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TV-Duell - Es bleibt dabei: Merkel moderiert, Steinbrück klartextet

Das TV-Duell hätte für Peer Steinbrück ein Befreiungsschlag werden können. Er ging als Außenseiter in die Konfrontation. Doch er ließ wichtige Chancen ungenutzt, etwa bei der NSA. Der wirkliche Verlierer des Abends ist die Moderation. Ein Kommentar

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Es sind genau zwei Sätze, die Merkels Wahlkampfstrategie zusammenfassen. Erstens: „Sie kennen mich.“ Zweitens: „Und dann wünsche ich Ihnen einen schönen Abend.“

Im einzigen TV-Duell zur Bundestagswahl hat Angela Merkel voll auf ihre Person gesetzt. Die Kanzlerin führt die Beliebtheitswerte an, sie war als deutliche Favoritin in die Runde gegangen. Und in dieses Konzept fügte sich auch ihr zweiter Satz mit dem Motto: abmoderieren, einschläfern.

Genau vor einer solchen Merkel-Methode hatte Peer Steinbrück zu Beginn der Debatte noch gewarnt, als er sich direkt an die Wähler wandte: „Lassen Sie sich nicht einlullen!“ Doch wie die Blitzumfragen gleich nach Ende des Duells offenbarten, ist eher Merkels Strategie aufgegangen: Die Zuschauer fanden die Kanzlerin sowohl sympathischer (in ersten Umfragen 47 Prozent zu 33 Prozent für Steinbrück) als auch kompetenter.

Dabei sah es zu Beginn des Duells zunächst nicht danach aus. Im ersten Themenkomplex, in dem es ums Geld ging, präsentierte sich Steinbrück deutlich angriffslustiger. Der SPD-Kandidat schaffte es immer wieder, seine zentrale Forderung nach einem flächendeckenden Mindestlohn zu platzieren. Die Lohnuntergrenzen der CDU bezeichnete er als „Flickenteppich“ und ergänzte – durchaus flapsig –, dass die Menschen bei Merkel „die Gelackmeierten“ wären.

Gabriel droht Rot-Grün zu spalten – und niemand hakt bei Steinbrück nach

Ganz spannend hätte es eigentlich bei der Frage des Verhältnisses von Sozialdemokraten und Grünen werden können. SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) am Sonntag in der Wirtschaftswoche als überholt bezeichnet. Er sprach vom „größten Deindustrialisierungs-Programm unserer Geschichte“ – und schockierte die Grünen damit. Treibt der Parteichef damit einen Keil zwischen die rot-grüne Wunschkoalition, hintertreibt er damit Steinbrücks Wahlkampf? Dieser umging eine Konfrontation und bekräftigte im TV-Duell stattdessen lediglich das Bekenntnis seiner Partei zum Industriestandort Deutschlands. Es war zweifelsohne ein Versäumnis der Moderation, hier nicht stärker nachzulangen.

Aber: Peer Steinbrück – wohl gemerkt: nicht den Moderatoren – gelang es, Merkel eine klare Absage gegen die PKW-Maut für Deutsche abzutrotzen. Die Autoabgabe hatte zuvor noch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer gefordert. „Dann sende ich schöne Grüße nach München“, triumphierte Steinbrück. Dazu noch ein bisschen Wildwest-Rhetorik: Sein „Kavallerie“-Satz in Bezug auf das Steuerabkommen mit der Schweiz sei „ein Ausflug in meine Westernfilm-Erfahrung“ gewesen, frotzelte Steinbrück.

Der SPD-Kandidat umschiffte noch eine weitere Falle. Auf Illners Frage, ob Politiker in diesem Land noch gut bezahlt seien, ließ er sich nicht ein. „Glauben Sie tatsächlich, dass ich mich noch einmal in meinem Leben dazu äußere?“, konterte er. Dafür entlockte die ZDF-Frau ihm die Zusage, die Beamtenpensionen müssten an die Renten „fair gekoppelt“ werden. 

Web amüsiert über Merkels Halskette

Beim wichtigen Thema EU ging Steinbrück voll auf Offensive: Merkel verfolge eine Sparpolitik in einer „tödlichen Dosis“ für die Südländer. Stattdessen brauche es mehr Wachstum und so etwas wie einen Marschallplan II. Merkel verteidigte ihren Eurokurs und hielt Steinbrück zugleich vor, einerseits die Regierung gestützt zu haben und sie andererseits nun zu kritisieren.

Und so ging es weiter: bei der Rente, der Gesundheit. Merkel geriet deutlich in die Defensive, spulte minutenlange Stellungnahmen herunter. Im Netz herrschte bald Langeweile, ein Account mit dem Namen @schlandkette sorgte für Belustigung. Dort twitterte ein Nutzer aus Sicht von Merkels schwarz-rot-goldener Halskette.

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Dann aber machte Steinbrück den ersten Fehler, indem er behauptete, Edward Snowden habe nie um Asyl in Deutschland gebeten. Was nur dann stimmt, wenn man es örtlich nimmt: Der NSA-Whistleblower hatte von Moskau aus sehr wohl ein Gesuch an die Bundesregierung entsandt. Es wurde abgewiesen mit dem Hinweis darauf, Snowden hätte deutschen Boden betreten müssen. Merkel hätte beim Thema NSA eine offene Flanke gehabt – aber diese Chance hat der Sozialdemokrat nicht genutzt. Auch auf die Frage, ob er den Vorwurf, Merkel habe ihr Amt missbraucht, wiederholen würde, ging Steinbrück nicht ein. Steinbrück sagte nur noch, sie habe ihren „Amtseid nicht erfüllt“. Ein Rollback.

Selbstprofilierung des Moderatorenquartetts

Und das Thema Syrien? Was in der Tagesschau noch die Nachricht Nummer 1 war, wurde im TV-Duell auf ein paar Randbemerkungen gegen Ende der Sendung reduziert. Kanzlerin und Herausforderer betonten, Deutschland werde sich an einem Militärschlag nicht beteiligen. Wie eine Diplomatie im Nahen Osten jetzt noch aussehen könnte und was mit den vielen Flüchtlingen geschehen sollte – das wären durchaus noch interessante Fragen in dem Duell gewesen.

Aber kostbare Zeit musste das Moderatorenquartett ja für die Selbstprofilierung nutzen. Es wies zwar wiederholt darauf hin, dass Merkel ihre Redezeit überziehe. Man hätte einmal die Redezeit der vier Talkmaster messen sollen. Einige der Plattitüden: Anne Will wies Steinbrück darauf hin, seine Kontrahentin „beherrscht Ihren Namen mühelos“. RTL-Mann Peter Kloeppel blieb völlig blass und fiel nur einmal unangenehm auf, als er seiner Kollegin Maybrit Illner ins Wort fiel. Und Stefan Raab, der schon vor der Diskussion so umstritten war? Er versuchte es gleich zu Beginn: „Frau Merkel, wenn Sie ab sofort jeden Monat eine Milliarde zurückzahlen, dann wären wir 2184 schuldenfrei.“ Ein paar Witze gelangen ihm, aber gegen Ende des Talks wurde die Raab-Show dann doch etwas nervig.

Was man aber allen vier zugutehalten muss: Immerhin versuchten sie, den Kandidaten mehrfach ins Wort zu fallen. Raab unterbrach die Kanzlerin bei der Verschuldungsfrage vier-, Illner beim Griechenland-Rettungspaket fünfmal. Doch gegen Merkels Satzschlangen waren selbst diese Top-TV-Journalisten chancenlos.

Es bleibt wohl bei diesem Eindruck: Merkel moderiert sich selbst. Steinbrück klartextet. Und vier Moderatoren auf halb so viele Wahlkämpfer loszulassen, ist keine so gute Idee.

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