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Steuerhinterziehung - Bye bye, Wowi

Schwarzer, Linssen, Sommer – prominente Steuerhinterzieher fliegen gerade en bloc auf. Die SPD fordert neue Gesetze gegen internationale Steuerhinterziehung. Gute Idee, nur sollten die Sozialdemokraten in ihren eigenen Reihen beginnen. Ein Kommentar

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Andreas Theyssen ist einer der beiden Gründer der Website opinion-club.com, eines digitalen Debattierclubs, der auf Kommentare, Analysen und Glossen spezialisiert ist.

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Es fällt in diesen Tagen schwer, die Nachrichten nicht mit einer gewissen Häme zu verfolgen. Denn es läuft gerade wie beim Domino: Nahezu jeden Tag kippt ein prominenter Steuerhinterzieher um, mit Vorliebe Leute, die sich gerne mit der Aura der moralischen Instanz umgeben. Erst kam „Zeit“-Herausgeber Theo Sommer, der gerne die Welt erklärt und deshalb Winzigkeiten wie eine korrekte Steuererklärung aus dem Blick verlor. Dann Chef-Feministin Alice Schwarzer, die ein bisschen Geld in der Schweiz vergessen hatte. Als nächster Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz. Und nun ist auch noch CDU-Schatzmeister Helmut Linssen durch Offshore-Konten aufgefallen.

Politiker und moralische Instanzen als Steuerhinterzieher – welch herrliches Futter für Stammtisch-Debatten. Haben wir es denn nicht schon immer gewusst? Die sind doch alle gleich! Ausgerechnet die Schwarzer! Alles Verbrecher! So laufen die Diskussionen im Volk.

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Da darf natürlich eine volksnahe Partei wie die SPD nicht hintenan stehen. Deren Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann hat auch eine knackige Forderung, die an den Stammtischen bestimmt gut ankommt. „Ich erwarte, dass die Bundesregierung das Thema Steuerhinterziehung auf allen internationalen Ebenen aktiv voranbringt, wie im Koalitionsvertrag vereinbart“, sagte er Spiegel Online. „Es muss deutsche Staatsräson werden, dass die Unterstützung von deutschen Steuerhinterziehern überall unnachgiebig verfolgt wird.“

Wowereit wird untragbar
 

Das klingt gut, das klingt knackig, hat nur einen klitzekleinen Haken. Denn so eine Art Unterstützer hat die SPD in ihren eigenen Reihen, einen sehr prominenten sogar: Berlins Regierenden Bürgermeister und Ex-Partei-Vize Klaus Wowereit. Der wusste seit 2012, dass sein Kulturstaatssekretär Schmitz ein dickes Steuerproblem hat, hielt aber an ihm fest. Er hielt sogar noch an ihm fest, als der Fall publik wurde. Dass Schmitz nun doch sein Amt aufgab, lag alleine daran, dass die Führung der Berliner Landespartei den Mann für untragbar hielt. Und was macht Wowereit? Spielt auf Zeit und will sich erst am kommenden Montag äußern, und das auch nur im Kulturausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses.

Dass Wowereit Chuzpe hat, hat er oft bewiesen, zum Beispiel indem er nun bereits zum zweiten Mal den Aufsichtsratschef des Pannenairports BER gibt. Aber so offen gegen die – völlig korrekte - SPD-Parteilinie zu verstoßen, nach der Steuerhinterzieher unnachgiebig verfolgt werden sollen, das ist mehr als dreist. Das klingt nach Wasser predigen und Wein saufen. Vor allem aber zeigt es, dass Wowereit nach fast 13 Jahren im Amt jegliches politisches Fingerspitzengefühl abhanden gekommen ist. Damit ist er als Regierungschef untragbar geworden. Der Berliner SPD-Landesvorstand, der den Rücktritt des Kulturstaatssekretärs erzwungen hat, darf nun gerne eine Etage höher noch einmal ansetzen.

Ach ja: Dass ein Steuerhinterzieher sich ganz schlecht macht als Schatzmeister einer Partei, die einmal für ihre schwarzen Kassen berühmt war, das sollte auch CDU-Chefin Angela Merkel wissen. Und die Konsequenzen ziehen.

 

 

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