich, das wird ein sehr attraktiver Wirtschaftszweig, in den viele Investitionen fließen werden. Denn Energieeinsparung wird sehr lukrativ, sobald wir mit den Preisen anziehen. Insbesondere deutsche Unternehmen können hier mitverdienen, weil sie auf diesem Gebiet einen technologischen Vorsprung haben und viel Erfahrung mitbringen. Wäre Präsident Medwedews Forderung nach Modernisierung nicht ohnehin ein Argument dafür, den gesamten russischen Energiesektor für ausländische Unternehmen zu öffnen, anstatt weiter auf innovationsfeindliche Monopolisten zu setzen? Grundsätzlich begrüßen wir ausländische Investitionen in Russland, auch im Energiesektor. Wegen dessen zentraler Bedeutung auch für den russischen Staatshaushalt muss aber immer klar sein, dass wir die Kontrolle behalten. Im Übrigen muss ich widersprechen, wenn Sie Unternehmen wie Gasprom als innovationsfeindlich bezeichnen. Der Konzern muss sich auf dem Weltmarkt behaupten und sich daher ständig weiterentwickeln. Das Gespräch führte Till Knipper

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