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Streit um die #Ehefüralle - Wider die Natur?

Kolumne: Zwischen den Zeilen. Marlo ist Katholik und will heiraten. Doch er lebt in einer Welt, in der katholisch sein anders sein bedeutet. Ein Gedankenexperiment

Autoreninfo

Timo Stein lebt und schreibt in Berlin. Er war von 2011 bis 2016 Redakteur bei Cicero.

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Marlo* ist katholisch. Er kam so zur Welt. Sehr früh stellte er fest, dass er irgendwie anders war. Anders als die meisten seiner Mitschüler, anders als seine Geschwister, seine Eltern und Verwandten. Doch er schwieg. Wenn seine unchristlichen Freunde ihr unchristliches Leben lebten, interessierte er sich für Maria Magdalena und Eucharistie.

Vor zwei Jahren dann – Marlo war gerade 19 geworden, hatte sein Abitur in der Tasche und zog zum Studieren in die nächst größere Stadt – beendet er sein Schweigen. Er erzählte es Eltern und Freunden. Die brachen zwar nicht in Jubel aus, aber akzeptierten seine Konfession. „Es ist ja nicht so, dass wir nie etwas gemerkt hätten. Wir sind ja nicht völlig bescheuert“, erzählt Marlos Mutter heute. Wenn Marlos Geschwister sich gegenseitig vor dem Zubettgehen aus „Die Entstehung der Arten“ vorgelesen hätten, erzählt die Mutter, habe Marlo heimlich die Bibel unterm Bett hervorgeholt. Für Marlo sei es wie eine Befreiung gewesen. Solange unser Sohn glücklich ist, kann es uns doch egal sein, ob er lutherisch, aramäisch oder was auch immer sei, sagt Marlos Mutter. Marlo weiß aus Erzählungen anderer geouteter Katholiken, dass er sich glücklich schätzen kann – mit seinen Eltern, seinem Freundeskreis.

Wenn Marlo die aktuelle teils heftig geführte Diskussion um die Einführung einer Ehe für katholische Paare verfolgt, versteht er die Welt nicht mehr. Es gehe doch im Grunde darum, dass wir Katholiken für uns ein Recht einfordern, was Nichtkatholiken zugestanden wird, sagt Marlo. Sind wir vor dem Gesetz denn nicht alle gleich? Oder sind Konfessionslose gleicher? In der Schule hat er gelernt, dass die Ausgrenzung aufgrund eines naturbedingten Merkmals Diskriminierung sei.

Ministerin mit Inzestvergleich
 

Gerade hat eine die Ministerpräsidentin eines kleinen Bundeslandes vor der Öffnung der Ehe gewarnt, weil dann sich daran anschließende Forderungen nicht auszuschließen seien: „Etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen.“

Marlo machen solche Aussagen fassungslos. Noch dazu, weil sie von einer Landesmutter stammen, die bisher eine liberale Tonart innerhalb ihrer Partei verkörperte. Ein Blick in die Niederlande würde genügen, weiß Marlo, um solch herbeikonstruierte Bedenken zu entschärfen. Als erstes Land der Welt öffnete man dort die Ehe bereits im Jahre 2001. Marlo kann sich an keinen Zeitungsartikel erinnern, der über dortige Ausnahmezustände berichtete, darüber, wie etwa Verwandte massenhaft auf offener Straße übereinander hergefallen seien oder dass sich neuerdings indonesische Nacktfußwiesel mit Topfpflanzen vermählen.

Im Grunde seien es immer dieselben Argumente, sagt Marlo. Die Gegner der Eheöffnung bemühen in der Regel drei Varianten:

1. Die Minderheit. (Es könne doch nicht sein, dass eine Minderheit der Mehrheit die Regeln diktiere.)

2. Die Natur

3. Das Kindeswohl

Marlo sagt dann immer: 1. Dass Minderheiten um gleiche Rechte kämpfen, gehört zum Wesen von Demokratie. 2. Die Natur hat offensichtlich nichts gegen die Existenz von Katholiken, sonst würde es sie schlicht nicht geben. Im Übrigen finden wir in der Natur alle Varianten, die wir beim Menschen auch finden. 3. Die entscheidende Frage beim Kindeswohl ist nicht die nach der Konfession der Eltern, sondern die danach, ob Eltern ihre Kinder lieben und sie gewaltfrei großziehen.  

Besonders ärgert Marlo, dass solche Aussagen dann immer mit Meinungsfreiheit etikettiert würden. Hielte man dieser Meinung dann die Gegenmeinung vor, sei das Tugendterror einer Katholikenlobby. Die Meinungsfreiheit, beklagt Marlo, sei oftmals dort besonders gefährdet, wo sie besonders lautstark eingefordert würde.

Am Ende, ist sich Marlo sicher, wird, sollte die Politik die bestehende Diskriminierung von Katholiken nicht aufheben, eine andere Institution den Gesetzgeber geben. Mal wieder. Das Bundesverfassungsgericht. Spätestens dann werden auch Katholiken wie Marlo heiraten dürfen und vor dem Gesetz gleich sein. Und alle anderen werden sich daran gewöhnen müssen.

*Marlo gibt es gar nicht. Er ist eine Fantasiegestalt aus einer Fantasiewelt. Folglich kann er auch gar nicht katholisch sein. Parallelen zur aktuellen Debatte um die sogenannte Homoehe und Ähnlichkeiten mit handelnden Personen sind rein zufälliger Natur.

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