Die Wohnungseinbrüche haben in den vergangenen Jahren markant zugenommen. Bild: picture alliance

Wahlkampf - Die SPD sollte auf Recht und Ordnung setzen

Die SPD sucht nach einem Thema für den Bundestagswahlkampf, dabei liegt schon eines buchstäblich auf der Straße: die innere Sicherheit. Die Polizei ist der zunehmenden Kriminalität immer weniger gewachsen und hat sich aus manchen Vierteln sogar ganz zurückgezogen

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Die Auseinandersetzung um den Unkrautvernichter Glyphosat hat gezeigt: Die Zeit des Gemeinsamen ist vorbei in der Großen Koalition. Die SPD versucht sich anderthalb Jahre vor der Bundestagswahl in Absetzbewegungen (in dem Fall an einem vergleichsweise läppischen Thema). Und sie sucht nach Jahren der gezielten thematischen Dehydrierung durch die Kanzlerin ein Wahlkampfthema.

Sie sucht und sucht und guckt und guckt wie der, der im Wald nur Bäume sieht. Denn es ist da, es drängt sich förmlich auf. Das Thema heißt Recht und Ordnung.

Denn darum ist es nicht gut bestellt in diesem Land. Es gibt nach wie vor – eher zunehmend als abnehmend – rechtsfreie Räume in Ballungszentren. Es sind Viertel, in die sich die Polizei nicht mehr traut, in denen Clans eigene archaische Gesetze aufstellen und exekutieren. Für einen Rechtsstaat ist das ein Armutszeugnis, eine Kapitulationserklärung.

Immer mehr Wohnungseinbrüche
 

Die Wohnungseinbrüche haben in den vergangenen Jahren markant zugenommen. Das trifft in erster Linie die Klientel der SPD, die kein Geld dafür hat, in gated communities zu leben, die sich in Metropolen wie Berlin ausbreiten. Oder teure Alarmanlagen zu installieren. Unionsfraktionschef Volker Kauder hat nun einen ersten zaghaften Vorstoß unternommen, hier nach härteren Strafen zu verlangen. Aber es war ein halbherziger Vorstoß. Man hatte den Eindruck, er musste eher zum Jagen getragen werden.

In den großen Einkaufszentren, so ist in den Lokalteilen der Zeitungen zu lesen, drangsalieren Jugendgangs Bürgerinnen und Bürger. Und wenn die Polizei auftaucht, machen sie sich über deren softes Vorgehen nur lustig. Der Rechtsstaat macht sich lächerlich. Er animiert so dazu, die rechtsfreien Räume immer weiter auszudehnen. Auch die Gewaltorgien von rechten und linken Randalierern nehmen zu und werden mehr oder minder achselzuckend zur Kenntnis genommen. 

Das Beispiel New York
 

Kann man nix machen? In den USA gab es einmal eine Stadt, in der diesem Prozess über Jahrzehnte zugesehen wurde. Irgendwann wurde der Kontrollverlust als gegeben und unabänderbar erachtet. Bis Rudolph Giuliani Bürgermeister von New York wurde und gnadenlos vorging gegen alles, was sich breitgemacht hatte. Mit harten Strafen und großem Polizeiaufgebot. Das ist die einzige Sprache, die auf der Straße verstanden wird.

Inzwischen ist New York nicht nur ein Blumenmeer (die optische Veränderung als Maßnahme gegen den Vandalismus ging mit dem „Tough on Crime“-Konzept einher), sondern auch eine vergleichsweise sichere Millionenmetropole. Man kann sich als Tourist wieder ohne Ängste nachts in die Bronx oder nach Brooklyn trauen. Das wünscht man sich auch für Berlin-Neukölln und Duisburg-Marxloh.

Thema ließe sich auch auf Steuerflucht erweitern
 

Recht und Ordnung, dieses Thema liegt buchstäblich auf der Straße. Und die SPD sollte nicht warten, bis die AfD es sich sichert. Es ist im Übrigen auch ein Sujet, bei dem man die Kanzlerin ganz persönlich und mit Fug und Recht attackieren kann: Denn sie selbst hat im Zuge ihrer missglückten Flüchtlingspolitik nach übereinstimmender Ansicht vieler Juristen Recht gebrochen und Kontrollverlust im großen Stil verursacht und zugelassen.

So. Jetzt ist es höchste Zeit für den Einwand, dass doch innere Sicherheit kein sozialdemokratisches Thema sei. Die Sozialdemokraten seien eher dafür zuständig, mit Einfühlung und Erlebnispädagogik gegen Straßengangs vorzugehen. Das Argument ist Unsinn. „Law and order is a labour issue“ hat seinerzeit Tony Blair erfolgreich in Großbritannien für seine sozialdemokratische Partei reklamiert. Und das stimmt auch. Nur wer viel Geld hat und sich seine Sicherheit individuell erkaufen kann, kann sich einen schwachen Rechtsstaat leisten. Die Stammklientel der SPD kann das nicht in dem Maße. Im Übrigen ließe sich dieses Thema logisch und in sich schlüssig erweitern auf alles, was mit Steuerflucht und sonstiger Weißkragenkriminalität einhergeht.

Die SPD hat von Angela Merkel schmerzhaft lernen können, wie erfolgreich es sein kann, dem politischen Gegner ausgerechnet die Themen wegzunehmen, für die dieser einmal stand.

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