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Bundestagswahl - Warum die AfD in den Bundestag gehört

Die AfD ist eine Gefahr. Besonders für Union und FDP. Ob auch für SPD, Grüne und Linke, steht dahin. Nicht aber für die Demokratie. Ein Kommentar

Autoreninfo

Wolfgang Bok war Chefredakteur und Ressortleiter in Stuttgart und Heilbronn sowie Direktor bei der Berliner Agentur Scholz & Friends. Der promovierte Politologe lehrt an der Hochschule Heilbronn Strategische Kommunikation.

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Einmal macht die „Alternative für Deutschland“ einen langweiligen Wahlkampf doch noch spannend bis zum Abpfiff am Sonntag um 18 Uhr. Sie ist die kleine Unbekannte, die das bisherige Machtgefüge kräftig durcheinander wirbeln kann. Das bringt frischen Wind ins parlamentarische Gefüge.

Denn ein nicht unerheblicher Teil der Bundesbürger hält die bisherige Euro-Rettungspolitik für zu leichtfertig. Was spricht dagegen, wenn diese eurokritischen Wähler eine parlamentarische Stimme bekommen? Das belebt die Streitkultur. Das ist der Sinn von Demokratie. Ein Bernd Lucke würde den Schönrednern im Parlament mächtig auf den Zahn fühlen und die Risiken für die deutschen Sparer und Steuerzahler klar benennen. Auf diese Debatten darf man sich freuen.

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Wenn es Dank der AfD gelingt, einen Teil der Nichtwähler wieder an die Urnen zu bringen, wäre dies ein Erfolg. Wozu sonst dienen die teuren Kampagnen, die Verdrossenen zu Stimmabgabe zu ermuntert?  Selbst wenn es zutrifft, dass die AfD „rechte Wähler“ anspricht: Ist es nicht Konsens, dass es für das Land von Vorteil ist, wenn diese Bürger ins demokratische Spektrum zurückfinden? Deshalb ist die AfD noch lange keine „rechte Partei“, sondern eine, die das Parteienspektrum nur bunter macht.

Ob Gesellschafts- oder Energiepolitik, ob Bundeswehr oder Euro-Rettung: Mit ihren abrupten Wenden hat die Merkel-CDU den wertkonservativen Teil ihrer bisherigen Wählerschaft bewusst ausgegrenzt. Ein Erfolg der AfD erinnert die CDU daran, dass dieser Wählerkreis nicht alles mit sich machen lässt. Strafe muss sein. Die AfD gibt dem wertkonservativen Spektrum immerhin wieder eine politische Heimat und hält es im demokratischen Gefüge.

Ob die Deutschen deshalb gleich Angela Merkel als Kanzlerin verlieren, ist noch lange nicht ausgemacht. Je nach tatsächlicher Stimmenverteilung hätte die geschmeidige CDU-Vorsitzende dann sogar mehr Optionen: Sie könnte ein Bündnis mit der AfD eingehen, die wie einst die Grünen bei der SPD „Fleisch vom eigenen Fleische sind“. Andere Farbkombinationen wählen. Oder sich gleich mit der SPD ins Koalitionsbett legen. Dies wäre ohnehin die Lieblingsvariante der Deutschen. Eine „Große Koalition“ wird zwar vom möglichen Juniorpartner SPD offiziell verteufelt. Aber wie sagte schon Franz Müntefering: Opposition ist Mist. Schwarz-Rot würde jedenfalls stabile Mehrheiten schaffen und die Blockaden im Bundesrat aufbrechen. Union und SPD wären zum Konsens gezwungen. So sorgt die AfD, wenn auch unwillentlich, für Entkrampfung.

Ein Erfolg der Alternative dürfte vor allem auf Kosten der FDP gehen. Doch wäre das wirklich ein Verlust? In der außerparlamentarischen Opposition kann sich die Partei von der Boygroup befreien, der die steuerliche Gleichstellung der Homoehe wichtiger ist als eine Steuersenkung für alle. Bürgerlicher Liberalismus muss nicht zwingend blau-gelb sein. Blau genügt.

So tief müssen die Grünen nicht fallen. Aber ein Dämpfer täte dieser Partei der Selbstgerechten ganz gut. Dies ist zwar nicht das Verdienst der AfD, sondern hausgemacht. Aber wenn die alten Alternativen auf ein einstelliges Niveau sinken, derweil die neuen Alternativen von unten heranrücken, der Abstand also auf wenige Prozentpunkte schmilzt, dann darf die Wirkung nicht unterschätzt werden: Die Trittinisierung hätte ein Ende. Vor allem die Realos in der Partei würden aufatmen – auch dank der verfemten AfD.

Vielleicht verhilft erst Trittins Niederlage dem grünen Lager zu der Einsicht, dass die Energiewende im Grunde eine Umverteilung von unten zu den Grund- und Hausbesitzern nach oben ist, der Umwelt jedoch nicht wirklich nützt. Die AfD benennt dies klar und muss nicht auf jene Rücksicht nehmen, die mit Solarstrom, Biogasanlagen oder Windrädern fette Renditen einstreichen.

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Hauptsorge aus dem bürgerlichen Block ist, dass ein Erfolg der AfD dem linken Lager zur Mehrheit verhilft und damit die eigenen Ziele ins Gegenteil verkehrt. Dann wäre es spannend zu sehen, ob SPD und Grüne ihr Wort brechen und sich von der Linkspartei doch zur Regierungsmacht verhelfen lassen.

Politisch ist eine rot-rot-grüne Regierung gut möglich. Die programmatischen Schnittmengen sind groß. Ökonomisch hätte dies jedoch weitreichende Folgen. Aber vielleicht wacht das schlaffe bürgerliche Lager erst auf, wenn es zu spüren bekommt, dass eine Sahra Wagenknecht nicht nur das „schöne Gesicht des Sozialismus“ ist, sondern diesen Sozialismus in die Tagespolitik trägt. Manchmal ist zur Genesung bittere Medizin nötig. Klarheit durch Wahrheit.

Die AfD will den Bundestag verkleinern, die Steuerlast senken und der ökonomischen Vernunft mehr Gewicht verleihen: Nur im parlamentarischen Alltag können ihre Mandatsträger beweisen, dass sie mehr sind als bloße Maulhelden. Dass sie tatsächlich stimmige Konzepte präsentieren und Skeptiker überzeugen können. Diesem Härtetest möchte man die AfD gerne aussetzen. Wenn sie sich aber, wie andere Protestbewegungen vor ihr, selbst zerfleischt, so ist auch dies eine nutzbringende Erkenntnis. Dann bringt eine Stimme für die AfD immerhin den Beleg, dass es nicht genügt, nur dagegen zu sein.

Und wenn all diese Argumente nicht ausreichen, damit die AfD ihre alternativen Konzepte im Bundestag vertreten kann? Auch gut. So wird immerhin klar: Sie ist nicht die Stimme einer schweigenden Mehrheit. Sie ist nur Splittergruppierung, die einen sehr kleinen Teil der Bevölkerung repräsentiert. Dann muss sie kleinere Brötchen backen oder aus der Küche gehen. Auch dies ist eine wertvolle Erkenntnis.

 

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