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Wohnungseinbrüche und Nationalität - Keine Angst vor der Wahrheit?

Medien sollten beim Zitieren von Kriminalitätsstatistiken alle Fakten benennen, auch die Herkunft von Tätern. Wer solche Wahrheiten aus Angst vor Fremdenfeindlichkeit verschleiert, schürt diese erst recht

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Vergangene Woche hatte „Die Welt“ einen schönen Rechercheerfolg zu verzeichnen. Dazu erst einmal Glückwunsch, liebe Kollegen um Stefan Aust! Die harte, exklusive Nachricht ist immer noch die größte journalistische Leistung, das darf man auch oder gerade in einer Kolumne so festhalten.

Jedenfalls kam die Zeitung vorzeitig an die Kriminalitätstatistik des Jahres 2015 und vermeldete daraus: Die Wohnungseinbrüche seien im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent angestiegen. „Spiegel Online“ griff die Geschichte auf und zitierte ausführlich daraus. An einer Stelle wird vermerkt, dass in Nordrhein-Westfalen die Herkunft der Täter aufgeschlüsselt werde. Und, Achtung, jetzt kommt‘s: „Mehr als die Hälfte der mutmaßlichen Einbrecher hat demzufolge die deutsche Staatsbürgerschaft“, fassten die Kollegen diese Aufschlüsselung zusammen.

Für dumm verkaufen?


Was bitte, fragte ich mich an der Stelle, soll dieser Satz? Will mich da jemand auf den Arm nehmen? Für dumm verkaufen? Oder einfach nur nicht auf unziemliche Gedanken bringen? Sie mir gewissermaßen pädagogisch-didaktisch versagen?

Genau solche Sätze sind es, die unserer Branche immer wieder den Ruf einbringen, die Wahrheit zu verschleiern. Denn erstens liegt der Ausländeranteil in Deutschland nach den zuletzt verfügbaren Zahlen des Ausländerzentralregister bei etwas mehr als zehn Prozent, was für die Relation der Täter bei den Wohnungseinbrüchen eine wichtige Bezugsgröße ist. Zweitens wäre interessanter gewesen, welche Tätergruppen für den erheblichen Anstieg der Einbrüche von 2014 auf 2015 verantwortlich ist.

Möglicherweise haben die Ermittler von der Einbruchsfront auch „SPON“ gelesen. Denn anderntags meldete sich der Bund Deutscher Kriminalbeamter zu Wort und stellte klar: Der starke Anstieg geht auf das Konto organisierter georgischer Banden, die Deutschland systematisch abgrasen und Wohngebiete plündern.

Leser nicht bevormunden


Wir tun uns und der Gesellschaft keinen Gefallen, solche Wahrheiten nicht zu benennen. Die Kölner Silvesternacht hat uns das gelehrt. Wir sollten unsere Leser nicht bevormunden. Und zugleich keine Vorurteile schüren. Ich kenne Georgien nicht, weiß nur, dass der SC Freiburg eine Zeit lang erfolgreich damit war, eine halbe georgische Nationalmannschaft aus lauter „-schwilis“ im Dreisamstadion auflaufen zu lassen – und habe zuletzt mit Genuss und Gewinn den Roman „Das achte Leben“ der georgisch-deutschen Schriftstellerin Nino Haratischwili gelesen. Ein wunderbares Buch, das einen Eindruck gibt von diesem Land. Einen differenzierten.

Niemals käme ich auf die Idee, Nino Haratischwili für die marodierenden Banden aus ihrem Heimatland verantwortlich zu machen. Niemals käme ich auf die Idee, nunmehr in jedem Georgier in Deutschland einen Einbrecher zu sehen. Oder aber dank Frau Haratischwili in jedem Georgier oder jeder Georgierin gleich einen potenziellen Literaturnobelpreisträger. Und zugleich wünsche ich mir, dass ich ehrlich und wahrhaftig informiert werde, wenn es einen ganz konkreten Grund gibt, warum in Deutschland vergangenes Jahr die Wohnungseinbrüche markant angestiegen sind.

Es hilft nichts, diese Wahrheiten zu verschleiern, im Gegenteil. Der Versuch, Fremdenfeindlichkeit auf diese Weise zu unterdrücken, schürt sie erst recht. Wir sollten unsere Leser nicht entmündigen, wie es „SPON“ in seiner Meldung versucht. Wir sollten ihnen darin vertrauen, mit der Wahrheit verantwortungsbewusst umzugehen. Auch wenn es manche nicht glauben wollen: Die Wahrheit schreiben, ohne Vorurteile zu schüren, das geht.

Es geht sogar besser, als die Wahrheit um das eine oder andere entscheidende Detail zu bereinigen, wie es „Spiegel Online“ in diesem Fall getan hat. Wie lautet noch der Werbeclaim des „Spiegel“? Keine Angst vor der Wahrheit.

Genau.

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Peter Meier | Mo., 12. Dezember 2016 - 10:44

Bei uns steckt hinter fast jeder aufgeklärten EInbruch ein drogenabhängiger oder betrunkener Nachbar. Georgier lassen sich offenbar nicht erwischen. Geklaut wird ein Handy, Schmuck oder Geld, also was sich leicht in die nächste Drogenration umsetzen lässt, für wenige hundert Euro. Für eine marodierende Bande lohnt das kaum. Wird mal mehr Geld geklaut, muss man sich fragen, ob das Opfer bei der Gelegenheit nicht Versicherungsbetrug begeht. Ich halte Darstellungen, bei denen hohe Werte geklaut wurden, für kontraproduktiv, lockt das doch Einbrecher erst an. 90% der Einbrecher sollten sich im Video als die üblichen Verdächtigen des Ortes identifizieren lassen, eine Kamera im Haus wäre also der beste Weg, wieder an Omas Erbschmuck zu kommen. Der war in den meisten Fällen aber bloss vergoldeter Tand. Versuchen Sie mal, alten Schuck zu verkaufen, da gibt es kaum noch was für, keine Relation zum Kaufpreis. Also: Die Wahrheit schreiben hilft.