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Staatsaffäre Edathy - Der maximale Schaden ist schon da

Ein moralischer Verdacht der Staatsanwaltschaft und die Geschwätzigkeit von Politikern reichen, um einen Mann politisch hinzurichten. Der Fall Edathy zeigt, wie die Parteien der Großen Koalition in der Affäre versagen und wie billig sie versuchen, sich nun davonzustehlen

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Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Jetzt soll also auch bei der SPD ein Kopf rollen. Und damit sind die Parteien der Großen Koalition wieder beim Alten Testament angelangt. Auge um Auge. Weil am Freitag der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich vom Amt des Landwirtschaftsministers zurücktreten musste, soll nach dem Willen der Christsozialen auch der SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gehen. In der Affäre Edathy gehen die Parteien der Großen Koalition aufeinander los, das Vertrauen in der Regierung hat Schaden genommen. Es regiert das Prinzip Vergeltung.

Die Dimension der Staatsaffäre, das eklatante Versagen von SPD, CSU und CDU und die peinlich dilettantisch geführten Ermittlungen geraten damit vollends aus dem Blickfeld.

Im Kern der Staatsaffäre steht ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter, gegen den im engen juristischen Sinne weiterhin nicht einmal ein Anfangsverdacht besteht. Stattdessen reichte ein moralischer Verdacht, den die Staatsanwaltschaft mit den Worten, man befinde sich hier „im Grenzbereich zu dem, was die Justiz unter Kinderpornografie versteht“ umschreibt, für die politische und mediale Hinrichtung. Die Unschuldsvermutung und damit eine der Säulen des Rechtsstaates hat ausgedient.

Die Bilder, die sich Sebastian Edathy bei einem kanadischen Versandhandel bestellt hat, mögen eine Menge moralische Fragen aufwerfen. Zumindest nach Einschätzung des BKA stellt deren Besitz allerdings keine Straftat da. Es mag zwar sein, dass die Erfahrungen der Ermittler zeigen, dass viele Männer, die sich solche Bilder im Internet bestellen, auch zu härterem Material greifen. Trotzdem heißt kann nicht muss und im Fall Edathy ergibt sich mittlerweile allerdings das Problem, es lässt sich vermutlich nicht oder nicht mehr beweisen.

Es gibt stattdessen zwei Möglichkeiten:

Entweder die Unprofessionalität der Ermittler und die Geschwätzigkeit der Politiker haben es dem Betroffenen möglich gemacht, Beweise zu vernichten, Spuren zu verwischen, Festplatten verschwinden zu lassen. Dann stellt sich die Frage nach Geheimnisverrat und Strafvereitelung. Und es bliebe der fatale Eindruck, in der politischen Klasse gelten andere Regeln als für alle anderen Menschen im Lande.

Oder es gab nie Beweise für eine Straftat, es gab nie Spuren, nie eine zerstörte und weggeschaffte Festplatte. Dann wäre Sebastian Edathy das Opfer einer politischen Intrige und eines Justizskandals. Und es würde sich der Verdacht aufdrängen, der ehemalige Bundestagsabgeordnete sei nur deshalb in das Visier übereifriger Ermittler geraten, weil er Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses war und als solcher hartnäckig dazu beigetragen hat, ein historisches Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden aufzuklären.

Die Frage, die sich nun unweigerlich stellt, lautet: Was wäre für die politischen Kultur in diesem Lande schlimmer? Was würde den Rechtsstaat mehr beschädigen? Was würde das Vertrauen in die Politik tiefer erschüttern?

Die Antwort lautet: Es ist mittlerweile völlig egal. Der maximale Vertrauensschaden, die maximale Beschädigung des Rechtsstaates ist schon eingetreten, auch wenn sich in Berlin möglicherweise schon bald ein Untersuchungsausschuss damit beschäftigen wird und in Niedersachsen ein Gericht.

Die Frage dagegen, ob nach dem Prinzip „Auge um Auge“ nun nach dem Christsozialen auch ein Sozialdemokrat zurücktreten muss, zeigt, wie sehr die Parteien der Großen Koalition in der Affäre versagen und wie billig sie versuchen, sich nun davonzustehlen.

 

 

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