Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
(picture alliance)

Gegen den Uhrzeigersinn - Sollten wir Zeitumstellung abschaffen?

Die Zeitumstellung ist Unsinn, sagen Experten. Wieso wird sie dann nicht abgeschafft? Erste Politiker starten schon Initiativen

Für die einen ist die Sache ganz einfach: Wenn in der Nacht zum Sonntag die Uhren in Europa um eine Stunde zurückgestellt werden, können sie eine Stunde länger schlafen. Ab drei Uhr gilt dann bis zum letzten Sonntag im März wieder die Winterzeit, auch Normalzeit genannt. Dass sich das Uhrenumstellen jahrein, jahraus wiederholt, wollen Kritiker nun nicht mehr einsehen.

Welchen Sinn hat die Zeitumstellung?

Schon vor Jahren hat die Wissenschaft die Annahme widerlegt, die der Zeitumstellung zugrunde liegt. Energie sollte durchs Rücken der Zeiger eingespart werden, doch das ist Nonsens, wie es in einer Erklärung der Bundesregierung aus dem Jahr 2005 heißt.

„Im Hinblick auf den Energieverbrauch bietet die Sommerzeit keine Vorteile“, steht dort klipp und klar. Die Einsparung an Strom für Beleuchtung werde, „insbesondere bei vermehrtem Einsatz effizienter Beleuchtungssysteme, durch den Mehrverbrauch an Heizenergie durch Vorverlegung der Hauptheizzeit überkompensiert“.

„Ich weiß nicht, wer einen Nutzen von der Sommerzeit hat“, sagt der Zeitforscher Karlheinz Geißler. Für ihn ist die Zeitumstellung „ein Herrschaftsinstrument“. Gegen das Zeitdiktat hat sich inzwischen eine Bewegung gebildet, die aus Teilen der Piratenpartei, Bürgerinitiativen und einzelnen Politikern besteht. Sie wollen die Sommerzeit abschaffen – doch das gestaltet sich schwierig. Regelt doch die Europäische Union (EU) seit Ende 1994 die Zeit.

Gibt es politischen Widerstand?

In Deutschland gab es seit der europaweiten Einführung der Sommerzeit nur wenige politische Initiativen, sie sich mit dem Thema Zeitumstellung befassten. Im Mai 2005 stellten Abgeordnete der FDP-Bundestagsfraktion die Sinnhaftigkeit der geltenden Regelung in einer kleinen Anfrage an die damalige Bundesregierung infrage. Eine Abschaffung der Sommerzeit wird in dem Dokument von der Regierung abgelehnt. „Für das weitere Funktionieren des EU-Binnenmarktes ist es von wesentlicher Bedeutung, dass Tag und Uhrzeit des Beginns und des Endes der Sommerzeit einheitlich in der gesamten Gemeinschaft festgelegt werden“, heißt es. „Die Bundesregierung wird deshalb an der Sommerzeit festhalten, sofern nicht die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsam die Absicht haben, die Sommerzeit abzuschaffen.“

Der Arbeitsgruppe (AG) Zeitfeststellung der Piratenpartei ist die fortwährende Umstellung der Uhren dagegen ein Dorn im Auge. „Wir wollen auf dem Bundesparteitag im November einen Antrag zur Abstimmung einbringen, der die Abschaffung der Sommerzeit auf EU-Ebene fordert“, erklärt AG-Mitglied Markus Brechtel. Sollte der Antrag angenommen werden, könnten sich die Piraten entsprechend positionieren und handeln. „Es ist wichtig, dass wir die Sache auf europäischer Ebene angehen, weil nationale Initiativen bisher wenig erfolgreich waren.“ Sollte der Parteitag dem Antrag zustimmen, wollen Brechtel und seine Mitstreiter eine Petition beim EU-Parlament einreichen und sich dafür mit diversen Bürgerinitiativen zusammenschließen. Auch plant der 26-Jährige, zwei schwedische EU-Abgeordnete mit ins Boot zu holen, die für die Piraten im Europaparlament sitzen. Mit ihrer Hilfe soll die Zeitumstellung und ihre mögliche Abschaffung auf die Agenda des Parlaments gehoben werden.

„Das Problem der Bewegung ist, dass sie vor allem zum Zeitpunkt der Zeitumstellung aktiv ist, es aber keine langfristige Vernetzung unter den einzelnen Akteuren gibt“, sagt Brechtel. Der Student der Optotechnik leidet unter der Umstellung – besonders im Frühjahr. „Ich komme dann extrem schwer aus dem Bett und werde abends auch nicht müde, weil es draußen noch hell ist“, sagt er.

Was halten Europas Bürger von der Uhrenumstellung?

In Deutschland gibt es mehrere Bürgerinitiativen, die sich gegen die Sommerzeit richten. Die Sozialpädagogin Vera Mong beispielsweise hat 2001 die „Initiative Sonnenzeit“ gegründet, weil sie sich durch die Zeitumstellung vom Staat bevormundet fühlt. „Die Sommerzeit ist ein kleines Stückchen Diktatur“, sagt sie. Auf einer Internetseite sucht sie Mitstreiter für die Abschaffung. Rund 2800 Menschen haben sich bislang als Mitglieder der Initiative registrieren lassen. Für die Öffentlichkeit sichtbar in Aktion getreten ist das Bündnis bislang aber nicht. „Wir bräuchten bestimmt 80 000 Leute, um in der Sache etwas zu bewegen“, ist sich Mong sicher.

Auch der Petitionsausschuss des EU-Parlaments erhält immer wieder Eingaben gegen die Zeitumstellung von Bürgern aus unterschiedlichen EU-Mitgliedstaaten, mehrere davon aus Deutschland. Allerdings stand bisher keine der Petitionen auf der Tagesordnung des europäischen Parlaments.

Was muss geschehen, damit die Zeitumstellung abgeschafft wird?

Jeder Mitgliedstaat der EU muss die geltende Regelung zurücknehmen. „Das ist mühsam, weil alle Staaten mitmachen müssen“, sagt der EU-Abgeordnete Herbert Reul (CDU). Der Politiker hält die Einführung der Sommerzeit für eine klassische Fehlentscheidung der Politik, die auf falschen Annahmen basiert, aber nie revidiert wurde. Für sein Engagement für die „gute alte Zeit“ wird Reul dennoch von vielen Politikerkollegen und Medien belächelt. In ihren Augen ist die Beschäftigung mit der Zeit eine Lapalie, für die sich der Einsatz nicht lohnt. Der Rheinländer aber, der sich in Brüssel die meiste Zeit mit Industrie-, Energie- und Forschungspolitik beschäftigt, ist von der Bedeutung seines Anliegens überzeugt. „Ich kriege von den Bürgern viel mehr Rücklauf als zu jedem anderen Thema“, sagt er. „Das ist ganz nah an den Leuten dran.“

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Edith Katharina | Sa., 29. Oktober 2016 - 20:04

Meine ganze Familie, unsere Tiere und ich wünschen uns EINE Zeit, egal ob die sogenannte "Sommer-" oder noch lieber die Normalzeit. Dieser ständige Wechsel, sich alle paar Monate wieder unstellen zu müssen, ist für Menschen und Tiere eine Folter.
„Ich weiß nicht, wer einen Nutzen von der Sommerzeit hat“.......

Jürgen Schlage | Mi., 22. März 2017 - 17:49

Leider weiss ich nicht genau, wer die Zeitumstellung stoppen könnte, aber ich weiss, das die, die dafür zuständig sind, nicht besonders intelligent sein können.Die Diskussion über die Abschaffung der Zeitumstellung geht schon sehr lange und mehr als 80% der Bundesbürger sind für die Abschaffung.Das diese Meinungen ständig ignoriert werden, ist schon sehr überheblich oder eben einfach dumm.Jedes Mal, wenn wir die Uhren umstellen müssen,bekomme ich eine mittlere Kriese und es macht mich wütend, weil man nichts dagegen machen kann.Trotzdem hoffe ich, dass dieser Schwachsinn bald ein Ende hat!!!

Uwe Schlegel | Sa., 25. März 2017 - 11:04

Die überwiegende Zahl der Bevölkerung wünscht sich die MEZ (Normalzeit) zurück.Die Entscheider in Brüssel haben, wie es scheint,erhebliche Wahrnehmungsstörungen, wenn es um den mehrheitlichen Willen des Volkes geht.Brüssel findet zu geringe Akzeptanz in der Bevölkerung?Wen wunderts??

Arno Nyhm | Do., 30. März 2017 - 20:32

Die MESZ gehört abgeschafft. Die Gründe dafür sind mehrfach genannt worden, da erübrigen sich Wiederholungen. Objektiv spricht nichts für die Sommerzeit:
Energieeinsparung? Keine.
Einheitliche Zeit im europäischen Wirtschaftsraum? Länder wie USA, Kanada und Australien haben auch mehrere Zeitzonen und gehören zu den reichsten Ländern der Erde.
Die schönen langen Sommerabende? Die gibt es in Deutschland höchstens von Mitte Juni bis Ende August. Warum dann Sommerzeit von Ende März bis Oktober? Wenn schon Sommerzeit, dann bitte auch wirklich nur im Sommer, dann merkt man die Tageslichtverschiebung im Biorhythmus wenigstens nicht so sehr. Wer kleine Kinder hat, weiß wovon ich rede.

was viele bei dieser Diskussion nicht bedenken ist, daß es hierbei um die Abschaffung der SOMMERZEIT geht. Ganz sicher finden aber einige mehr als nur die Beführworter
die langen Sommerabende für eine wunderbare Sache.
Wenn die EU Abgeordneten sonst nichts zu tun haben, sich bei solchen, meiner Meinung nach zu vernachlässigenden Themen, dermaßen ins Zeug zu legen (Einfluss der Sommerzeit auf Fruchtfliegen), dann wundert mich EU - und Politikverdrossenheit nicht wirklich. Über Zeitverluste, die durch unzählige Überstunden bei Polizei, Pflegeberufen und anderen Berufszweigen entstehen, regt sich keiner dermaßen auf politischer Bühne auf. ‎Oder über Zeitverzögerungen durch Verkehrsbelastung wegen fehlender Infrastruktur.
‎Das kratzt die Fruchtfliege genauso wenig wie der Zeitverlust den der Menschheit durch geltungssüchtige Politiker entsteht. Die Kosten der Abschaffung könnten besser eingesetzt werden. Keine Ahnung wie lange z.B. bestehende Computerprogramme angepaßt werden müßten

Ragnan Zeissler | Sa., 17. März 2018 - 13:29

Wie lange wollt Ihr noch auf "Brüssel" warten?
Selbstermächtigung bringt Fortschritt!
Ich stelle seit 2 Jahren keine Uhr mehr auf Sommerzeit um. Das macht schon mal ein richtig gutes Gefühl!