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(picture alliance) Problem Energiewende weggelächelt: Gar nichts ist gemacht

Schwarz-Gelb - Wie die Regierung die Energiewende schön redet

Die Energiewende ist genau ein Jahr alt, doch man müsste eher sagen, dass sie noch nicht einmal richtig geboren ist. Schwarz-Gelb feiert seinen Nicht-Erfolg trotzdem schon mal – und FDP-Wirtschaftsminister Rösler will die Reform schaffen: mit weniger Fördermitteln, weniger Staat und noch weniger Ideen. Ein Kommentar

So viel Schulterklopfen und Händeschütteln hat man in den vergangenen Monaten in der schwarz-gelben Koalition selten gesehen. Lachend, tuschelnd, fast freundschaftlich saßen der FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler und sein neuer Kabinettskollege, CDU-Umweltminister Peter Altmaier, am Dienstag bei der Konferenz „Ein Jahr Energiewende“ nebeneinander.

Was für ein entzückendes Geplänkel: Altmaier freute sich, „dass ich hier sprechen darf“ – im Eichensaal des Bundeswirtschaftsministerium, einem Raum, der „fast so groß“ sei wie sein eigenes Haus. Er erinnerte daran, dass er erst vor zwei Wochen zum Minister ernannt wurde. „Und kurz danach haben Philipp Rösler und ich regierungsamtlich und offiziell beschlossen, uns zu mögen.“

Welch für ein Kontrast zur restlichen Regierungstruppe: Die gilt als so zerstritten, dass immer mal wieder über einen Bruch der Koalition spekuliert wird. Dass die drei Parteichefs von CDU, CSU und FDP auf dem „Koalitionsgipfel“ überhaupt noch miteinander redeten, reichte am Montag schon für eine Schlagzeile.

Besonders zerrüttet war das Verhältnis zwischen Rösler und Altmaiers Vorgänger Norbert Röttgen. Monatelang stritten diese in aller Öffentlichkeit zum Beispiel über eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes – Rösler drang auf eine Kürzung der Solarförderung. Als sich die beiden endlich geeinigt hatten, kassierte jedoch die rot-grüne Opposition den Gesetzentwurf im Bundesrat - mit Unterstützung der CDU Sachsens.

Dagegen lautet das Motto des neuen öko-ökonomischen Traumpaares: weglächeln, kleinreden, grün anstreichen. Philipp Rösler attackierte zunächst die Kritiker von Schwarz-Gelb: „Es ist ein Pauschalurteil, dass in den vergangenen zwölf Monaten nichts passiert sei.“ Dabei sei er „fest davon überzeugt, dass wir für die Größe der Aufgaben ein gutes Stück vorangekommen sind.“ Vieles sei jedoch noch gar nicht öffentlich gewesen.

Rösler muss so etwas sagen – schließlich trägt er als Wirtschaftsminister maßgeblich die Verantwortung für den Pfusch, den die Regierung jetzt als „Energiewende“ verkaufen will. Nirgendwo ist er bislang als oberster Energiemanager (für Rösler ohnehin ein Horrorbegriff) aufgefallen. Seine ganze Energie ging stattdessen in ein ganz anderes Projekt: die Rettung der FDP – und seiner eigenen Haut.

Dabei müsste doch gerade der Sturz Röttgens als abschreckendes Beispiel dienen: Der CDU-Politiker war zu sehr damit beschäftigt, an seiner eigenen Parteikarriere zu feilen – und verlor obendrein noch eine Landtagswahl. Weil er sich monatelang nicht richtig um das wichtigste Projekt dieser Bundesregierung gekümmert hatte und sich viele Probleme angesammelt hatten, warf Kanzlerin Merkel ihn gnadenlos raus, um einen Neustart zu ermöglichen.

Denn Tatsache ist, die Energiewende stockt, wichtige Grundsatzentscheidungen wurden bislang nicht getroffen. Die Bundesländer arbeiten nicht zusammen, der Bau neuer Gaskraftwerke, die nach der Atomkraft die Grundlast sichern sollen, verzögert sich. Vor allem aber stockt der Ausbau des Leitungsnetzes.

Seite 2: Rösler und Gauck warnen vor der „Planwirtschaft“

Um den Strom von den Windkraftanlagen in Norddeutschland in den Süden, wo jetzt die Atomkraftwerke ausgeknipst wurden, zu transportieren, müssen laut der Deutschen Energieagentur (dena) in den kommenden acht Jahren 4.450 Kilometer an Höchstspannungsleitungen neu oder ausgebaut werden. Bis 2010 wurden davon gerade einmal 90 Kilometer fertiggestellt, wie die dena in ihrer zweiten Netzstudie klarstellte. Und bei den kleineren Verteilnetzen sind es bis 2020 sogar 195.000 Kilometer – zehnmal der Erdumfang, wie Daten des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigen.

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Jochen Homann, geht von Kosten von 20 Milliarden Euro allein für den Ausbau der Verteilnetze im mittleren Spannungsbereich aus. Zugleich explodieren die Strompreise: Viele Geringverdiener können die Rechnungen nicht mehr begleichen – und sitzen deswegen immer häufiger im Dunkeln.

Und wie wollen die zuständigen Minister das ändern? Die Wirtschaft soll es bitteschön alleine richten. Rösler warnte eindringlich davor, „auf Planwirtschaft zu setzen“. Die Energiewende dürfe nicht staatlich verordnet werden. Wie, um das zu unterstreichen, benutzte er Worte wie „richtige Marktkräfte“ oder „besseres Marktdesign“. Gleich zweimal verwies er auf eine Statue im Eingangsbereich des Wirtschaftsministeriums – von Ludwig Ehrhardt, dem Vater der sozialen Marktwirtschaft.

Unentwegt beschwört Rösler den Markt, die Energiewende will der Liberale mit weniger Fördermitteln schaffen: Vor allem die Milliardenzahlungen für die erneuerbaren Energien sind ihm ein Dorn im Auge. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz sei ein „reines Subventionsgesetz“, flucht er. Auch staatlichen Finanzhilfen für den Kraftwerks- oder Netzausbau erteilte er eine Absage. Über seine Feststellungen klebte er das Etikett des Aufrichtigen: „In der energiepolitischen Debatte fehlt Ehrlichkeit, in der Politik, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft.“

Das Publikum gab sich mit weniger zufrieden. Und so erntete Rösler für seine liberalen Bekenntnissse, die mit der Realität wenig zu tun haben, erstaunlich viel Beifall – von Altmaier über die anwesenden Wirtschaftsexperten bis hin zum abwesenden Staatsoberhaupt. Bundespräsident Joachim Gauck sagte kurze Zeit später anlässlich der Eröffnung der „Woche der Umwelt“ im Schloss Bellevue, die Energiewende werde nicht allein mit planwirtschaftlichen Verordnungen gelingen. „Schon gar nicht mit einem Übermaß an Subventionen“.

Rösler dürfte so viel Bestätigung freuen. Das schwarz-gelbe „Prinzip Freiwilligkeit“, das schon bei der Frauenquote von Kristina Schröder krachend gescheitert ist, soll nun also zur Öko-Revolution führen? So viel Träumerei war selten. Es sei zum Beispiel erinnert, dass der massive Ausbau der erneuerbaren Energien staatlich forciert worden war. Heute ist Deutschland Exportchampion bei den Umwelttechnologien, der Weltmarktanteil beträgt 15 Prozent (im Vergleich zum Anteil aller Industrien von 10 Prozent). Auch der Atomausstieg konnte im Endeffekt nur gegen die Energieriesen – also von oben und gegen den Markt – durchgesetzt werden. Hier war es übrigens auch Schwarz-Gelb, das sich staatsinterventionistisch betätigte.

Der Tag wäre eine Gelegenheit gewesen, Fehler und Pannen einzugestehen, die Schwierigkeiten beim Namen zu nennen. Doch diese haben Rösler und Altmaier versäumt. Mit schönen Reden allein wird die Energiewende allerdings nicht gelingen.

Fotos: picture alliance

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