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Ja zur Union - Folgt dem Beispiel der Schotten

Die Schotten haben es dann doch nicht getan – und gegen die Unabhängigkeit gestimmt. Jetzt sollten die Briten von den Schotten lernen und sich endlich zu Europa bekennen

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Am Ende war es wohl so: es ist eine Sache, sich einem lustvoll-frivolen Gedanken hinzugeben. Aber ihn dann wirklich in die Tat umzusetzen, ist nochmal eine ganz andere. Monatelang hat sich mindestens die Hälfte der Schotten mit dem Gedanken getragen, ihr Land in die Unabhängigkeit zu führen und sich vom südlichen Nachbarn England loszusagen. Am Ende hat es eine Mehrheit dann doch nicht getan. Buchstäblich in der Wahlkabine mag manchen dann der Stift in der Hand erstarrt sein ob der Tragweite dessen, was sie beinahe herbeigestimmt hätten.

So aber ist alles nochmal gut gegangen. Die Parzellierung Europas ist nicht weitergegangen. Das „Zurück-zur-Nation“-Gefühl hat sich nicht durchgesetzt auf der britischen Insel. Die Tendenzen dazu gab und gibt es nicht nur in den schottischen Hochmooren. Überall in Europa mehren sich separatistische Phänomene, in Katalonien, in Norditalien, auf Korsika. Das starke Abschneiden der national gesinnten Parteien bei der Europa-Wahl im Mai war ein Indikator dafür, das Erstarken der AfD in Deutschland zeigt, dass auch die Bundesrepublik gegen dieses Phänomen nicht immun ist.

Vorbild EU
 

Die Europäische Union ist in den vergangenen Jahren schlicht den überzeugenden Nachweis schuldig geblieben, dass sie für alle Beteiligten eine gute Sache ist. Sie wird sich auch weiterhin darin schwer tun, denn die Konstruktion einer die Nationen nicht ersetzenden, sondern überwölbenden Institution, ist genau das: komplex, kompliziert und mühsam.

Und doch das beste transnationale Modell, das im vergangenen halben Jahrhundert aufgetaucht ist. Für Europa gilt das Bonmot, das Winston Churchill einmal auf die Demokratie gemünzt hat: Unter all den schlechten Formen die beste. Die quasi-föderale Struktur ist das Vorbild für eine afrikanische Union, die sich langsam, aber sicher abzeichnet. Und der Föderalismus wird als Lösung auch in den Krisengebieten des Arabischen Raumes und in der Ukraine in Betracht gezogen.

Gerade in der Levante zeigt sich: Wer Grenzen mit einem Lineal zieht, wie das im Sykes-Picot-Abkommen von 1916 fürchterlicherweise geschehen ist, der missachtet regionale, ethnische und religiöse Besonderheiten. Und die brechen sich irgendwann Bahn, so wie jetzt im Terror des so genannten Islamischen Staates.

Gemeinsam besser
 

Die Union der europäischen Länder respektiert im Gegensatz die Vielfalt, sie macht nicht gleich und zieht keine geraden Striche durch den Kontinent, auch wenn die Polemiken gegen vereinheitlichte Ölkännchen und Gurken das glauben machen wollen.

Schottlands Referendum hat gezeigt: In Europa bleibt man besser zusammen, weil es am Ende gemeinsam besser geht. Und weil man zugleich so bunt und eigen bleiben kann wie die vielen Kilt-Karos der schottischen Clans.

Heilsam wäre, wenn auf der britischen Insel diese Erkenntnis und der Schock eines Beinahe-Austritts Schottlands aus dem United Kingdom auch in England zu einer anderen Sicht auf Europa führen würde. Denn dort ist Großbritannien allzu oft in der Rolle der schottischen Separatisten. Jetzt, wo sich die Schotten in einem großen demokratischen Akt zu Großbritannien bekannt hat, sollte Großbritannien das Gleiche beim Referendum 2017 über Europa tun. Wie haben Cameron und Co. ihren schottischen Freunden wieder und wieder gesagt? Es ist besser so.

Genau.    

 

Mehr zum Thema finden Sie in der aktuellen Ausgabe des Cicero. Darin schreibt der ehemalige Bond-Darsteller Sean Connery, warum Schottland unabhänig sein muss. Die Ausgabe mit dem Titel „Das neue Nationalgefühl“ thematisiert, warum Staaten und Nationen heute wieder ihr Heil im Alleingang suchen. Die September-Ausgabe des Cicero können Sie HIER als App und am Kiosk erwerben.

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