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(picture alliance) Als Nachfolger fehlt jemand auf Augenhöhe.

CDU-Nachfolge - Wer folgt auf Angela Merkel?

Angela Merkel steht unumstritten an der CDU-Spitze. Doch nach ihr folgt lange nichts. Warum ist das so?

Man könnte es für ein Symbol des Überflusses halten: Wenn die CDU Anfang Dezember zu ihrem Bundesparteitag zusammenkommt, dann wird sie dort nicht nur die Vorsitzende Angela Merkel wiederwählen, sondern zugleich die Zahl ihrer Stellvertreter aufstocken. Konnten sich bisher vier Christdemokraten mit dem Vize-Titel schmücken, werden es künftig fünf sein. Wer freilich den Eindruck gewinnen würde, dass da einer Überfülle an Talenten Raum geschaffen werden muss, der läge falsch. Das Quintett steht eher für die beträchtliche Leere, die sich hinter dem Rücken der Chefin ausbreitet. Wie es mit der größten Volkspartei weitergehen könnte, wenn einmal nicht mehr die Macht im Kanzleramt alles zusammenhält, ist so ungewiss und unabsehbar wie lange nicht mehr.

Wer sind Merkels Stellvertreter?

Das Problem lässt sich leicht erkennen, wenn man sieht, wer da in die formal zweitvorderste Reihe der Partei drängt – und wer sie verlässt. Annette Schavan scheidet aus. Die Merkel-Vertraute hat sich zurückgezogen, bevor jemand die Frage stellen konnte, ob sie noch die Richtige an dieser Stelle ist. Norbert Röttgen muss gehen – der Ex-Minister, lange als potenzieller Merkel-Nachfolger gehandelt, muss nach seinem Wahldebakel in NRW kleine Brötchen backen.

Beide machen Platz für zwei Bewerber, die so etwas wie Trümmermänner sind. Thomas Strobl und Armin Laschet müssen in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zwei große Landesparteien wieder aufrichten, die nach brutalen Wahlniederlagen nach wie vor geschockt wirken. Die CDU im Südwesten hat seit Menschengedenken nie über eine Oppositionsstrategie grübeln müssen, schon gar nicht gegen einen grün-bürgerlichen Ministerpräsidenten. Die CDU in NRW weiß historisch um so besser, was Opposition bedeutet; ihr tiefer Absturz nährte die heimliche Furcht, dass die Regierungszeit unter Jürgen Rüttgers nur eine Episode war.

Weder der erfahrene, aber öffentlich lange unauffällige Parlamentarier Strobl noch der joviale Ex-Integrationsminister Laschet sind Typen, die jubelnde Heerscharen hinter sich versammeln und an ihrer Spitze in Wahlschlachten ziehen. Dass sie beim Parteitag in Hannover nicht gegeneinander kandidieren mochten, sondern lieber um einen fünften Stellvertreterposten baten, mag klug sein, verstärkt aber weiter dieses Bild. Es zeigt zugleich, wie verbreitet bis hinauf zu Merkel die Sorge ist, dass man das Selbstbewusstsein ihrer Landesverbände nicht weiter strapazieren darf.

Die dritte Neue im Bund, Julia Klöckner, kennt diese Sorgen nicht. Ihr Landesverband in Rheinland-Pfalz hat eine lange Durststrecke mit quälenden internen Kämpfen hinter sich seit den Jahren, als ein gewisser Helmut Kohl als Rebell aus der Pfalz den Marsch auf die Bundeshauptstadt antrat. Die Ex-Staatssekretärin, die erst mal den umgekehrten Weg beschritt, weckt zum ersten Mal seit langem wieder Siegeshoffnungen.

Auf die Idee, dass sie nach Merkel eine auch bundesweit wichtige Rolle spielen könnte, kommt bei der burschikosen Klöckner so schnell trotzdem niemand in der Partei.Für den vierten Stellvertreter gilt das erst recht. Volker Bouffier hat sich in den Jahren, seit er Roland Koch als Regierungschef in Wiesbaden und an der CDU-Spitze nachfolgte, als Mann des Übergangs erwiesen, der mehr der Rente als zukünftigem Einfluss entgegenstrebt.

Bleibt also in Merkels Vize-Kreis nur eine übrig, der es an Ehrgeiz jedenfalls nicht mangelt: Ursula von der Leyen. Dass die Arbeitsministerin aus Niedersachsen sich gelegentlich schon mal für eine Rolle warmläuft, die zum Beispiel Parteichefin heißen könnte, erleben Parteifreunde in internen Sitzungen und die Basis auf öffentlichen Veranstaltungen. Als Merkel neulich in Fallingbostel zur Regionalkonferenz kam, rockte „Röschen“, wie sie einst zu Hause hieß, mit kämpferischen Gesten den Saal.

Wer sich bei CDU-Funktionären nach weiteren Talenten mit Zukunftspotenzial umhört, muss sich mit überschaubaren Antworten begnügen. Verteidigungsminister Thomas de Maizière gilt als kanzlerabel, wärmt der eigenen Partei aber das Herz nicht. Und der Niedersachse David McAllister muss erst mal Ende Januar eine schwierige Wahl gewinnen, bevor er vielleicht den Kopf aus der Provinz herausstrecken kann. Alle anderen – Ministerpräsidenten, Minister, Fraktionschefs, Fachpolitiker jeder Couleur – rangieren im internen Ranking klar unter „ferner liefen“. Mancher wird mithelfen, eine CDU nach Merkel zu prägen; deren Gesicht sein wird er aus heutiger Sicht nicht.

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Warum fehlen der Partei die Talente?

Für die CDU ist das eine ungewohnte Lage. Selbst in den 25 Jahren des Parteichefs Kohl gab es fast immer Alternativen zum Alten. Vom verhinderten Putschisten Lothar Späth über starke Nordlichter wie Ernst Albrecht bis hin zum Kronprinzen Wolfgang Schäuble boten sich respektable Köpfe an. Zu diesem Reservoir trugen über Jahrzehnte hinweg stark die Länder bei – ein Ministerpräsidentenamt galt allemal als Sprungbrett in die Bundespolitik. Lange zehrte die CDU zudem davon, dass sich ihr Nachwuchs in Generationen-Kohorten zusammenfand. Bei allen Unterschieden zwischen „Andenpakt“ oder „Pizza-Connection“ – da stand jeweils eine ganze Truppe Jüngerer als Reserve bereit, die zusammen stärker wirkte als ihre einzelnen Mitglieder.

Vergleichbare Strukturen sind heute nicht in Sicht. Die Jungen Wilden von einst sind Merkelianer geworden; von Nachfolgetruppen hört man nichts. Noch folgenreicher ist der Verlust der Ländermacht. Von den großen West-Bundesländern sind der CDU Hessen und Niedersachsen geblieben, beide auf Widerruf. Exemplarisch das Hessen-Dilemma: Dort fehlt allein schon ein klarer Nachfolger für Bouffier. Sein politischer Ziehsohn Boris Rhein hat sich erst neulich eine blutige Nase geholt, als er im Rennen um das Frankfurter Oberbürgermeisteramt gegen einen SPD-Mann den Kürzeren zog.

Relativ stark ist die CDU-Länderfront im Osten. Aber weder der Sachse Stanislaw Tillich noch die Thüringerin Christine Lieberknecht oder der Sachsen-Anhaltiner Reiner Haseloff sind durch eine Art von Ehrgeiz aufgefallen, der über ihre Landesinteressen hinausreichte.

Wie verhält sich die CDU zur Nachfolgefrage?

Zur Sprache kommen wird das alles beim Parteitag in Hannover nicht. Die 1000 Delegierten werden den Hausherrn McAllister feiern in der Hoffnung, dass ihr Applaus dem Ministerpräsidenten Rückenwind verschafft bei der Verteidigung seines Amts. Und sie werden Merkel zujubeln als der Einzigen weit und breit, die ihrer Partei das Regieren ermöglichen kann. Inzwischen trifft man sogar auf Christdemokraten, die Merkel aufrichtig nicht leiden können und ihr trotzdem einen langen Atem wünschen – so lange, bis vielleicht irgendwo neue Talente auftauchen, auf die die CDU ihre Zukunft bauen könnte.

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