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Dirk Bach - Tod eines Hofnarren

Dirk Bach war ein besonderer Schauspieler, sein Erscheinungsbild Teil seines Selbstverständnisses. Ein Nachruf

Ein Mensch stirbt. Er stirbt allein, niemand ist bei ihm in seiner letzten Stunde. Er stirbt in einer fremden Wohnung, in einer fremden Stadt.

Seine Kollegen, mit denen er Theater spielen wollte in Berlin, haben Dirk Bach am Montagnachmittag gefunden, die Todesursache lautet auf Herzversagen. Es ist eine sehr traurige Geschichte, die einen berührt, auch wenn man den Schauspieler und Komödianten weder persönlich kannte noch mit seiner Arbeit sonderlich vertraut war. Dirk Bach war eine Figur des öffentlichen Lebens, er hatte so etwas wie die Rolle des Hofnarren für sich erfunden. Aber in der Demokratie gibt es keine Königshöfe, niemand muss von kugeliger Physiognomie sein, damit ihm seine Späße verziehen werden.

Trotzdem war das äußere Erscheinungsbild Dirk Bachs Statement und Einladung zugleich. Das Statement: Ich sehe vielleicht anders aus als ihr, aber ich verstecke mich nicht, ich traue mich sogar auf die ganz große Bühne. Die implizite Einladung, welche aus dieser bewundernswerten Haltung erwächst, geht so: Jeder soll sich über mich lustig machen können, ja genau – sollen sie doch!

Das Medium Fernsehen, in dem Dirk Bach zuhause war, ist flatterig wie eine riesige Voliere, es gibt kein Innehalten in dieser Welt, die ständig in Bewegung bleiben muss, um sich selbst ihrer Notwendigkeit zu versichern. Draußen stehen die Leute und starren hinein in diesen Käfig des vorgetäuschten Lebens. Der Tod, das ultimative Nicht-mehr-in-Bewegung-Sein, ist deshalb in Wahrheit nicht fernsehtauglich, auch wenn der Tod ständig darin vorkommt.

Immerhin, es wird Nachrufe dort geben, Ausschnitte aus dem öffentlichen Leben Dirk Bachs, mit dem er seine Zuschauer zum Lachen gebracht hat. Aber der Tod selbst bleibt eine große Leerstelle, nicht nur in der Glotze. „Die Dinge der Welt klingen nicht mehr. Es gibt keine Harmonien mehr, keine logischen Tonfolgen, in denen man sich zurechtfinden könnte. Das geschieht jeden Tag auf dieser Welt. In allen Ländern. Jeden Tag, immer wieder neu bricht die Welt in sich zusammen, ohne dass wir’s hören.“ Diese Sätze stammen aus dem bewegenden Buch „Gott braucht dich nicht“ von Esther Maria Magnis, das ich gerade lese. Es wühlt auf zum Innehalten. Einfach mal nichts sagen oder erst sehr viel später, wenn die Gedanken sich wieder gesammelt haben und Sprache oder Bilder die angemessene Form finden: wär das nicht was?

Daran habe ich gedacht, als ich in der Berichterstattung über den Tod von Dirk Bach auf die vielen Tweets hingewiesen wurde, mit denen offenbar auch Trauerfälle inzwischen abgefeiert werden wie Fußballergebnisse oder die Lottozahlen. Hauptsache, schnell mal was getwittert, bevor die anderen es tun. „So nah liegen Spaß und Tragik beieinander. Gerade noch über Fallschirmsprung gefreut – jetzt Nachricht über Tod von Dirk Bach. Furchtbar!“ So lautet etwa der Twitter-Beitrag von Frank Elstner; andere Kollegen aus dem Schaugewerbe kondolieren (wem eigentlich, der Branche, der Allgemeinheit, dem Verstorbenen selbst?) bei Facebook mit den folgenden Worten: „Soooo geschockt und traurig..... Dirk du warst so einzigartig!!! .... Mit einem riesengrossen Herz und so einem coolen Humor.“ Fehlt nur noch ein Smiley, aus Gründen der Pietät in diesem Fall mit umgekehrten Vorzeichen.

Auch in der Demokratie sollten Hofnarren zum Nachdenken anregen. Wer das nicht verstanden hat, hat nichts verstanden. Weder von Dirk Bach noch vom Tod.

Fotos: picture alliance

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