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Wahlplakate - Bei Frauen ist Attraktivität eher hinderlich

Alle Jahre wieder segnen uns die Parteien mit ihren Wahlplakaten. Warum Peer Steinbrück es nur auf ein SPD-Plakat geschafft hat und manche Wahlplakate geradezu danach schreien, sie mit Bärten zu versehen, erklärt Melanie Leidecker vom Forschungsbereich politische Kommunikation der Uni Mainz

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Oettingen, Antonia

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Wie lange gibt es denn Wahlplakate eigentlich schon?
Wahlplakate sind gar kein so neues Medium der Massenkommunikation. Bereits im sechzehnten Jahrhundert hat Luther Vorstufen davon in Form sogenannter Flugschriften verwendet, um Meinungsüberzeugung zu leisten und im Ersten Weltkrieg wurden sie als Propagandamittel benutzt.

Wie sinnvoll sind Wahlplakate? Was sagt die Wissenschaft?
Zunächst einmal werden Wahlplakate hochgradig flüchtig rezipiert. Im Durchschnitt verbringen wir weniger als eine Sekunde bis maximal zwei Sekunden damit, uns die Plakate anzusehen. Noch dazu wird die Wahlwerbung passiv rezipiert und unsere Aufmerksamkeit entsprechend gering. Dennoch ist das Wahlplakat ein wichtiges Wahlkampfmittel. Es hat eine sehr hohe Reichweite, erreicht auch politisch uninteressierte Bürger oder Berufstätige auf dem Weg zur Arbeit. Mit dieser Form Wahlwerbung können über siebzig Prozent der Bevölkerung erreicht werden. Vor allen Dingen politisch uninteressierte Bürger oder Unentschlossene werden davon beeinflusst. Für sie könnten die Wahlplakate sogar die Grundlage für die Entscheidungsfindung sein. Außerdem beeinflussen sie die Themen, die Bürger in der Wahlkampfphase für wichtig halten und können auch zur Meinungsbildung beitragen.

Was kostet denn so ein Wahlplakat?
Das hängt von der Größe der Wahlplakate und auch von der Agentur ab. Wenn das Konzept steht, um die hundert Euro bei Großflächenplakaten, bei kleinen in etwa zehn Euro.

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Wie viele Plakate drucken die großen Parteien in der Regel?
Im Bundestagswahlkampf 2009 hat die CDU mit 500 000 Plakaten im Wahlkampf geworben und die SPD mit 300 000.

Lohnt sich der finanzielle Aufwand?
Ja, der Aufwand lohnt sich, denn Quantität ist entscheidend – die Masse der Plakate macht es. Desto mehr Leute erreicht werden, desto mehr Leute erinnern sich an die Werbung. Unterbewusst bleibt bei den Bürgern immer etwas hängen.

Wann schaden Wahlplakate den Parteien?
Wenn die Bürger sie für unglaubwürdig halten. Ein Beispiel dafür ist die CDU-Kampagne während des Elbflutwahlkampfes im Jahr 2002. Damals warb die CDU mit dem Kanzlerkandidaten Stoiber und dem Slogan ’Zeit für Taten‘. Stoiber war während der Hochwasserkatastrophe allerdings im Urlaub und hat auch etwas gezögert, bis er in die Katastrophengebiete gefahren ist. Gerhard Schröder hat sich hingegen mit seinem Besuch der Hochwassergebiete stark inszenieren können. Das hat sicher auch dazu beigetragen, dass er die Wahl gewonnen hat. Da hat der Wahlwerbeslogan der CDU einfach nicht mit der erfahrbaren Realität übereingestimmt. 

Stimmt es, dass die physische Attraktivität der Kandidaten unser Wahlverhalten direkt beeinflusst?
Man geht mittlerweile von einer Personalisierung des Wahlkampfes aus. Einzelne Personen stehen immer mehr im Fokus des Wahlkampfes und der medialen Berichterstattung, während unpolitische Eigenschaften immer wichtiger für die Wahlentscheidung werden. Plakate mit attraktiven Kandidaten werden Studien zufolge aufmerksamer und länger betrachtet und die männlichen Kandidaten werden automatisch für intelligenter, sympathischer, ehrlicher und fleißiger gehalten. Es konnte ein direkter Zusammenhang zwischen der Attraktivität von Kandidaten und den erlangten Erststimmen nachgewiesen werden. Bei Frauen tritt dieser positive Effekt so nicht unmittelbar ein. Hier gibt es den sogenannten „Beauty is Beastly“ Effekt. Attraktive Frauen in männerdominierten Berufen werden eher mit Weiblichkeit assoziiert. Da steigt die wahrgenommene Kompetenz nicht durch die Attraktivität – diese kann unter Umständen sogar hinderlich sein.

Drucken die Personen also bewusst die schönen Kandidaten auf die Plakate?
Parteien fragen sich, ob sie einen Kandidaten haben der das Potenzial zum Personalisieren hat. Gerhard Schröder wurde als Person sehr stark gepushed, weil er eine tolle Medienpräsenz hatte. Das Gegenbeispiel ist Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Das hängt nicht unbedingt nur mit seiner Attraktivität zusammen, sondern auch mit Sympathie. Seine Symphatiewerte sind im Keller. Folglich ist er nur auf einem Wahlplakat zu sehen.

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Reagieren die Parteien auf die gegenseitige Wahlwerbung?
Die Parteien unternehmen auf jeden Fall eine Konkurrenzbeobachtung. Reaktionen erfolgen vor allen Dingen wenn die eigene Partei von der anderen angegriffen wird. Davon gibt es einige Beispiele wie zum Beispiel die Rote-Socken-Kampagne der CDU, welche PDS und SPD für sich instrumentalisieren konnten oder auch der Finanzhai der SPD-Kampagne, der zur Kultfigur unter FDP-Wählern wurde. Der Versuch, die Kritik von sich abzuwenden, kann also durchaus effektiv sein.  

Weshalb beschmieren Menschen die Wahlplakate?
Es kann die pure Lust am Beschmutzen sein, ohne dabei seine politische Meinung äußern zu wollen. Manche Inhalte verführen geradezu dazu, so wie im Landtagswahlkampf von Rhein-Land-Pfalz im Jahre 2011. Die Kandidatin Julia Klöckner war auf einem Plakat der CDU zu sehen und unter ihr der Slogan ‚Politik ohne Bart‘. Dieses Plakat wurde sicherlich nicht nur einmal mit einem Bart versehen. Daneben können Bemalungen natürlich auch die Unzufriedenheit mit einem Politiker oder einer Partei und die selbst empfundene Unglaubwürdigkeit zur Schau stellen. Oft werden auch selbst gemachte Sticker verwendet, die den Wahlslogan verändern.

Kann eine ‚Dekorierung‘ auch eine positive Auswirkung für eine Partei haben?
Das bezweifle ich, denn die Beschmierungen sind in der Regel negativ konnotiert. Selbst wenn sie positiv ausfallen, ist es dennoch ein Eingriff in dessen, was die Partei eigentlich aussagen wollte und mindert auf jeden Fall die Wertigkeit des Plakates selbst. Der Partei gelingt es dadurch nicht, das rüber zu bringen, was sie vermitteln wollte.

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