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(picture alliance) Integrationssenatorin Dilek Kolat zeigt Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit etwas auf ihrem Smartphone-Display

Berliner Senatorin Dilek Kolat - Tante Trudes Ziehkind

Vom Problemkiez Neukölln an die Spitze der Senatsverwaltung: Die Berliner Integrationssenatorin, Dilek Kolat, kam mit drei Jahren aus der Türkei nach Deutschland. Nachbarn, darunter die deutsche „Tante Trude“, brachten ihr Deutsch bei. Ein Porträt

Da ist es wieder, dieses Lächeln, freundlich, charmant. Sie lächelt, wenn sie andere begrüßt. Oder wenn sie wie an diesem Vormittag im Berliner Veranstaltungszentrum Urania zum Grußwort auf die Bühne steigt. Später lächelt sie, als ihr jemand ein Geschenk überreicht, eine Tasche, sie deutet einen Knicks an. Wie das nette Mädchen von nebenan sieht die dunkelhaarige Frau da aus. Mit diesem Lächeln hat es Dilek Kolat sehr weit nach oben geschafft. Aber nicht nur damit.

Kein sozialdemokratisches Märchen vom sozialen Aufstieg könnte kühner sein als ihr Lebensweg: vom Migrantenkind, das kein Wort Deutsch spricht, zur ersten Berliner Senatorin mit türkischen Wurzeln, zuständig für Arbeit und Integration. Die SPD-Frau, 45 Jahre alt, verkörpert eine neue Migrantengeneration, die nach und nach Karriere in der Politik macht: strebsam, ehrgeizig, willensstark. Die niedersächsische CDU?Integrationsministerin Aygül Özkan war die Erste. Später folgte Bilkay Öney auf gleicher Position in Stuttgart. Die Hamburgerin Aydan Özo?uz ist SPD-Vize. Und jetzt Dilek Kolat.

Sie hat sich nach oben gearbeitet. Und sie hatte Glück. Kolats Eltern waren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen, als Dilek drei Jahre alt war. Nebenan in Berlin-Neukölln wohnten Nachbarn, die sie ihre „deutsche Oma“, Tante Trude und Onkel Schuppe nennt. Die drei schließen das Kind ins Herz. Sie lesen mit der kleinen Dilek in der Küche Grimms Märchen und andere Geschichten. Sie passen auf, dass sie ihre Hausaufgaben richtig macht. Und sie treiben ihr das Berliner „wa“ aus. Das Mädchen soll ordentlich Deutsch sprechen.

Dass ihre Grundschulzeit trotzdem schwierig verläuft, spornt Dilek eher an: „Ich war immer sehr fleißig und ehrgeizig“, sagt sie. „Ich habe irgendwann gemerkt: Hier stimmt was nicht, ich habe nicht die gleichen Chancen.“ Später landet sie nicht auf der Haupt-, sondern auf der Gesamtschule, der nächste Glücksfall. Hier schafft sie das Abitur und studiert danach Wirtschaftsmathematik. Den Fleiß hat sie von ihrer Mutter, einer Frau mit Kopftuch und „preußischen Tugenden“, wie Kolat es ausdrückt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Kolats Mann für sie aus seinem Job weichen musste

Aber die Sozialdemokratin besitzt auch die Ausdauer und den Willen, um nach oben zu kommen. Als Kreisvorsitzende in der Berliner SPD und als Landesparlamentarierin hat sie sich über Jahre ein Netzwerk aufgebaut, vor allem unter den sozialdemokratischen Frauen. Sie hat engen Kontakt zur Basis. Und sie beherrscht Machttechniken: sich zum Beispiel nicht festlegen zu lassen. „In manchen Situationen ist sie wie Pudding“, sagt jemand aus der Berliner Politik, der sie seit langem kennt. Und Kolat kann im Hintergrund bleiben, wenn sie es für nötig hält: „Sie spielt gerne über Bande, anstatt die direkte Auseinandersetzung zu suchen“, meint jemand aus dem Abgeordnetenhaus.

Dass Dilek Kolat nicht nur die freundlich lächelnde Frau ist, darauf deutet auch ein Zitat ihrer Parteifreundin Bilkay Öney hin. Die 41-Jährige wechselte einst aus der Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus zur SPD. Zwei ehrgeizige Frauen mit Migrationshintergrund und ähnlichem Alter – das muss zu Konkurrenz führen. Sie hätten hart gegeneinander gekämpft, heißt es über sie. Öney, da schon Ministerin im Südwesten, erzählt später in einem Interview mit der Welt, Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit habe sie mit dem Satz gewarnt: „Die Kolats wollen dich töten.“ Was sie damit meinte, blieb offen.

Wen Öney dagegen meinte, ist klar: Dilek Kolat und ihren Ehemann Kenan, der als Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) die wichtigste Migrantenorganisation leitet. Beim Integrationsgipfel vor einigen Wochen saßen beide Eheleute unter den rund 120 Teilnehmern – Familientreffen im Kanzleramt. Um Interessenkollisionen zu vermeiden, gab Ehemann Kenan seinen Job als Geschäftsführer des Berliner TGD-Landesverbands auf, weil dieser Geld vom Senat bekommt. Vereinzelt meldeten sich dennoch Stimmen, die auch seinen Rückzug von der Spitze des Bundesverbands verlangten. Dilek Kolat kann darüber nur den Kopf schütteln: „Wir sind beide eigenständige Personen und jeder hat seinen eigenen Kopf“, sagt sie. „Nur weil ich Senatorin bin, muss er jetzt nicht die Nation verlassen.“

Mit diesem Argument konnte Kolat schon Kritiker überzeugen. Die Türkische Gemeinde zu Berlin (TGB), ein TGD?Konkurrenzverein, hatte in einem Brief an Wowereit Bedenken gegen die Ernennung Kolats angemeldet. Nach einem ersten Treffen mit der neuen Senatorin aber ruderte der Verband zurück. „Sie hat uns im Gespräch überrascht“, sagt TGB?Chef Bekir Yilmaz.

Kolats Lächeln wird dabei geholfen haben.

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