Monika Grütters bei einer Sitzung im Bundestag
Mit Monika Grütters an der Parteispitze sollte es eigentlich einen Neuanfang für die Berliner CDU geben. Tja... / picture alliance

Berliner CDU - Unappetitliches Gerangel um die Fleischtöpfe

Beschimpfungen, Verdächtigungen, Anzeigen – die Berliner CDU bietet derzeit ein groteskes Schauspiel. Das hat hohen Unterhaltungswert, die Konsequenzen für die Bürger sind aber alles andere als lustig

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Die Berliner CDU ist derzeit wirklich nicht zu beneiden. Bei den Abgeordnetenhauswahlen im vergangenen September wurde sie mit einem Ergebnis von 17,6 Prozent – dem mit Abstand schlechtesten Resultat ihrer Geschichte – regelrecht abgestraft. Ihr Spitzenkandidat Frank Henkel, der sich zuvor als Innensenator ein abstruses und rechtswidriges Polizei-Scharmützel mit einem linksautonomen Hausprojekt geliefert hatte, verschwand dann auch umgehend in der Versenkung und muss jetzt mit einem Bundestagsmandat versorgt werden.

Fragiles Zweckbündnis aus Seilschaften

Mit der allgemein gut beleumdeten Monika Grütters an der Parteispitze sollte es einen Neuanfang geben. Doch wer die Berliner CDU ein bisschen kennt, weiß, dass dieser Landesverband eher ein fragiles Zweckbündnis von bezirklichen Clans und Seilschaften als eine politische Partei ist. Und da die CDU nicht nur ihre Senatoren- und Staatssekretärsposten sowie etliche Mandate auf Landesebene verlor, sondern auch in den Bezirken kräftig abspeckte, begann ein Hauen und Stechen um die verbleibenden Fleischtöpfe, die vor allem bei den Nominierungen zur kommenden Bundestagswahl zu verteilen sind.

Dass es dabei – nicht nur bei der CDU – nicht immer fein zugeht, ist bekannt. Doch was sich in den vergangenen Wochen im Kreisverband in der gutbürgerlichen CDU-Hochburg Steglitz-Zehlendorf abspielte, veranlasste selbst die in der Regel eher zurückhaltend-besonnene Landesvorsitzende Grütters zu Kennzeichnungen wie „unappetitlich“, „hässlich“ und „abstoßend“. Denn der Platzhirsch  Karl Georg Wellmann, der bei der Bundestagswahl 2013 mit 42,5 Prozent souverän das Direktmandat für den Bezirk gewonnen hatte, sah sich diesmal der innerparteilichen Konkurrenz des vormaligen Berliner Justizsenators Thomas Heilmann ausgesetzt. Heilmann, ein vor seiner politischen Karriere sehr erfolgreicher Medien- und Werbeunternehmer, umweht noch immer der Nimbus des Quereinsteigers. Lange Zeit galt er als Hoffnungsträger für die intellektuell weitgehend ausgeblutete Berliner CDU.

Wie bei „Dallas“ und „House of Cards“

Unter den Kreisdelegierten formierten sich zwei gleich starke Lager, bei der ersten Nominierungsrunde ergab sich bei der Abstimmung ein Patt zwischen den bei den Kandidaten. Was darauf folgte, erinnert eher an einschlägig bekannte US-Fernsehserien wie „Dallas“ und „House of Cards“ als an politische Prozesse in einem demokratischen Gemeinwesen. Bei einer danach eingeleiteten bezirklichen Mitgliederbefragung zum weiteren Prozedere für die Nominierung tauchten kurz vor Abgabeschluss 350 gefälschte Stimmzettel auf: offensichtlich mit dem Ziel, einen Mitgliederentscheid für die Nominierung zu verhindern. Bei diesem hätte Heilmann mit großer Wahrscheinlichkeit deutlich die Nase vorn gehabt.

Seitdem hagelt es wechselseitige Strafanzeigen. Zum einen gegen Wellmann und einen seiner Mitarbeiter wegen möglicher Urkundenfälschung. Doch dessen Unterstützer ließen sich nicht lumpen und zeigten Heilmann wegen einer möglichen Intrige an – eine Variante, die eine von der Landespartei eingesetzte Untersuchungskommission in ihrem Abschlussbericht vom 10. März ins Reich der Fabel verwies und gleichzeitig einen Verdacht gegen Wellmann als gegeben ansah. Das wiederum veranlasste Wellmann, die Untersuchungskommission anzuzeigen.

Die Parteispitze schien das nicht weiter zu interessieren. Stattdessen wurde die durch das vorherige Patt notwendige Wahlwiederholung für den 19. März angesetzt. Zaghafte Stimmen aus der Partei, die beide Kandidaten aufforderten, sich zurückzuziehen, um in dem wichtigen Bezirk einen Neunanfang zu ermöglichen, fanden wenig Resonanz. Auch die Landesvorsitzende Grütters hüllte sich dazu in Schweigen und verwies auf die Verantwortung des Bezirksverbandes. Am vergangenen Sonntag wurde dann schließlich Heilmann mit deutlicher Mehrheit gewählt. Zuvor hatten die Teilnehmer der Versammlung eine Aussprache über die Vorgänge abgelehnt.

Allianzen aus den Hinterzimmern

Das könnte bei Zynikern eine gewisse Vorfreude wecken auf den Landesparteitag der CDU, der am 25. März die Landesliste für die Bundestagswahlen beschließen soll. Bislang stellt die Partei neun Abgeordnete, es wird davon ausgegangen, dass es künftig nur noch sechs bis sieben sein werden. Da mit zwei bis drei Direktmandaten zu rechnen ist und Monika Grütters und Frank Henkel auf den beiden ersten Plätzen gesetzt sind, bleiben also nur sehr wenige sichere Listenplätze, um die sich etliche Kandidaten streiten. Dem Vernehmen nach wird in den berühmten Hinterzimmern bereits seit Monaten an Allianzen zwischen den verschiedenen Clans gefeilt – doch der Kuchen ist deutlich kleiner geworden.

Das alles ist nicht ungewöhnlich und auch aus den anderen Parteien sattsam bekannt. Doch bei der Berliner CDU haben die Vorgänge derzeit einen besonders hohen Unterhaltungswert. Wobei: Lustig ist das eigentlich überhaupt nicht. Dem genervten bis wütenden Wahlvolk wird derzeit in Operettenform vorgeführt, dass sich unsere Repräsentanten einen feuchten Kehricht um die drängenden politischen Fragen scheren und nur ihr persönliches Schäfchen ins Trockene bringen wollen. Und eine Berliner CDU, die sich lieber mit schmutzigen Intrigen beschäftigt, anstatt ihrer Aufgabe als (noch) stärkster Oppositionspartei im Berliner Abgeordnetenhaus gerecht zu werden.

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ingrid Dietz | Di., 21. März 2017 - 16:29

von denen der Bürger, Wähler und Steuerzahler die Nase voll hat und sich angewidert abwendet !

Man muß allerdings anmerken, daß das mit den Fleischtöpfen ja nichts CDU-speziisches ist. Ich erinnere an die Rückgratlosen, die schnell noch von den Piraten zu anderen Parteien flohen als klar wurde, daß diese nicht wieder gewählt würden.
Ich erinnere an Claudia Roth, die sich schnell noch auf den guten Versorgungsposten der BundestagsvizepräsidentIn flüchtete, bevor sie in die politische Bedeutungslosigkeit verschwunden wäre, nachdem klar war, daß sie den Grünen als Parteivorsitzende mehr schaden als nützen würden.
Oder an die grünen Ex-Abgeordneten, die schnell noch bei der Pharmaindustrie oder gar Atominsdustrie unterkamen, gegen die sie vorher verhandelt hatten.
Die Liste ließe sich weiter fortsetzen.

Christa Wallau | Di., 21. März 2017 - 17:19

dann fallen alle Hemmungen.
In Berlin hat sich über Jahrzehnte eine subventionsgestützte und -geschützte Kaste von Politikern etabliert, um die kein Bundesland unsere Hauptstadt beneiden muß. Wo leicht an Geld zu kommen ist, da finden sich stets genügend Leute ein, die mitmachen und tüchtig profitieren wollen. Und wenn dann plötzlich nur noch wenige lukrative Posten da sind, dann geht ein Hauen und
Stechen los.
Wen kümmern da noch die Bürger, von denen man gewählt wurde, oder die Werte, für die man angeblich steht?
Es ist einiges sehr faul im Staate Deutschland!
Und: Der Fisch stinkt am meisten vom Kopf her.

...es hat allerdings ein "Gschmäckle", wenn so eine Äußerung von einer Mandatsträgerin der AfD kommt.

Meinen Sie wirklich dass ihre Partei in der Hinsicht anders ist...?

Christa Wallau | Mo., 27. März 2017 - 14:23

Antwort auf von Stefan Jess

sehr geehrter Herr Jess, sondern einfaches Mitglied.
Im übrigen gebe ich Ihnen recht, wenn Sie anmerken, daß die Partei AfD doch
wohl im Hinblick auf Pöstchen-Gemauschel ähnlich gefährdet ist wie
die anderen Parteien. Genauso ist es! Ich bin immer ehrlich, also auch in diesem Punkt.
Alles, was in meiner Macht als Mitglied steht, tue ich allerdings dafür, daß
die übelsten Mandats-Jäger ausgebremst werden. Zum Beispiel habe ich dies auf dem letzten Landesparteitag der AfD in Bingen zusammen mit anderen getan.
Teil-Erfolge konnten wir immerhin erzielen.
Freundliche Grüße
C. Wallau

Bernd reinhardt | Di., 21. März 2017 - 23:41

Natürlich ist dies nicht schön, aber was erwarten wir den? Einen Politiker, der umsonst arbeitet? Oder der uns jeden Wunsch von den Lippen abließt und sich für seine Wähler aufopfert?
Ich würde dieses nicht machen und auch nicht von anderen erwarten. Politik ist ein wenig Berufung und auch Karriere. Für die Karriere kämpfen mache intensiv, in der Politik und in der freien Wirtschaft. Das ist überall in der Welt so und wird sich nicht ändern.
Wir sollten es akzeptieren und gelassener sehen.

In der Politik übernimmt in den seltensten Fällen jemand die Verantwortung !
Von Regressansprüche gegenüber Politikern habe ich auch noch nie etwas gehört !

Andre Ikier | Mi., 22. März 2017 - 08:39

Frank Steffel, nicht Frank Henkel hat ein sicheres Direktmandat. Damit bekommt der Artikel eine andere Aussage, oder?

Rainer Balcerowiak | Mi., 22. März 2017 - 14:20

Antwort auf von Andre Ikier

Nein, ich meinte Henkel. Steffel hat in der Tat ein relativ sicheres Direktmandat, Henkel dagegen nur eine Chance über die Landesliste. Ich habe heute erstmals gelesen, dass ihm das verwehrt werden soll. An der Aussage meines Artikels ändert das nichts.

Martin Steiner | Mi., 22. März 2017 - 10:55

... es gäbe keinen Länderfinanzausgleich in Richtung Berlin mehr... ob es dann wohl (endlich) zu einer Rückkehr zum rationalen, faktenbasierten Denken und Handeln zum Wohle der Berliner in der Berliner Regierung käme? Ohne jede Eigenanstrengung nur mit dem Geld anderer Leute lässt es sich natürlich leicht auf dicke, abgehobene Hose machen und sich in innerparteilichen Streitigkeiten verzetteln, statt sich um die Bürger und deren wirkliche Probleme zu kümmern, wofür sie einmal gewählt wurden.
Ist es denn ein Wunder, wenn sich vernunftbegabte Menschen von derartigen Politikern immer weiter abwenden?

Wolfgang Tröbner | Mi., 22. März 2017 - 11:10

nicht nur in der CDU zu finden, sondern auch bei den anderen Parteien.

Unlängst beklagte sich z.B. die Juso-Bundesvorsitzenden Uekermann, die ein Bundestagsmandat anstrebte, heftig über die taktischen Spielchen der Bayern-SPD, die sie auf den aussichtslosen 26. Platz der Landesliste verbannt hatte. Ihr Lebenstraum wurde zerstört und der Schock darüber war wohl so heftig, dass ihr Vater sofort alle SPD-Parteiämter niederlegte.

Auch der innenpolitische Sprecher der Grünen, V. Beck, steht nicht mehr auf der Kandidatenliste für den Bundestag, obwohl eine Reihe Prominenter (Wallraff, Gewerkschafter Bsirske, Hella von Sinnen) monatelang dafür geworben hatten. Im Gegensatz zu Uekermann trug er seine Niederlage allerdings mit Fassung: "Es ist uns aufgetragen, am Werk zu arbeiten, aber es ist uns nicht gegeben, es zu vollenden".

Schön für die, die ihren Unterhalt mit einem Beruf selber verdienen können und nicht auf die Unterstützung ihrer Partei angewiesen sind.

Rainer Balcerowiak | Mi., 22. März 2017 - 14:22

Ich habe nicht den Anschein erweckt, dass derartige Vorgänge CDU-spezifisch seien. Im Gegenteil: Ich habe an zwei Stellen in dem Artikel ausdrücklich bemerkt, dass Derartiges auch bei anderen Parteien üblich ist.

Heinz Jaskolla | Mi., 22. März 2017 - 16:39

Das alles ist kein Alleinstellungsmerkmal der CDU oder Berlins. Nur der Umstand der Laß-fahren-dahin-Öffentlichkeit, der Einstellung des Was-kümmerts-mich ist (noch) einzig, doch wer nähcer hinsieht und hinhört, erkennt das Selbstbedienungsmuster allenthalben. Das zu vertretende Volk ist Stimmlieferant, notwenidges im 4-Jahres-Rhythmus zu umgarnendes notwendiges Übel, das nur auffällt, wenn es sich erdreistet, der hohen Politik zu widerssprechen - dann setzt es Maas-Einheiten von Klebeband vors freche Maul.
Diese verlotterten und moralisch verwahrlosten Volks-Zertreter führen die Moral im Mund, während die Hände hinter dem Rücken eifrig am Selbst weben.s
Es ist nicht Hass auf die Elite in Politik und leider auch weitverbreitet in den Medien, der sich Luft schafft - es ist schiere Verachtung.

Michaela Diederichs | Mi., 22. März 2017 - 19:44

Liebe Online Redaktion, Sie bringen neuerdings Bild-/Textkompositionen, die ich künstlerisch wertvoll finde. Der Gottkanzler mit Gospelchor - ist schon sehr schön. Dieses "Tja..." unter dem "Bild des Jammers" ist fast noch beredter als der Artikel selbst. Was im Umkehrschluss nicht bedeuten soll, dass Ihr Artikel nicht lesenswert ist, lieber Herr Balcerowiak. Aber in diesem Fall hat es mir das Bild besonders angetan.

Sabine Weber-Graeff | Mi., 22. März 2017 - 19:56

Immer gut gefüllt,der Napf durch die Arbeit der Steuerzahler und nehmen scheint hier wahrlich seeliger als geben.Aber der Kopf eines Trump-so ungehobelt er auch sein mag-der sein Gehalt spendet,wird an Karneval durch die Straßen gefahren und die Leute jubeln.Von wegen Land der Dichter und Denker.Land der nicht mehr ganz Dichten.