Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
(picture alliance) Bundesumweltminister Peter Altmaier (r.) bei seiner Ernennung im Schloss Bellevue: Viele Aufgaben zu stemmen

Bewährungsprobe - Was erwartet Umweltminister Altmaier?

Der Umstieg auf erneuerbare Energien wird beim Energiegipfel diskutiert. Welche Herausforderungen muss die Politik bewältigen?

Schon vor einem Jahr haben sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten zum Energiegipfel verabredet. Am heutigen Mittwoch debattieren sie im Kanzleramt über elf Tagesordnungspunkte – die erste Bewährungsprobe für den neuen Umweltminister Peter Altmaier (CDU).

ATOMENDLAGER

Das Thema steht am Mittwoch nicht auf der Tagesordnung. Im April hatten Ministerpräsidenten, Fraktionschefs und der damalige Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) beteuert, sie bräuchten nur noch eine Sitzung, um das mehr als 30 Jahre lang unlösbare Thema in einen Endlager-Konsens zu überführen. Ohne die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen stünde dieser Konsens womöglich längst.

Bis zur Sommerpause muss eine Einigung gefunden sein. Danach beginnt in Niedersachsen der Landtagswahlkampf. Dort liegt nicht nur das umstrittene Salzbergwerk Gorleben, dort liegen auch die meisten möglichen alternativen Standorte für ein Endlager, in dem die nuklearen Hinterlassenschaften der deutschen Atomenergienutzung sicher vergraben werden sollen. Altmaier hat mit dem Thema zwei Probleme: Er kann weder ausschließlich auf seine Fachbehörde, das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), hören, weil in der bisherigen Debatte eine Neuorganisation der Endlagersuche und des -betriebs zu den umstrittensten Themen gehörte. Noch kann er allein auf seinen Abteilungsleiter Reaktorsicherheit, Gerald Hennenhöfer, hören. Der frühere Atommanager ist mitverantwortlich für das Gorleben-Desaster. Der Chef der Entsorgungskommission (ESK), Michael Sailer, ist ebenfalls Partei. Der Geschäftsführer des Öko-Instituts steht dem Beratungsgremium der Regierung vor und ist als Chef eines umstrittenen neuen Bundesinstituts für Entsorgung im Gespräch.

In die Abteilung Abwicklung gehört auch das leidige Thema Atomsicherheit. Die noch laufenden Atomkraftwerke müssten aus fachlicher Sicht auf der Basis der Erfahrungen mit der Fukushima-Katastrophe in Teilen nachgerüstet werden. Eine sogenannte Weiterleitungsnachricht mit entsprechenden Empfehlungen hat die Gesellschaft für Reaktor- und Anlagensicherheit (GRS) im Auftrag des Umweltministeriums auch an die Betreiber geschickt. Doch diese Empfehlungen sind nicht verbindlich. Wenn nicht schnell Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Nachrüstungen unbedingt notwendig sind, dürfte kaum ein Atomkraftwerk angesichts seines jeweiligen Abschalttermins noch nachgerüstet werden. Das Risiko im Betrieb steigt.

VERSORGUNGSSICHERHEIT

Unter dieser Überschrift verbirgt sich die schwierigste Frage des Umbaus: die richtige Infrastruktur. Entschieden werden muss über den Bau von Höchstspannungsleitungen oder sogenannten Stromautobahnen. Der Bedarf hängt aber ab von den regionalen Netzen und deren Stabilität. Gestritten wird über die regionale Verteilung von Kraftwerken als Notfallreserve sowie die Ausbaugeschwindigkeit von Wind-, Solar- und Biogasanlagen. Es geht um Milliardeninvestitionen und damit die Höhe der künftigen Strompreise. Die Ministerpräsidenten wollen mit Merkel zunächst einmal darüber diskutieren, warum es nicht gelingt, die Windparks im Meer entsprechend der gesetzlichen Vorgaben mit dem Stromnetz an Land zu verbinden.

Seite 2: Deutschland muss sich bei der Herkulesaufgabe auf eine niederländische Firma verlassen

Das Problem: Die dafür in erster Linie verantwortliche Netzgesellschaft Tennet ist ein niederländisches Staatsunternehmen, dessen Eigenkapitalausstattung für die anstehenden Investitionen nicht ausreicht. Für ein Kernstück der Energiewende, wie sie Schwarz-Gelb beschlossen hat, nämlich den Ausbau der Offshore-Windkapazitäten ist Deutschland auf ein Staatsunternehmen aus einem Nachbarland mitten im Wahlkampf angewiesen. Darüber hinaus geht es um neue Stromleitungen aus dem Norden und Osten in die Verbrauchszentren im Süden und Westen. Transitländer wie Thüringen, das zudem mit seinen Potenzialen für Pumpspeicherkraftwerke auch noch als Stromspeicherland infrage käme, wollen sich diese Dienstleistungen für die Energiewende angemessen bezahlen lassen. Ein weiteres Thema ist ein oder mehrere Seekabel nach Norwegen, um die dortigen Pumpspeicherkraftwerke als Stromspeicher für Überschussstrom aus Windkraft zu nutzen.

Da all das bis 2022 wohl kaum erledigt sein dürfte, stellt sich vor allem im Süden Deutschlands die Frage nach Ersatz-Kraftwerkskapazitäten für sehr kalte, wolkenverhangene und windlose Tage. Baden-Württemberg drängt deshalb auf schnelle Entscheidungen über einen sogenannten Kapazitätsmarkt. Die Stromkunden würden die Betreiber von schnell zu- und abschaltbaren Gaskraftwerken nicht für den Strom bezahlen sondern dafür, dass sie die Möglichkeit, Strom zu erzeugen, zur Verfügung stellen. Dafür kämen aber auch alte, nicht mehr wirtschaftliche Kohlekraftwerke infrage. Wie viel Kapazität gebraucht wird, hängt sowohl vom Zustand der Netze und Speicher als auch vom Ausbaustand der erneuerbaren Energien ab.

ERNEUERBARE-ENERGIEN-GESETZ

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) will am Mittwoch vor allem darüber reden, um wie viel die Vergütung für Solarstrom noch weiter gekürzt werden soll, nachdem sein Kompromiss mit Röttgen im Bundesrat gescheitert ist. Doch das ist eigentlich die falsche Frage. Die hohen Kosten für die Solarstromvergütung sind in den vergangenen drei Jahren entstanden und verdanken sich vor allem der Furcht der Bürger, dass sie für eine neue Fotovoltaikanlage bald gar keine Vergütung mehr zu erwarten hätten. Der aktuelle Zubau belastet angesichts der bereits drastischen Kürzungen, die schon in Kraft sind, die Rechnung kaum noch. Zudem erinnerte Harry Lehmann, Leiter der Nachhaltigkeitsabteilung im Umweltbundesamt am Montagabend bei einer Diskussion im Französischen Dom in Berlin daran, dass eine Familie derzeit im Monat gerade mal den Gegenwert einer Packung Zigaretten für den Ausbau der erneuerbaren Energien investieren muss. Die eigentliche Frage ist, wie die Förderung der erneuerbaren Energien aussehen kann, nachdem sie mittlerweile 20 Prozent am Stromverbrauch erreicht haben. Schließlich sollen Wind-, Solar- und Biomassestrom die überwiegende Energiequelle zum Herzstück der Stromversorgung werden. Mit einer Reform der Fördersätze im EEG ist es nicht mehr getan. Es geht nämlich nicht um eine „Marktintegration“ der erneuerbaren Energien. Es geht um den richtigen Markt für erneuerbare Energien.

ENERGIEEFFIZIENZ

Auf diesem Feld hat die Energiewende noch gar nicht begonnen, weil das Wirtschaftsministerium die Entstehung eines Effizienzmarktes mithilfe der geplanten Energieeffizienz-Richtlinie torpediert. Und ein Gesetz zur steuerlichen Absetzbarkeit von energetischen Gebäudesanierungen liegt seit Monaten im Vermittlungsausschuss. Peter Altmaier hatte in seiner bisherigen Funktion als Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion ein Kompromissmodell mit erarbeitet. Am Mittwoch könnten ihm die Ministerpräsidenten daher einen ersten Erfolg gönnen – oder es auch lassen, wie seit einem knappen Jahr.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.