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(picture alliance) Erklärte jetzt seine Nebeneinkünfte: Peer Steinbrück

Nebeneinkünfte - Spitzenpolitiker verdienen Spitzengehälter

Die Debatte um Steinbrücks Nebeneinkünfte hat vor allem eines gezeigt: dass zwischen den Abgeordnetendiäten und den Bezügen in der freien Wirtschaft eine massive Lücke klafft. Die Politik trifft dabei aber keine Schuld

Wenn man sich Peer Steinbrücks Nebeneinkünfte so anschaut, könnte man zu der Auffassung gelangen, dass Reden nicht nur Silber, sondern sogar Gold sein kann. 1,25 Millionen Euro hat der SPD-Kanzlerkandidat zwischen 2009 und 2012 erhalten, wie er am Dienstag in einer Stellungnahme vor Pressvertretern einräumte. Die Einkünfte aus seinem Buch sind da noch nicht eingerechnet.

Mit Worten statt Taten Millionär werden: Viele Deutsche mögen das empörend finden. Dabei liegt der eigentliche Skandal nicht in den nun veröffentlichten Zahlen, sondern in der enormen Einkommensschere zwischen Politik und Wirtschaft.

Steinbrück wurde für 89 von 237 Vorträgen bezahlt. Das niedrigste Honorar lag bei 1.000 Euro, das höchste bei 25.000 Euro. Im Durchschnitt 15.000 Euro, sagte er selbst. Sagenhaft: In ein paar Stunden strich der Parlamentarier also mehr als das Dreifache seiner monatlichen Diäten ein.

Nicht einmal, wenn er tatsächlich Kanzler werden sollte, würde Steinbrück auf ähnliche Summen kommen – warum er angesichts seiner Verdienste das Amt also anstrebt, muss er erst einmal glaubhaft vermitteln.

Angela Merkel erhält derzeit 16.152 Euro im Monat. Bis zum nächsten Jahr steigen zwar sowohl die Abgeordnetendiäten als auch die Bezüge der Kabinettsmitglieder (letztere: plus 5,7 Prozent), doch wird auch diese Erhöhung nicht die drastische Lücke zur freien Wirtschaft überbrücken können. Jeder Kreissparkassendirektor, jeder Immobilienmanager verdient mehr als unsere Spitzenpolitiker. Oder erst die Finanzindustrie: Trotz Krise sind die Boni weiter gestiegen, die Top-Gehälter haben sich längst von denen in der Bevölkerung abgekoppelt – eine Branche, die jedes Maß verloren hat.

Warum sich also noch durch Ausschüsse quälen, warum Akten wälzen, wenn Reden, Gala-Auftritte oder lukrative Aufsichtsratsposten ein Vielfaches versprechen, wenn der Krisenversursacher mehr als der Krisenbewältiger erhält?

Er wolle sein Talent nicht verschwenden, sagte Ex-Wirtschaftsminister Michael Glos denn auch jüngst in der ZDF-Satireshow „Pelzig hält sich“. Der CSU-Politiker strich nach Schätzungen des Blogs Abgeordnetenwatch.de seit Beginn der Wahlperiode über 546.000 Euro neben seinem regulären Parlamentsjob ein. Damit belegte er als Spitzenverdiener den zweiten Platz hinter Steinbrück.

Was lernen wir aus diesen Sachverhalten? Im wesentlichen drei Dinge.

Erstens: Unsere Politiker sind – anders als Bevölkerung und Medien das gern suggerieren – nicht überbezahlt. Aus dem Blickwinkel der Wirtschaft betrachtet, sind die Bezüge sogar lächerlich.

Zweitens: Die vollständige und uneingeschränkte Offenlegung der Nebenverdienste ist überfällig. Das Stufenmodell der FDP ist da ungenügend. Der Fall Steinbrück zeigt, dass Öffentlichkeit ein hervorragendes Korrektiv sein kann. Wer zu viel einstreicht, gerät massiv unter Druck. Der SPD-Kanzlerkandidat wählte einen Ausweg: Er kündigte an, künftige Honorare für wohltätige Zwecke zu spenden. Und er legte die Erkenntnise seiner Wirtschaftsprüfer offen, wonach er zwei Vorträge nicht ordnungsgemäß dem Parlament gemeldet hatte. Mit seiner Ankündigung wolle er „ein Beispiel für andere Parteien geben“.

Doch es sei drittens Vorsicht geboten: Ein komplettes Verbot von Nebentätigkeiten, wie es manche Kritiker jetzt fordern, führt schnell in die Sackgasse. Nämlich in die Korruptions-Sackgasse. Wo großzügige Vergütung – wie sie im Fall Steinbrücks jetzt öffentlich wurde – nicht mehr möglich ist, wird der Weg zur Vorteilsnahme bereitet, zur heimlichen Kumpanei, Bestechung, Schmiererei. Der Fall Wulff hat gezeigt, dass der Fantasie da keine Grenzen gesetzt sind. Außerdem führt ein Verbot dann dazu, dass noch mehr Beamte oder Lehrer in den Bundestag drängen – weil diejenigen, die nach Ende der Legislaturperiode wieder in der freien Wirtschaft tätig werden wollen, keinen Anknüpfungspunkt mehr haben.

Lasst die Abgeordneten selbst entscheiden, ob und für wie viel sie nebenher verdienen. Wenn der Bürger den Eindruck hat, dass sein Parlamentarier seinen Wahlkreis sträflich vernachlässigt, wird er ihn nicht wiederwählen. Wenn die Partei feststellt, dass ihr Entsandter die politische Arbeit schleifen lässt, wird sie ihn nicht mehr auf die Liste setzen.

Deshalb: Wenn wir Politikern die Geschicke unseres Landes anvertrauen wollen, sollten es Spitzenkräfte sein. Hochqualifizierte. Und die müssen hoch bezahlt werden.

aktualisiert um 10:25 Uhr

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