Ein Kreuzfahrtschiff vor Venedig
Gegen die riesigen Kreuzfahrtschiffe mutet Venedig wie eine Zwergenstadt an / picture alliance

Tourismus - Der verhasste Gast

Ferienzeit ist Reisezeit. Doch in Hotspots wie Venedig oder Barcelona protestieren die Einheimischen zunehmend gegen Touristen. Dabei will kein Reisender ein Tourist sein. Die Abwehrhaltung ist aber in beiden Fällen heuchlerisch

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Lissabon im August, ein herrlicher Tag, ich schlendere durch die Altstadt. Euphorisiert von der Schönheit um mich herum, wähne ich mich auf den Spuren von Fernando Pessoa und António Lobo Antunes, als ich einen Schriftzug an einer Hauswand sehe. Auf Englisch steht da: „Warum heißt es Touristensaison, wenn man sie nicht erschießen kann?“ Es ist nicht der erste Spruch dieser Art, den ich gesehen habe, meistens sind sie simpler. „Tourists go home“ ist ein Favorit.

Diese Form der Fremdenfeindlichkeit ist kein portugiesisches Lokalphänomen, sondern ein europäisches, wenn nicht sogar ein weltweites. In Barcelona und auf Mallorca gibt es Demos gegen Touristen, in Dubrovnik, Florenz, New Orleans und Thailand wurden Maßnahmen getroffen, um dem Massentourismus Einhalt zu gebieten. Machen wir uns nichts vor: Diese Maßnahmen richten sich gegen Sie und mich. 82 Prozent der Deutschen hatten für dieses Jahre eine Reise geplant. Und jeder, der reist, ist ein Tourist.

Niemand will Tourist sein

Dabei möchten wir es natürlich nicht sein. Denn wie der Sonnenbrand gehört zu jeder Reise die Klage über die anderen Reisenden. Touristen, das sind doch die, die nur in Horden auftreten, sich schwitzend auf Bussitze und die Klappstühle der Restaurants mit den unendlichen Menükarten zwängen, sich geschmacklosen Nippes andrehen lassen, die Sprache nicht kapieren und den Weg nicht wissen. Aber wir doch nicht. Wir sammeln keine Souvenirs, sondern Erfahrungen. Wir beschweren uns nicht über fehlendes Toilettenpapier, sondern haben unser eigenes dabei, die Papprolle vorher herausgedrückt. Wir schauen uns nicht den Eiffelturm an, sondern sitzen in einem ach so authentischen Café in Montmartre.

Wenn wir dann doch nicht an einer Sehenswürdigkeit vorbeikommen, achten wir in den Fotos peinlichst genau darauf, dass außer uns selbst und unserer Familie, dem imposanten Bauwerk oder dem herrlichen Strand möglichst keine anderen Reisenden zu sehen sind. Schließlich sind die im Gegensatz zu uns eine „Menge glotzender Tölpel“, wie der Dichter Lord Byron sich schon Anfang des 19. Jahrhunderts über andere Engländer beschwerte, die es gewagt hatten, gleichzeitig mit ihm Rom zu besuchen.

Tourist bleibt Tourist

Doch diese Distanzierung vom „herkömmlichen“ Tourismus hat nichts dazu beigetragen, die Zahlen der Reisenden zu senken. Im Gegenteil: Vor allem in Südostasien haben sich wahre Highways für den alternativen Tourismus entwickelt. So kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass man in Kuta (auf Bali) auf genau die Globetrotter aus Deutschland, Holland, den USA oder Australien trifft, mit denen man schon in Jakarta (Indoniesen) am Tobasee (Sumatra) oder auf der Insel Penang (Malaysia) das eine oder andere Tiger Beer getrunken hatte. Auf die Einheimischen wirken wir dabei übrigens genau wie die von uns verhassten Massentouristen. Auch wir verlangen in jedem Restaurant nach Gabel und Messer, verstopfen die Straßen und Gehwege und trinken zu viel. Egal wie versteckt, idyllisch und geheimtippmäßig der Ort ist, wo wir sind. Nach uns ist er das ein Stück weniger.

Mehr als eine Milliarde Reisen machen die Menschen pro Jahr, das ist doppelt so viel wie vor 20 Jahren. Das liegt vor allem an Billigfliegern, der Erfindung von Couchsurfing und Airbnb und nicht zuletzt daran, dass nun auch viele Chinesen es sich leisten können, zu verreisen.

Und vor allem die europäischen Hotspots spüren die Folgen. 28 Millionen Menschen haben Venedig im vergangenen Jahr besucht, eine Stadt von 55.000 Einwohnern. Ständig legen monströse Kreuzfahrtschiffe an, die die Altstadt wie eine Ansammlung von Zwerghäusern anmuten lassen. 

Einheimische wehren sich

Die Einwohner beginnen, sich zu wehren. 2000 von ihnen haben eine Initiative unter dem Namen #EnjoyRespectVenezia gegründet, die hohe Ordnungsstrafen für Taten wie „Picknick in der Öffentlichkeit“ und sogar, „zu langes stehen auf Brücken“ vorsieht. In Florenz wurden die Treppen und Plätze vor einigen Kirchen mit Wasser bespritzt, damit sich niemand dort niederlässt. In Barcelona, 30 Millionen Besucher im vergangenen Jahr, schlug ein Teil der Anti-Touristen-Proteste sogar in Gewalt um, als Protestler Autoreifen zerschlissen, Hotelfenster einschlugen und durch Menschenketten die Gäste vom Baden abhalten wollten.

Man kann den Ärger verstehen. Tatsächlich gibt es in Venedig unzählige Souvenir-Läden, aber nur noch zwei Kinos. In der Altstadt von Barcelona oder Dubrovnik kann man sich im Sommer teilweise kaum noch bewegen. Aber was sollte man dagegen tun? Schließlich kann man den Chinesen genauso wenig das Recht zu reisen absprechen wie britischen Junggesellen-Gruppen.

Heuchlerische Beschwerden

Und wenn man es genauer betrachtet, dann sind die Beschwerden der Einheimischen über Touristen ähnlich heuchlerisch wie die derjenigen, die sich partout nicht als Touristen sehen wollen. Die Tourismus-Industrie ist die größte der Welt geworden. Sie trägt zehn Prozent zum globalen Bruttoinlandsprodukt bei und sichert jedem elften Menschen einen Arbeitsplatz. In Ägypten und der Türkei sorgen die aufgrund der Terrorgefahr ausbleibenden Touristen für riesige Haushaltslöcher. Und auch in Spanien und Italien wäre die Jugendarbeitslosigkeit noch verheerender, würde es die Touristen nicht geben, die auf Hauswänden und Plakaten aufgefordert werden, wieder nach Hause zu gehen.

Nachdem ich das Graffito an der Lissaboner Hauswand betrachtet habe, erblicke ich um die Ecke ein winziges kapverdisches Restaurant. Der Besitzer winkt mich fröhlich hinein. Ich bin der einzige Gast. Als ich mich nach dem fantastischen Essen bedanke, bittet mich der Wirt, all meinen deutschen Bekannten von seinem Restaurant zu erzählen. Ich überlege kurz. Dann sage ich: „Mit Vergnügen!“

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helmut armbruster | Di., 29. August 2017 - 17:25

und die Unfähigkeit innerlich Ruhe zu finden machen die Menschen zu Touristen. Aber sie täuschen sich, denn die innere Unruhe, der sie entfliehen wollen, reist mit ihnen, genau so wie ihr Gepäck.
Neue Länder und Menschen kennenlernen ist alles nur Vorwand. Ohne Sprachkenntnisse und ohne die notwendige Zeit lernt man nichts und niemand kennen.
Will man wirklich Land und Leute kennenlernen, empfehle ich das Rezept von Ernest Hemingway, nämlich, mit den Männern (resp. Frauen) arbeiten und mit den Frauen (resp. Männern) schlafen.
Dazu braucht man allerdings Zeit und die Freiheit sich dahin bewegen zu können wo man will.
Der Hamsterradalltag der meisten unserer Zeitgenossen bietet gerade das nicht. So ist ihr Verreisen nur eine Flucht für wenige Tage, danach geht's weiter im Hamsterrad, wie gewohnt.

Herr Armbruster, weise und nicht arrogant!

Bin mal mit dem Fahrrad plus Zelt vom Bodensee nach Spanien geradelt. Zu zweit los u. dann getrennt jeder für sich in seinem Tempo. Und das ohne große Spanisch- oder Französischkenntnisse. Egal wo ich war, oft war das Mitteilungsbedürfnis und die Neugier der Einheimischen groß und die Herzlichkeit ebenso. Das ging soweit, das ich von einem Basken zum Essen plus Übernachtung eingeladen wurde. Oder der französische Bauer lebend im Zentralmassiv, der mich auf sein Hof mitnahm u. mir half mein Fahrrad zu reparieren. Anschließend zeigte er mir voller Stolz seine Sammlung deutscher Porsche-Traktoren. Wohlgemerkt alles mit ein paar Brocken Französisch und Spanisch. Das Ankommen am Zielort war dann nicht mehr das primär Aufregendste sondern die Erlebnisse und Eindrücke die ich bis dahin gesammelt hatte. Einer meiner Erkenntnisse von der Reise: lebe den Augenblick u. sei glücklich.

Herr Knecht, was Sie erlebt haben ist individuelles Reisen und dazuhin noch mit einem langsamen Verkehrsmittel. Da bleibt natürlich Platz für Erlebnisse und Begegnungen.
Gratuliere Ihnen dazu. So etwas hat nicht jeder erlebt.
Ich habe ähnliches erlebt, jedoch mit dem Motorrad. War viele Wochen in Frankreich u. Spanien unterwegs. Die Folgen sind heute noch sichtbar. Mein Französisch hat sich sehr verbessert und ich bin seither mit einer Spanierin verheiratet, spreche daher heute auch spanisch.
Ich glaube aber nicht, dass man diese Erlebnisse vergleichen kann, mit dem, was im Massentourismus abläuft.

immer mit Ernest Hemingway gehalten. Im Lande leben, mit den Männern arbeiten. Was nicht immer leicht war, da die Einheimischen es mit dem Arbeiten nicht so recht hatten. Nur das mit den Frauen wollte nicht so recht klappen in den Ländern in die es mich beruflich verschlagen hat. Vermutlich kenne ich deshalb diese Länder nicht ganz so gut. Mit Ausnahme von Persien unter dem Schah, also vor Khomenie.

Etwas schmunzeln sei erlaubt, gell Herr Armbruster.

Edgar Timm | Di., 29. August 2017 - 17:51

Der 10%-Beitrag zum globalen BIP ist schon eine gewagte Aussage. Klar - ohne Tourismus würden in Venedig die Lichter ausgehen und die Mallorquiner müssten von Wasser und Brot leben. Aber wie steht es um Kosten und Nutzen für die normalen Bürger in Barcelona oder Hamburg? Insbesondere die Kreuzfahrtpaxe mit ihren all-inclusive Paketen lassen doch kaum Geld in der Stadt - außer mal (w/ der Toilettennutzung) für einen Latte, eine Mineralwasserflasche (am liebsten vom Kiosk) und vlt. eine Hop-on-hop-off Busrundfahrt. In Hamburg sind die Touristen inzwischen schon zu geizig, eine Hafenrundfahrt zu machen und schippern stattdessen mit der Linie 62 - und nehmen den Einheimischen die Plätze weg.

Jürgen Lehmann | Di., 29. August 2017 - 18:46

Ob ich mich als Tourist fühle oder nicht ist gleichgültig. Ich gehöre automatisch zum Massentourismus.
Es liegt aber am Tourist selbst sich auch in diesen Orten seine Lokale und Ziele selbst auszusuchen.
Siehe das kapverdische Restaurant in Lissabon.

In Venedig, das ich als meine Lieblingsstadt bezeichne, kann man dem Massentourismus
leicht aus dem Wege gehen, wenn man dafür Muße und Zeit investiert.
Hier gehören jedoch , ohne große Diskussion, die monströsen Kreuzfahrtschiffe abgeschafft, bzw. deren Einfahrt in die Lagune, wegen extremer Zerstörung durch die Wasserverdrängung.
Die Reisewelle der Asiaten steht erst am Anfang und wird noch gewaltige Dimensionen annehmen.

Fazit: die Masse akzeptieren odr zuhause bleiben.

Die Reisewelle der Asiaten (nicht nur Chinesen) steht erst am Anfang und wird noch gewaltige Dimensionen annehmen.
Wer sich darüber aufregt sollte seinen Urlaub zuhause verbringen oder in einer überfüllten deutschen Großstadt.

Martin Berger | Di., 29. August 2017 - 23:07

Die Definition von Heuchelei in dem Artikel ist meines Erachtens falsch, denn nur weil eine Stadt Einnahmen von Touristen bezieht, ist es den klagenden Bewohnern einer Stadt, die höchstwahrscheinlich nicht einmal von Tourismus direkt leben, nicht verboten oder verwehrt, sich gegen die Besetzung des eigenen Lebensraumes zu beschweren.
Ebenso darf sich ein Arbeitnehmer über die Arbeitssituation beschweren, denn einen Lohn zu bekommen heißt nicht die Kritik aus seinem Leben zu verbannen.

Im übrigen verwenden Journalisten die Begriffe Heuchelei und Zynismus zu leichtfertig und vergessen anscheinend, dass ein moderner Mensch immer mehrere Rollen ausübt (Staatsbürger, Konsument, Wähler, Arbeitsnehmer, Familienmensch, Freizeitmensch...). Und die Rollen gehen nicht automatisch konform miteinander.

Zum Abschluss ein schönes Zitat:

"Tourismus zerstört das, was er sucht, indem er es findet."

André Oldenburg | Mi., 30. August 2017 - 07:19

Tourismus ist gut, wenn er nicht mit Kreuzfahrtschiffen kommt und wenn die Touristen ihre Manieren nicht zu Hause gelassen haben.
Kreuzfahrtschiffe sind in der Regel mit die größten Umweltverschmutzer, hier sollten endlich schärfere Gesetze in der EU her und in Venedig ist schon die Bugwelle der Riesenpötte ein Problem.
In Urlaubsländer gehe ich meistens etwas abseits des Zentrums der Stadt, bis ich normalpreisige Restaurants mit Einheimischen sehe (wird schwieriger zu erkennen, da alle ein Handy in der Hand haben), sind meistens auch besser
Ich betrinke mich nicht sinnlos und ich mache auch mal einen Witz über die Eigenarten der Einheimischen und noch viel lieber über die meines "Volks".
Fotos sind so unwichtig wie ein Kropf, die machen einen zu einem Poser. Es gibt kein Foto mit mir am Eifelturm etc. pp., trotzdem erinnere ich mich an die Reise ganz genau. So schön und angenehm, ohne Fotomaschine. Echte Erholung.

ingrid Dietz | Mi., 30. August 2017 - 09:46

das ist doch Massentourismus pur auf so einem Kreuzfahrtschiff !
Und das soll Urlaub sein ?

Frank Goller | Mi., 30. August 2017 - 09:54

Auf einer Istanbul - Route sind "wir" mit 7 Kreuzfahrschiffen über ein kleines griechisches Dorf hergefallen. In Ort gab es kaum noch einen Stehplatz, die Bewohner waren unfreundlich und genervt. Natürlich ausser den Geschäftsleuten !
Tourismus mit Augenmaß wäre angesagt.

Heinrich Niklaus | Mi., 30. August 2017 - 10:20

Ja, nach Energiewende, der aktuellen Erzwingung der Verkehrswende (jedem sein Elektro-Trabi), der Ernährungswende (kommt nicht so richtig in Gang) brauchen wir dringend eine „Reisewende“.

Wie könnte die aussehen? So wie früher in der DDR: Dort wurde der Tourismus hauptsächlich über die Betriebe und staatliche Institutionen abgewickelt.

Wolfgang Tröbner | Mi., 30. August 2017 - 11:37

Antwort auf von Heinrich Niklaus

Das sehe ich ebenso wie Sie. Die Firma bekommt ein Kontingent an Ferienplätzen innerhalb des Landes und weist dem Angestellten / Arbeiter einen Platz zu. Und wer keinen bekommt, bleibt zu Hause. Eine Alternative wäre, dass derjenige, der leider keinen von der Firma vergebenen Ferienplatz bekommen hat, in einem der Länder, die seit Jahren ihre Bewohner nach Deutschland schicken, freiwillige Aufbauarbeit leistet. Irgendjemand muss ja schließlich diese Länder aufbauen, oder?

asiatischen Ländern gibt es schon seit langer Zeit ein System, das den Arbeitnehmern leistungsabhängig als Bonus eine Reise bezahlt. Die Japaner schickten als erste ihre besten Angestellten für 2 Wochen nach Europa. Die Chinesen machen das heute nach. Der höchste Bonus ist eine Reise nach Europa. Und die geben auch Geld aus. Die "billigeren" dürfen nur bis Südostasien und sind nicht gerne gesehen, weil sie kaum Geld ausgeben. Dafür schönen sie die Besucherzahlen, mit denen das Tourismusministerium dann prahlen kann. Wieder 1o % mehr Touristen.

Ansonsten ist der Tourismus schon auch Heuchelei. Alle Tourismusländer versuchen des Geldes wegen immer mehr Touristen anzulocken, beschweren sich aber gleichzeitig über die Folgen.

Und die Touristen sind auch Heuchler. Im Urlaub weichen sie den Schlaglöchern auf dem Gehsteig aus. Zuhause stolpern sie hinein und verklagen dann die Gemeinde. Übrigens, Feinstaub und Dieselruß interessieren im Urlaub auch nicht.

Markus Gerle | Mi., 30. August 2017 - 11:41

Zunächst einmal bin ich gerne Tourist. Beruflich reise ich auch ständig um die Welt. Wenn ich mich dann aber mal als Tourist bezeichne, finde ich es toll, weil dies nun einmal Luxus ist. Als ich mal befreundete Dozenten an einer Uni in Bangkok besuchte und mich ein deutscher Gastdozent fragte, wer ich denn sei, meinte ich, dass ich Tourist sei. Der Herr war ziemlich entsetzt. Warum eigentlich? Neid kann ich nachvollziehen. Und klar, am Touristen verdienen die Leute viel Geld. Wenn ich irgendwo ein Segelboot chartere, stelle ich jedoch fest, dass man als Deutscher meist gern gesehen ist. Ein italienischer Vercharterer meinte mal, dass Deutsche die Boote in einem bessern Zustand zurück bringen, als sie abgeholt wurden. Nerven tun Touristen doch nur in Massen. Das gilt aber auch für Fußballfans und andere große Gruppen, wenn die in Massen irgendwo auftreten.

Raimund Zoller | Mi., 30. August 2017 - 11:43

Herr Armbruster hat es sehr gut auf den Punkt gebracht. Die am weitesten gereist sind, haben am wenigsten begriffen. Ohne Sprache, Zeit und Geld ist alles Reisen nix wert. Erleben kann nur, wer dort lebt. Bin selbst unendlich viel gereist und habe in einer handvoll Länder gelebt. Im Ergebnis wurde ich immer konservativer. Heute bin ich strikter Gegner jedweden Multikultis. Nicht vermischen, erhalten!

Bernhard Jasper | Mi., 30. August 2017 - 12:37

„Mein Lissabon“ - wie würde Fernando Pessoa wohl heute seine Stadt beschreiben?

Waren doch diese stolzen alten europäischen Städte einmal Sitz der Macht und des Wissens über unbekannte Welten. Diese Macht ist jedoch verfallen. Alle europäischen Städte haben das Problem, wie sie sich neu einordnen sollen. Entwicklung wird dem Wettbewerb überlassen und die Städte spielen dieses Spiel mit. Der Städtetourismus boomt (weltweit). Vielerorts wurden touristische Zonen errichtet, ein Disneyland für den Massentourismus, der die letzten Erinnerungen an das Schöne und Erhabene einer Stadtansicht zerstört.

P.S.: Ich mag besonders die Touristen in diesen kurzen Beinkleidern und bedruckten hautengen Shirts mit der Aufschrift „Eigentlich bin ich zu alt für die Scheiße“ (Ironie aus).

Heidemarie Heim | Mi., 30. August 2017 - 15:24

Ich gehöre zum Leidwesen der Einheimischen solcher Sehnsuchtsorte auch zur Spezies ständig Fernwehgeplagter! Zu einer Generation gehörend,deren Eltern dem Hauseigenbau frönten und von z.B.Bella Italia nicht mehr mitbekamen als
den an mich abgetretenen getrockneten Souvenier-Seestern samt Muscheln,arbeite ich bis
heute mein "Defizit" ab wo nur möglich.Dabei gehe ich wie einige Mitkommentatoren auch gern
mal abseits der ausgetretenen Pfade und suche
zum Leidwesen meines zurückhaltenderen Ehemannes spontan den Kontakt mit Einheimischen.Meine Hand&Fuss-Sprachtechnik-
Pantomime ist ihm ein bißchen peinlich:).Scheinbar mache ich dennoch einiges
richtig.Denn oft sind die Leute erstaunt wenn ich
mich dabei als Deutsche oute.Erschiessen wollte mich bisher keiner der durchweg mir freundlich gesinnten Gastgeber.Hoffe das bleibt so! MfG

Michael Seip | Do., 31. August 2017 - 07:42

Nestroy hatte es schon auf den Punkt gebracht . Wo wenige, vllt. an der Kultur und den Einheimischen interessierte Reisende willkommene Gäste sind, nervt der Masstentourismus irgendwann nur noch, zumal nicht alle Einheimischen auch kommerziell davon profitieren. Beispiele wie Venedig und Mallorca sprechen für sich. Die Kritik das Autors ist daher unangemessen.

Willy Ehrlich | Do., 31. August 2017 - 14:25

Dankeschön, wir sind in unserem hohen Alter sehr viel unterwegs, da topfit, liquide und genusssüchtig. Wir schämen uns kein bisschen und genießen aller Herren Länder, in denen wir gerade unterwegs sind oder die wir mit dem Kreuzfahrer anlaufen. Wir werden im März 145 Jahre alt und freuen uns schon auf die nächsten 25 Jahre, dann sind wir 195. Sind wir ein Feindbild? Neid muss man sich hart erarbeiten.
So long!

Isebrand, Wulf | Sa., 28. Juli 2018 - 00:52

Antwort auf von Willy Ehrlich

Ihr Stolz ist anderer Leute Eindruck von Alterstarrsinnigkeit. Mit dem Riesenwohnmobil den werktätigen Verkehr behindern (es könnte ja in einer flachen Kurve die mitgebrachte Heimorgel umkippen), beim Aldi quer über 6 Parkplätze parken und generell kein Geld irgendwo lassen, diese Sorte Besucher möchte weltweit kein Ort wirklich haben. Glückwunsch zu den Jahrhunderten Lebenszeit, am Ende dieser langen Zeit seiner Umwelt auf die Nüsse zu gehen ist aber wahrlich keine Zierde. Da wäre es der Gemeinschaft zuträglicher, beizeiten sein Dasein in sozialverträglicher Weise zu terminieren.

Henrietta Bilawer | Do., 31. August 2017 - 15:11

Im August ist Lissabon weniger bevölkert als in den übrigen Monaten, weil sehr viele Lisboetas im August selbst im Urlaub sind. Die Protestschilder finden Sie nicht überall in der Stadt, sondern in den Vierteln, die laut Reiseführer unbedingt besucht werden müssen. Da staut sich's dann in der Alfama, der Baixa oder nachts in den Bars im Bairro Alto. In kaum einer Metropole Europas wurde so schnell so viel Innenstadtwohnraum luxussaniert und über AirBnB usw. teuer vermietet wie in Lissabon. (Bezahlbarer) Wohnraum wird knapp. Traditionsreiche Geschäfte schließen wegen steigender Ladenmieten. Oft nur temporär arbeitende Kleinstfirmen als Dienstleister für die Ferienwohnungen rücken nach (Putzkolonnen, Wäschereien, Imbissketten mit 08/15-Touristenmenü). Weitere Filialen von Zara, Mango, H&M etc öffnen. Wenn das so weitergeht, werden die Touristen irgendwann nicht mehr kommen: Durch die Anpassung an deren (angebliche) Nachfrage wird das ursprüngliche Flair der Stadt verloren gegangen sein.

Rolf Pohl | Do., 31. August 2017 - 18:41

... ist`s ja wie in Berlin.
Zu viele der Stadt fühlen sich auch von Touristen so generft. Zurecht, denn Berliner sind schließlich "arm, dafür aber sexy", sagte einst ein putziger Alt-Bürgermeister.
Ausserdem zahlen ja einige andere Bundesländer für Berlin die Zeche, wie z.B. Bayern oder Baden-Würtemberger. Ja und die haben ja genug Touristen von deren Einnahmen sie was an die Berliner abgeben müssen. Und die Klagen noch nicht mal über Touristen, die Deppen. ;-)

Alexander_Voss | Do., 31. August 2017 - 21:33

...,dass mir zum Reisen das Kleingeld fehlt. Da kann mir immerhin niemand vorwerfen, ich würde irgendjemandes Heimat verschandeln. Außerdem fällt mein ökologischer Fußabdruck damit auch noch schön klein aus. Ist aber auch nicht schwer, wenn man gar nicht auf so großem Fuß leben kann.

Der deutsche Reisewahn entspringt meiner ganz persönlichen Meinung nach ohnehin nur der Unfähigkeit, es sich auch daheim gutgehen zu lassen und mit seinen real existierenden Mitmenschen klarzukommen. Er ist wohl so eine Massenversion unserer so charakteristischen "Sehnsucht" und so ein Punkt des german way of life, der mir immer fremd geblieben ist.

Es gibt schließlich genug schöne Flecken in Deutschland, und dank des Klimawandels wird man sich auch hierzulande hinreichend in der Sonne bruzzeln können. Ich kann es als Auslandsdeutscher, der regelmäßig in der alten Heimat Urlaub macht, nur bestätigen: Deutschland ist als Reiseland gar nicht so übel.

Winfried Sautter | Fr., 1. September 2017 - 15:25

Meinen letzten Auslandsurlaub habe ich 1994 gemacht, eine Wanderstudienreise "Rund um den Hohen Atlas", angeboten von einem renommierten (und nicht billigen) Veranstalter anspruchsvoller Reisen für anspruchsvolles Publikum. Massentourismus war es nicht, aber Kulisse und Fake trotzdem. Kam man nach stundenlanger Wanderung durchs authentische Gebirge in ein Dorf, so stand in einer "Kasbah" der Indigenen (Adidas-Sportswear statt Schleier) schon der Pfefferminztee bereit; erklomm man eine Sanddüne und wähnte sich allein im sonnengleißenden Universum, so kamen einem von der anderen Seite ein Dutzend Souvenierverkäufer entgegen; vom Souk in Marrakesch und den ganzen Teppich-Basaren gar nicht zu reden. Seitdem verbringe ich meinen Urlaub in Deutschland (zuletzt sechsmal am Bodensee). Da bin ich zwar auch bloss Touri, aber ich weiss, wann ich verarscht werde.