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(picture alliance) Peer Steinbrück und Angela Merkel — er wird sie nicht ablösen

Bundestagswahl - Warum Merkel Steinbrück nicht fürchten muss

Peer Steinbrück gilt als Mann der Mitte, aber es wird ihm wie schon Helmut Schmidt gehen: Die Mittelschicht wählt ihn nicht. Umfragen deuten nicht auf Wechselstimmung, sondern auf Schwarz-Rot hin. Angela Merkel wird wegen ihres Herausforderers keine Albträume bekommen

Nach monatelanger Troika-Show, nach intensivem Tarnen und Täuschen hat die SPD ihren Kanzlerkandidaten erkoren. Auch wenn die Erde nicht gerade gebebt hat: Peer Steinbrück ist ein respektabler Herausforderer der Kanzlerin. Dennoch muss Angela Merkel wegen ihres einstigen Finanzministers keine schlaflosen Nächte verbringen. Der spielt zwar auf Sieg – aber das sagt auch jeder Amateur-Verein, der im Pokal auf Bayern München trifft. Gleichwohl gewinnen meistens die Bayern. Und dafür, dass Steinbrück nicht Kanzler wird, sprechen mindestens sieben Gründe.

Erstens: Es gibt keine Wechselstimmung. Alle Umfragen belegen es: Die Bürger sind mit der Kanzlerin zufrieden. Schwarz-Gelb und Rot-Grün liegen in den Umfragen gleichauf. Und das, obwohl ein Jahr vor der Wahl die Opposition eigentlich klar vorne liegen müsste. Es gibt einfach keine Wechselstimmung. Alle Umfragen zeigen: Die Wunschkoalition der Deutschen heißt Schwarz-Rot, nicht Rot-Grün.

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Zweitens: Steinbrück klebt das Etikett SPD an. Der Kurs der Sozialdemokraten bewegt sich unverändert auf niedrigem Niveau. Wer nicht zur politisch-publizistischen Klasse gehört – und das sind mehr als 99,9 Prozent aller Wahlberechtigten –, dem erscheinen die Sozialdemokraten als eine Partei, die in hohem Maße mit sich selbst beschäftigt ist:  mit ihren Personaldiskussionen, ihren ideologischen Auseinandersetzungen, ihrem ewigen Streit, ob sie auf die Agenda 2010 stolz sein dürfen oder sich schämen müssen. Steinbrück wird nachgesagt, er könne tief in bürgerliche Wählerschichten eindringen. Das soll, so heißt es in politischen Märchen, auch seinem Idol und Förderer Helmut Schmidt gelungen sein.

Tatsache ist: Mit Schmidt erzielte die SPD gegen Helmut Kohl und selbst gegen Franz-Josef Strauß bescheidene Wahlergebnisse. Denn Schmidt wurde in mittelständischen, bürgerlichen Kreisen sehr geschätzt – aber nicht gewählt. Begründung: „Leider in der falschen Partei“. So könnte es auch Steinbrück ergehen.

Drittens: Beim Thema Euro kann Steinbrück gegen „Madame Europe“ nicht punkten. Das finanzpolitische Ansehen des Ex-Finanzministers ist  unbestritten. Aber wie will er das gegen die Kanzlerin, die zugleich die mächtigste Frau Europas ist, in die Waagschale werfen? Schließlich haben Steinbrück und die SPD im Bundestag jedem einzelnen Schritt der Regierung zur Bekämpfung der Euro-Krise zugestimmt. Steinbrück könnte darauf verweisen, dass er im Gegensatz zur Kanzlerin sehr früh die Einführung von Eurobonds vorgeschlagen hat. Doch die direkte Haftung der Bundesrepublik für die Schulden von Griechen, Spaniern oder Italienern würde nur die Zinsen für deutsche Kreditnehmer in die Höhe treiben. Deshalb will Steinbrück von diesem Konjunktur-Abwürge-Programm längst nichts mehr wissen.

Viertens: Steinbrück schafft nicht den Spagat zwischen Agenda 2010 und den linken Heulsusen. Der Kandidat fordert von den eigenen Genossen „Beinfreiheit“. Er bräuchte freilich Platz für einen Spagat zwischen den Schröder-Genossen und den auf dem linken Flügel versammelten „Heulsusen“. So hat er die Genossen bezeichnet, denen es seiner Meinung nach an Stolz auf die Reformen der Regierung Schröder mangelt.

Seite 2: Steinbrück ist kein Rächer der Enterbten

Die SPD verhält sich bei der Agenda 2010 wie ein Bäckermeister, der ein Mischbrot im Sonderangebot hat. Und der auf die Frage seiner Kunden, ob das denn schmecke, antwortet: Den einen schmeckt es prima, den anderen überhaupt nicht. Dass dieses Sonderangebot kein Verkaufsschlager wird, liegt auf der Hand.

Fünftens: Steinbrück eignet sich nicht als Rächer der Enterbten. Die SPD will einen Gerechtigkeitswahlkampf führen. Anders ausgedrückt: Mit der Forderung nach einem höheren Spitzensteuersatz, einer Vermögenssteuer und einer schärferen Besteuerung von Erbschaften wird die Partei an die in Deutschland besonders verbreiteten Neidgefühle appellieren. Damit wird Peer Steinbrück als vermeintlicher Mann der Mitte bei höheren Angestellten, Freiberuflern, Selbständigen und mittelständischen Unternehmern kaum punkten können. Die zahlen schon heute den Löwenanteil an direkten und indirekten Steuern und fühlen sich keineswegs vom Fiskus unterfordert.

Beim viel umworbenen kleinen Mann hingegen, bei denen, die sich benachteiligt fühlen, und denen, die tatsächlich zu kurz kommen, wird der Großverdiener Steinbrück ein Glaubwürdigkeitsproblem haben. Wer gerade bei der Finanzindustrie so eifrig kassiert hat wie der Vortragsreisende Steinbrück, eignet sich nicht als Prediger des Verzichts.

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Sechstens: Die „Ampel“ leuchtet nur sehr matt. Aus heutiger Sicht wird es zu keiner rot-grünen Mehrheit kommen. Was dann, Herr Steinbrück? Der Kandidat tut auf bekannt forsche Weise so, als stünden Grüne und FDP bereit für eine „Ampel“-Koalition.

Doch spricht mehr gegen als für ein solches Dreierbündnis. Zunächst muss die FDP, wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde schaffen will, jedes Ampel-Gehampel vermeiden. Das schreckte ihre potenziellen bürgerlichen Wähler nur ab. Auch die Grünen lassen sich von Steinbrück nicht so leicht zum Partner der FDP abkommandieren. Ganz abgesehen davon: Wie wollen eigentlich die Umverteilungs-Parteien SPD und Grüne ausgerechnet mit der FDP ihre Strafsteuern für Erfolgreiche ins Gesetzblatt bringen?

Siebtens: Mit Steinbrück hat die SPD die K-Frage noch lange nicht gelöst. Vizekanzler unter Angela Merkel will er nicht werden. Auch schließt er Koalitionen mit der Linken oder den Piraten kategorisch aus.

Ob er da die Rechnung nicht ohne die SPD gemacht hat? Für die meisten Sozialdemokraten wäre eine Neuauflage der Großen Koalition unter Führung der Union noch größerer „Mist“ als die Opposition. Aber wer sagt denn, dass sich in einem Sechs-Fraktionen-Parlament nicht doch noch eine Mehrheit für einen SPD-Kanzler organisieren lässt?

Dass Steinbrück weder mit der Linkspartei noch mit den Piraten kann und will, darf unterstellt werden. Aber für einen Kanzler Gabriel in einer bunten Anti-CDU-Koalition braucht man nicht allzu viel Phantasie.

Gut möglich also, dass Angela Merkel bis zum Wahltag ruhig schläft – solange sie nur an Peer Steinbrück denkt und nicht an Sigmar Gabriel.

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