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Vorschlag zur Straßenabgabe - Der mutige Feigling Torsten Albig

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig fordert eine Straßenabgabe und bricht mit der Räson, die alle Parteien teilen: Lege Dich niemals mit dem deutschen Autofahrer an! Doch eigentlich will er das auch gar nicht

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich leicht, die Forderung nach einer Maut für alle sei dreist. Schleswig-Holsteins Torsten Albig hat es gewagt, von jedem Autobesitzer diese zusätzliche Abgabe zu verlangen: 100 Euro im Jahr, also 8,33 Euro im Monat. Dafür muss er sich prügeln lassen. Aber ist seine Rechnung wirklich unverschämt?

Geld aus Kfz-Steuern für Straßenbau ist verfassungswidrig


Deutschland schäumt vor Empörung. Die BILD-Zeitung grölt: „Hat dieser Ministerpräsident eigentlich ein Rad ab?“ Es wird aufgelistet, wie der Staat den Autofahrer schon jetzt ausnehme: Bei einem Benzinpreis von 1,55 Euro pro Liter flössen „satte 90,7 Cent an den Fiskus“ wegen der Mineralölsteuer und der sogenannten Ökosteuer. Die Einnahmen aus der Kfz-Steuer seien innerhalb von zehn Jahren um fast eine Milliarde gestiegen. Insgesamt kassiere der Staat über Steuern und Abgaben von den Autofahrern mittlerweile Jahr für Jahr fast 50 Milliarden Euro.

Das stimmt alles, auch wenn es zuletzt tatsächlich 48,1 Milliarden waren. Aber wie der Name schon sagt: Es handelt sich um Steuern. Da gilt das Nonaffektationsprinzip, wie der finanzwirtschaftliche Grundsatz unserer Volkswirtschaft heißt: Steuern dürfen nie zweckgebunden sein. Sämtliche Einnahmen müssen bereitgehalten werden um möglichst die gesamten Ausgaben eines Staates zu finanzieren.

Dahinter steht die Auffassung, dass alle Staatszwecke gleich viel zählen und regierende Politiker sich die Freiheit auch erhalten müssen, die Prioritäten ihrer Ausgaben von Fall zu Fall zu entscheiden. Für dieses Management sind sie gewählt. Flössen also die Einnahmen aus der Kfz- und Mineralölsteuer einfach zurück in den Straßenbau, dann wäre das schlicht verfassungswidrig.

Erst kommen die Wahlen, dann die Moral


Von den jährlich 48,1 Milliarden Euro Steuereinnahmen im Jahr 2012 durch Autofahrer flossen 19 Milliarden zurück in den Straßenbau. Das heißt mit anderen Worten: Immerhin 40 Prozent dieser Steuern sind für eben jene ausgegeben worden, die sie zahlen. Das ist ein vergleichsweise hoher Wert – der aber bei weitem noch nicht die Kosten deckt. Denn unsere Infrastruktur ist marode. Ein Großteil der Straßen und Brücken in Deutschland sind über vier Jahrzehnte alt, der Sanierungsstau ist so gewaltig, dass eine Verkehrskommission nach der anderen errechnet hat: jährlich fehlten sieben Milliarden Euro, um Altes erhalten und Neues bauen zu können.

Deshalb ist es mutig von Torsten Albig, den direkten Weg zu gehen und jene zur Kasse zu bitten, die es angeht: die Straßennutzer. Einerseits ist es mutig. Andererseits ist es natürlich auch feige, diese mäßig originelle Idee erst jetzt zu äußern, nachdem die Wahlen und vor allem die Koalitionsverhandlungen längst gelaufen sind. Denn Ministerpräsident Albig saß in der Arbeitsgruppe Verkehr, als die sich anbahnende Große Koalition über das Thema verhandelte. Cicero.de hatte das, was Albig heute fordert, schon alles auf den Punkt gebracht.

Der Ministerpräsident fügte sich damals der Parteiräson. Und die hieß bei der SPD: Wir sind gegen Maut! Selbst Albigs eigener Verkehrsminister und Parteigenosse Reinhard Meyer wetterte allerorten gegen die Maut. Dessen Mantra lautete – offenbar wider besseres Wissen, jedenfalls seines Chefs: Deutschland habe kein Einnahmeproblem, sondern nur „ein Verteilungsproblem“.

Forderung nach Straßenabgabe verhallt in der Wüste


Im Grunde aber hieß und heißt die Räson aller Parteien: Lege Dich niemals mit dem deutschen Autofahrer an! Selbst die CSU, von der die Maut-Idee stammt, wagte nur eine Umlage für ausländische Autofahrer zu fordern. Und zu den ganz wenigen Grundsatz-Festlegungen der Bundeskanzlerin gehörte schon vor der Bundestagswahl, dass der deutsche Autofahrer nicht weiter belastet werden solle.

Insofern wird Albig mit seinem viel zu späten Vorschlag zwar bekannter werden – aber nur als Rufer in der Wüste.

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