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Tebartz-van Elst - Lasst den Kirchen ihr Geld

Der Limburger „Protz-Bischof“ Tebartz-van Elst ist so gut wie zur Strecke gebracht. Jetzt wird das Geld der Kirchen ins Visier genommen. Dabei besteht zur (Schaden-)Freude kein Anlass

Autoreninfo

Wolfgang Bok war Chefredakteur und Ressortleiter in Stuttgart und Heilbronn sowie Direktor bei der Berliner Agentur Scholz & Friends. Der promovierte Politologe lehrt an der Hochschule Heilbronn Strategische Kommunikation.

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Müssten Hohn und Spott tatsächlich in Kübel gefasst werden, die Eimer würden nicht ausreichen, um all die Boshaftigkeiten zu transportieren, die über den „Protz-Bischof“ von Limburg ausgeschüttet werden. Franz-Peter Tebartz-van Elst steht als Sinnbild klerikaler Prunksucht am Pranger. Verstoßen selbst vom Papst, der den Hessischen Oberhirten in die „Auszeit“ verbannt. Ob der eigentliche Anlass – die Kostensteigerung für den neuen Bischofssitz in Limburg – die vernichtenden Urteile rechtfertigt, wurde letztlich gar nicht mehr hinterfragt. Für die Öffentlichkeit sind die Neubauten auf dem Domberg pure Verschwendung. Öffentlich Sandalen predigen – und heimlich Blattgold kleben.

Ein Abendland ohne sakrale Bauten wäre ein armes Land
 

Dahinter steckt ein dreifacher Vorwurf: Dass die christlichen Kirchen in Deutschland, insbesondere die römisch-katholische, zu reich sind; dass sie mit fremder Leute Geld schludern; und dass der Staat zu großzügig ist mit Zuschüssen und Steuernachlässen. Nicht wenige wünschen sich eine arme Kirche, die allem höfischen Geblende entsagt und sich einzig zum Diener der Notleidenden macht. Für diese Fraktion verkörpert Papst Franziskus Aufbruch und Hoffnung. Und sei es nur darauf, dass die Katholische Kirche auf ihre 5,2 Milliarden und die Evangelische Kirche auf 4,6 Milliarden Euro an jährlicher Kirchensteuer verzichtet.

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Man stelle sich einmal vor, derlei Debatten seien vor 500 oder 1000 Jahren geführt worden: Wie arm wäre das Abendland ohne die sakralen Bauten? Die Besucher in Rom strömen in den Petersdom. Der Kölner Dom ist eines der meistbesuchten Kulturdenkmale. Viele Städte haben wenig mehr zu bieten als stattliche Kirchen, die zur Einkehr einladen und das Auge erfreuen. Wie kleinkariert wirkt da die Debatte um die Limburger Residenz, die weit mehr ist als eine überteuerte Bischofswohnung. Entstanden ist ein Diözesanes Zentrum, das ein ganzes Gebäude-Ensemble (Konferenz- und Büroräume, Begegnungsstätten, Kapelle) umfasst. Wer sich den Sinn für Architektur bewahrt hat, wird neidvoll anerkennen müssen: Diese 31 Millionen Euro sind gut angelegt. Michael Frielingshaus, der immerhin dem Bund Deutscher Architekten vorsteht, kann als Baumeister für sich in Anspruch nehmen, etwas geschaffen zu haben, „das noch in 100 Jahren voller Würde ist“.

Zum Vergleich: Für ein neues Affenhaus im Stuttgarter Zoo wurden eben mal 22 Millionen hingeblättert. Die „energetische Sanierung“ des Stuttgarter Staatsministeriums, in dem der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann residiert, der den Bischof zum Rücktritt aufgefordert hat, kostet 26 Millionen Euro. Und die Aufhübschung des schwäbischen Parlaments am Ende wohl das Doppelte. Von Flensburg bis Garmisch ließen sich noch viele Gebäude auflisten, die weniger ansehnlich sind und weit mehr öffentliche Gelder verschlungen haben. Man denke nur an Elbphilharmonie (800 statt ursprünglich 50 Millionen) oder den Berliner Großflughafen, der sich auf rund fünf Milliarden verteuert. Hat es deshalb je eine derart mediale Hatz gegeben wie gegen den Bischof von Limburg?

Vielleicht hätte der Kirchenmann mit dem sperrigen Namen und der Anmutung eines entrückten Klosterschülers, die selbst Kleriker zu unchristlichen Bemerkungen verleitet, den energetischen Aspekt in den Vordergrund rücken sollen: wie viele Tonnen CO2 nun eingespart werden und also durch die neuen Bauten „Gottes Schöpfung bewahrt wird“. Grüner Ablass liegt im Trend. Damit lässt sich jede Kostensteigerung rechtfertigen. Eine Flüchtlingsherberge unterm Solardach – damit wäre Tebartz-van Elst nicht als Verschwender, sondern als Held gepriesen worden.

Kirchengeld statt Eurorettung!
 

Ja, die Kirchen in Deutschland sind reich. Neben den Zuschüssen aus öffentlichen Kassen, die für 2009 auf rund 19 Milliarden Euro hochgerechnet werden, besitzen sie auch viele Immobilien. Doch ist das verwerflich? Politiker hätten die Werte längst verscherbelt, um hektisch Wahlgeschenke zu verteilen. Man denke nur an die Rücklagen der Rentenversicherung, die längst verscherbelt wurden. Die Kirchen aber haben ihr Vermögen, das auch historische Gründe hat, gut verwaltet. Ihre Einrichtungen sind kein Selbstzweck. Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Sozialstationen oder Seniorenheime unter christlicher Leitung sind begehrt. Die staatlichen Zuschüsse dafür sind gut angelegt. Dass hier die Gewerkschaft Verdi weniger zu sagen hat, muss nicht zum Schaden der Nutzer sein.

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Mehr Transparenz über „Gottes Finanzen“, wie sie nun allenthalben gefordert wird, kann den großen Kirchen sogar zum Vorteil gereichen. Etwa, wenn der Blick in die eigenen Kassen zur Einsicht führt, dass sie ihre Bischöfe und Angehörigen der Domkapitel auch auf die eigene Lohnliste nehmen können – und nicht mehr vom Staat bezahlen lassen müssen. Etwas mehr Distanz darf schon sein. Dies dient der inneren Reinigung. Doch diese Transparenz wünschte man sich dann von allen anderen Einrichtungen auch, die vom Steuerzahler alimentiert werden.

Wer dem Bischof die überteuerte Badewanne vorhält, sollte erst recht auf die Barrikaden gehen, wenn im oberschwäbischen Biberach ein Vielfaches für eine unsinnige Fledermausbrücke ausgegeben wird. Doch das sind Peanuts im Vergleich zu den Kosten, die uns die föderale Kleinstaaterei abverlangt. Oder eine unsinnige „Energiewende“. Ganz zu schweigen von den Abermilliarden für die Euro-Rettung. Merkwürdig jedoch: Über derlei Kostenexplosionen wird meist großzügig hinweggesehen. Weil sich damit kein konservativer Kathole ans Kreuz nageln lässt? Die Pharisäer sind unter uns.

 

 

 

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