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Thomas de Maizière - Wenn Blut die Journalisten lockt

Thomas de Maizière ist angeschlagen, er verliert Blut. Aber noch ist der Jagdinstinkt der Journaille nicht geweckt

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

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Die Fährte wird deutlicher. Das Opfer verliert Blut, mehr Blut. Die Wunden sind jetzt klarer zu erkennen. Aber es gibt sich kräftig, lebenswillig. Das liegt nicht zuletzt an der Leitwölfin. Sie kann sich kein angeschlagenes Herdentier erlauben, nicht in dieser Situation, in der ihr die anderen auf den Fersen sind.

Angela Merkel ist noch lange nicht so weit, dass sie ihrem Verteidigungsminister Thomas de Maizière das so gefürchtete Vertrauen ausspricht. An ihrer vorsichtigen Formulierung erkennt man die Stoßrichtung:  Thomas de Maizière nähme sich lediglich die notwendige Zeit, um dem Bundestag „eine möglichst umfassende Übersicht über den Sachverhalt geben zu können“, sagte sie jüngst dem Spiegel.

Es geht immerhin um mehrere Hundertmillionen Euro, es mussten schon Minister für kleinere Vergehen ihren Hut nehmen. Gäbe es den „Straftatbestand der Veruntreuung von Steuergeldern“, de Maizière hätte sich sicher schuldig gemacht, kommentierte Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke vor einigen Tagen. Dass der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Carsten Schneider, nach der Linken jetzt auch den Rücktritt des Verteidigungsministers fordert, ist da nicht verwunderlich. De Maizière aber gibt sich selbstsicher und deutlich: Angeschlagen sei er, ja. Aber er hege keinen Gedanken an etwaige Rücktritte – zumindest nicht in Bezug auf seine Person.

Dabei ist die Nummer mit dem Rücktritt für de Maizière kein Schreckgespenst. Tatsächlich hatte der jetzt in Bedrängnis Geratene noch vor einem Jahr erklärt, dass man Folge zu leisten habe, „wenn die Bundeskanzlerin einen Minister um seinen Rücktritt bittet“. Damals ging es um den bockigen Norbert Röttgen, der sich noch ein paar Tage an sein Amt als Bundesumweltminister klammerte, bevor die Kanzlerin ihn gekonnt des Platzes verwies.

Noch hat die Jagd auf de Maizière nicht begonnen, noch knurren die Hunde lediglich an den Leinen. Jeder, der ein solches Amt innehat, wisse, dass es nur ein Amt auf Zeit ist. Das erziehe hoffentlich alle Beteiligten zu einer gewissen Demut, hat de Maizière einmal gesagt. [gallery:Kleine Bildergeschichte der Minister-Rücktritte aus 63 Jahren Bundesrepublik]

Es sind Sätze wie diese für die Medienvertreter den trocken-unaufgeregten Minister respektieren. Sie haben Skrupel, anzugreifen. Vielleicht sind sie auch müde. Es waren viele Treibjagden in den vergangenen Monaten. Guttenberg, Wulff, Brüderle, Schavan. Es ist nicht schön, ständig Blutgeschmack am Maul zu haben. Man ist es auch irgendwann leid.

Thomas de Maizière startet mit einem kräftigen blauen Auge in die neue Woche. Gleich am Montag wird er im Verteidigungsausschuss befragt. Die Opposition wird weiter versuchen, Merkels angeschlagenen Wolf vom Rudel zu isolieren und in die Enge zu treiben. Wenn er weiter Blut verliert, wird die Journalistenschar die Fährte aufnehmen. Sie kann nicht anders, es übernimmt der Instinkt. Dann geht sie los, die Jagd. Vielleicht aber kommt ihr Opfer noch einmal davon und kann seine Wunden umringt von seinen Herdenmitgliedern lecken. Die Meute zieht weiter.

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