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Neues Aufenthaltsgesetz - Lehren aus dem Green-Card-Desaster

Kolumne: Leicht gesagt. Seit diesem Monat ist ein neues Bleiberecht in Kraft, das zwischen sogenannten Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen unterscheiden will. Beim Thema Ausländer-Zuzug gerät dieser Tage vieles durcheinander

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich so leicht, man solle aus den vielen Asylbewerbern doch jene hier behalten, die Deutschland nützen. Aber wie soll das tatsächlich laufen? Eine Art stiller Wettbewerb unter den Flüchtlingen nach dem Motto: die Guten dürfen bleiben, die Unbrauchbaren müssen gehen?

Gottlob ist in einem Rechtsstaat das Recht über solche Ideen gestellt. Was allerdings auch nicht ausschließt, dass es eine Auswahl gibt unter den vielen Menschen, die jedes Jahr nach Deutschland fliehen in der Hoffnung, hier bleiben zu können.

Unterschieden werden soll nun noch klarer durch ein neues „Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“. Es ist seit dem 1. August in Kraft. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat den Sinn des neuen Gesetzes so formuliert: „Diejenigen, die als schutzbedürftig anerkannt worden sind, sollen künftig schneller und besser integriert werden. Auf der anderen Seite wollen wir den Aufenthalt von vollziehbar ausreisepflichtigen Menschen, die keine Bleibeperspektive in Deutschland haben, künftig konsequenter und wirkungsvoller beenden.“

Die deutsche Wirtschaft sucht dringend Fachkräfte
 

Das ist die Unterscheidung von landläufig sogenannten Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen. Die deutsche Wirtschaft wiederum wünscht sich dringend Menschen für Berufe, für die es nicht ausreichend deutsche Bewerber gibt.

So gesehen wirkt es tatsächlich paradox: Einerseits wollen derzeit so viele Ausländer wie nie zuvor in Deutschland leben. Andererseits sucht Deutschland händeringend qualifizierte Zuwanderer, weil es wegen der Jahrzehnte anhaltenden Geburtenflaute bereits sichtbare Lücken auf dem Arbeitsmarkt gibt. Das eine Problem scheint mit dem anderen schwer lösbar zu sein.

Es hat auch nur bedingt miteinander zu tun. Für Menschen aus sogenannten Drittstaaten, also Nicht-EU-Ländern, gibt es sozusagen zwei Eingänge nach Deutschland. Auf dem einen steht Asyl. Dieser Eingang besteht seit Gründung der Bundesrepublik, gehört als Teil der Grundrechte zu ihrer Grundarchitektur. Mit dem sogenannten Asylkompromiss von 1993 wurde dieser Zugang eingeschränkt mit dem Ziel, Asylmissbrauch zu verhindern. Seitdem hat keinen Anspruch auf Asyl mehr, wer über ein EU-Land oder ein anderes Nachbarland Deutschlands einreist.

Für jene Leute aus Drittstaaten jedoch, die von der deutschen Wirtschaft begehrt werden, wurde vor 15 Jahren ein weiterer Zugang nach Deutschland geschaffen. Denn damals war der Bedarf besonders groß an IT-Fachkräften, also Spezialisten für die Informationstechnologie.

Die Green-Card floppte
 

Die rot-grüne Bundesregierung reagierte darauf mit einer Initiative, die das am heftigsten diskutierte Thema in der Zuwanderungsdebatte wurde: die deutsche „Green Card“. Am 1. August 2000 trat die „Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für hoch qualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie“ in Kraft. Voraussetzung war ein Hochschulabschluss im IT-Bereich und ein vom Unternehmen zugesichertes Jahresgehalt von mindestens 51.000 Euro. Sie richtete sich an Menschen, die nicht aus der EU kamen.

„Gott sei Dank hatten wir damals unter Rot-Grün diesen ersten Schritt mit der Green Card“, lobt die heutige Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD). „Auch wenn deren Lebensdauer nicht so groß war, ist doch insgesamt viel Bewegung in die Einwanderungsdebatte in Deutschland gekommen.“ Das Projekt ging maßgeblich auf ihren damaligen Parteivorsitzenden zurück, Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Doch Nahles sieht auch, dass die Idee quantitativ ein Flop war. Denn sie spricht die Kurzlebigkeit des Projekts an. Obwohl Versicherungen und Familiennachzug mit wenig bürokratischem Aufwand geregelt wurden, kamen in den folgenden vier Jahren keine 15.000 dieser Hochqualifizierten nach Deutschland. Dabei hieß es laut Schätzungen, dass bis zu 75.000 freie Stellen in Deutschland mit IT-Spezialisten zu besetzen seien.

„Wir haben uns damals wahnsinnig viel versprochen“, erinnert sich DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben, der vor 15 Jahren als Hauptgeschäftsführer beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer die personellen Mängel der Branche gut kannte. Dass am Ende so wenige Software-Ingenieure kamen, habe die Wirtschaft enttäuscht.

Es hätte das vielleicht größte Projekt von Rot-Grün werden können, glaubt Wolfgang Nowak, damaliger Leiter des Planungsstabs im Bundeskanzleramt. Doch die Greencard-Idee sei zu sehr beschränkt gewesen: „Man hätte die Green Card auf andere Berufe ausdehnen müssen. Und nicht nur auf fünf Jahre beschränken. Das wäre eine Ausländerpolitik gewesen, die dann auch bis heute gehalten hätte“, sagt Nowak.

„Ein Einwanderungsgesetz wäre der nächste logische Schritt"
 

Die Greencard jedoch starb – auch noch einen unauffälligen Tod. Hatte ihr Start für großes Aufsehen gesorgt, war ihr Aus nicht einmal der Bundesagentur für Arbeit eine Pressemeldung wert. Mit dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetz wurde diese besondere Arbeitserlaubnis für ausländische Computerexperten überflüssig.

„Aber rückblickend war die Green Card doch ein großer Erfolg“, sagt DIHK-Hauptgeschäftsführer Wansleben. „Denn das war der Anfang einer Entwicklung, die inzwischen dazu geführt hat, dass Deutschland zu den attraktivsten Einwanderungsländern gehört.“

Schröders Ex-Planungsstabschef Nowak hingegen findet, dass die Chance einer geregelten Zuwanderung vertan worden seien: „Heute stehen wir vor einem Berg von Problemen, die dann die Städte und die Gemeinden lösen müssen“ und die nur „mit klaren Regelungen“ zu bewältigen seien; Regelungen wie das nun in Kraft getretene neue Gesetz zum Bleiberecht.

Seit dem 1. August 2012 regelt die „Blue Card EU“ die Zuwanderung von Hochqualifizierten nach Deutschland. Ähnlich der Green Card in den USA ermöglicht diese Karte eine Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis in der Europäischen Union.

Bundesarbeitsministerin Nahles sieht aber auch in dieser Karte nur eine Zwischenlösung: „Ich glaube, dass ein Einwanderungsgesetz der nächste logische Schritt wäre, um auch ein bisschen Druck von den Asylverfahren zu nehmen.“

Womit wieder deutlich wird, dass beide Türen – die eine mit „Asyl“ und die andere mit „Zuwanderung“ als Aufschrift – doch dicht beieinander liegen.

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