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(picture alliance) Himmlische Ruh' – mit Außnahmen

Leipziger Urteil zu Nachtflugverbot - Ist nun himmlische Ruh'?

Am Flughafen Frankfurt am Main sind Flüge zwischen 23 Uhr und 5 Uhr künftig tabu. Was bedeutet das Urteil - für das Rhein-Main-Gebiet, aber auch für den neuen Airport in Schönefeld?

Auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom gestrigen Mittwoch zum Nachtflugverbot am Flughafen Frankfurt am Main ist das Problem mit dem Nachtverkehr an Flughäfen noch nicht gelöst. Selbst in Frankfurt sind, das geht aus der Entscheidung hervor, noch Änderungen möglich.

Was haben die Richter beschlossen?
Das Bundesverwaltungsgericht hat den Planfeststellungsbeschluss gekippt, wonach in Frankfurt am Main in der Nacht zwischen 23 Uhr und 5 Uhr bis zu 17 Flüge zugelassen waren.

Da die Betroffenen vorher nicht nochmals angehört worden waren, hoben die Richter die Zulassung dieser Flüge auf. Außerdem sei den besonderen Anforderungen an den Nachtlärmschutz der Anwohner nicht entsprochen worden. In den sogenannten Randzeiten von 22 Uhr bis 23 Uhr und 5 Uhr bis 6 Uhr hat das Bundesverwaltungsgericht die Zahl der durchschnittlich vorgesehenen 150 Flüge auf 133 Flüge reduziert und dabei die 17 untersagten Flüge einbezogen.

Ist die Entscheidung endgültig?
Nein. Die hessischen Behörden können den Planfeststellungsbeschluss nochmals ändern. Allerdings haben die Richter bereits klargemacht, dass der Spielraum für Flüge in der Kernnacht, sollte deren Zahl erneut geändert werden, gering ist. Sollten in den Randzeiten mehr Flüge zugelassen werden als jetzt festgelegt, müsste sich die Zahl bis zum Beginn des Flugverbots um 23 Uhr kontinuierlich verringern und dürfte am Morgen von 5 Uhr an nur allmählich steigen.

Können die Anwohner am Flughafen Frankfurt nun ungestört von 23 Uhr bis 5 Uhr schlafen?
Nein. Wenn sich Flugzeuge verspäten, dürfen sie, abhängig von der vorgesehenen Landezeit, auch zwischen 23 Uhr und 24 Uhr landen. Die Gesamtzahl dieser Landungen ist auf 2737 im Jahr beschränkt. Auch Starts sind noch nach 23 Uhr möglich, wenn höhere Gewalt das pünktliche Abheben verhindert hat. Hat die Fluggesellschaft die Verspätung selbst verursacht, wird keine Genehmigung erteilt. So durfte vor kurzem ein Airbus A 380 mit rund 500 Passagieren nicht mehr abheben, weil die Startzeit um wenige Minuten überschritten worden wäre.

Wirkt sich das Urteil auf den künftigen Flughafen BER in Schönefeld aus?
Nein. Abgesehen davon, dass in Frankfurt und Berlin, allerdings bei unterschiedlichen Voraussetzungen, bis 24 Uhr geflogen werden darf, gilt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom vergangenen Jahr weiter, wonach es ein Flugverbot von 0 bis 5 Uhr und nur eine festgelegte Zahl von Flügen zwischen 22 und 24 Uhr sowie zwischen 5 und 6 Uhr geben darf. Jeweils in der letzten und ersten halben Stunde sind dabei nur Landungen von verspäteten oder verfrühten Maschinen zugelassen. An dieser Genehmigung nachträglich zu rütteln, ist nach übereinstimmenden Angaben aus dem Bundesverkehrsministerium, der Landesregierung von Brandenburg, des Senats von Berlin und des Flughafens kaum möglich. Gegen weitergehende Einschränkungen könnten Fluggesellschaften unter Berufung auf die vom Bundesverwaltungsgericht zugelassenen Zeiten klagen.

Lassen sich beide Verfahren überhaupt vergleichen?
Brandenburgs Verkehrsstaatssekretär Rainer Bretschneider, einst Chef der Planfeststellungsbehörde und „Mister Flughafen“ in Brandenburgs Regierung, interpretiert das Urteil so: „Wenn man so wie Brandenburg gehandelt hätte, wäre das Urteil anders ausgefallen.“ Die hessische Planfeststellungsbehörde sei „auf die Nase gefallen, weil sie Vorgaben nicht sachgerecht abgewogen hat. Es gab Abwägungsfehler“. Für den BER hingegen hat das Leipziger Gericht im vergangenen Herbst das Nachtflugregime abschließend entschieden.

Aber die Frankfurter Anrainer haben nun eine längere Nachtruhe als die von Schönefeld. Gibt es nicht einen Gleichheitsgrundsatz?
Die Betroffenheit ist relativ. In den Randstunden etwa sind um Frankfurt am Main 133 Flüge erlaubt, in Schönefeld dagegen 77. Unabhängig von der juristischen Frage bleiben Nachtflugverbote politisch ein Dauerbrenner – um jeden Flughafen in Deutschland.

Wie werden Anwohner vor dem Fluglärm geschützt?
Es sieht danach aus, dass der Hauptstadt-Airport entgegen dem Planfeststellungsbeschluss faktisch ohne baulichen Schallschutz für über 20 000 Anwohner in der Umgebung in Betrieb gehen soll. Erst in knapp 1500 Wohnungen wurden Schallschutzfenster eingebaut. Der Flughafen macht dafür zwar mangelnde Mitwirkung der Anwohner verantwortlich. Doch weigern sich selbst kommunale Wohnungsgesellschaften, die sogenannten Kostenerstattungsvereinbarungen mit dem Flughafen zu unterzeichnen, in denen er sich zur Finanzierung der Maßnahmen verpflichtet. Als Grund wird angeführt, der Flughafen finanziere nur Billig-Schallschutz und verlange zudem einen Verzicht auf weitere Ansprüche.

Drohen um den BER neue Prozesse?
Ja, der Bürgerverein Berlin-Brandenburg (BVBB), die radikalste Anti-Airport-Initiative, aber auch Kritiker wie der SPD-Landtagsabgeordnete Christoph Schulze haben wegen des fehlenden Lärmschutzes bereits Klagen gegen die Inbetriebnahme angekündigt. Zudem will der Flughafen bei der Planfeststellungsbehörde eine „Klarstellung“ beantragen, welcher Schallschutzstandard in knapp 5000 Wohnungen unmittelbar am BER gelten soll. Dabei geht es um die Frage, ob und wenn ja wie oft der Maximalpegel von 55 Dezibel tagsüber überschritten werden darf. Auch hier kann es zu Prozessen kommen.

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