Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

SPD - Das riskante Doppelspiel des Sigmar Gabriel

Die SPD steht mitten in den Vorbereitungen einer zweiten Großen Koalition. Doch genau jetzt öffnet Parteichef Gabriel die Partei für ein rot-rot-grünes Bündnis. Das ist mutig, aber auch ziemlich riskant. Am Ende könnte er alles verlieren

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

So erreichen Sie Christoph Schwennicke:

Man kann Sigmar Gabriel manches vorwerfen, Feigheit sicher nicht. In diesen Wochen nach der Bundestagswahl geht der SPD-Chef persönlich volles Risiko. Einerseits verhandelt er konstruktiv mit Angela Merkel und Horst Seehofer über eine zweite Große Koalition dieser Politikergeneration. Und just in einer fragilen Phase der Verhandlungen öffnet er die SPD für ein rot-rot-grünes Bündnis. Und Anfang Dezember werden alle Mitglieder seiner Partei die Gelegenheit haben, formal über die Große Koalition, aber informell auch über Gabriels Doppelstrategie abzustimmen.

Große Koalition machen und Rot-Rot-Grün möglich machen – das Kalkül von Gabriel geht so: Wir machen das jetzt mit der Merkel, aber da hinten, am Ende des Tunnels, ist Licht für die, die das nicht wollen. Sagt jetzt „Ja“ zum vorübergehenden Übel, dahinter wartet eine bessere Welt. Obendrein signalisiert er seiner Verhandlungspartnerin Merkel: Wir wollen das mit euch. Aber von jetzt an können wir auch anders.

Die reservierte Reaktion auf seine Rede auf dem Parteitag in Leipzig hat aber gezeigt: Das muss so nicht aufgehen. Denn ebenso gut kann sich jedes SPD-Mitglied über dem Abstimmungszettel gebeugt die Frage stellen: Ja, wie jetzt? Warum soll ich jetzt eine Koalition gutheißen, wo eine andere jetzt nicht mehr tabu ist und auch sofort eine Mehrheit im Bundestag hätte? Wir machen Schwarz-Rot just in dem Moment, in dem wir das Tabu über Rot-Rot-Grün aufheben? Wir machen uns zum Juniorpartner der CDU, wo wir den Kanzler in einer Koalition stellen könnten, die wir uns jetzt nicht mehr verbieten auf Bundesebene? Warum eigentlich?  

Das Doppelspiel kann für Gabriel böse enden

Diese Abstimmung seiner Partei Anfang Dezember hat Sigmar Gabriel noch nicht gewonnen. Nicht zuletzt das Nein der Bürger in und um München zu Olympia hat gezeigt: Die Basis ist in rebellischer Grundstimmung.

Der Widerwillen innerhalb der SPD gegen Schwarz-Rot war unmittelbar nach der Bundestagswahl groß. Und er ist nicht kleiner geworden. Sigmar Gabriel hat kein Junktim hergestellt zwischen einem Ja zur Großen Koalition und seiner Person als Parteivorsitzender. Er versucht damit einerseits, Druck aus der Sache zu nehmen und sich nicht als Basta-Vorsitzender im Geiste Gerhard Schröders zu gerieren. Zugleich will er sich damit die Chance erhalten, auch dann im Amt zu bleiben, wenn die SPD-Mitglieder mehrheitlich Nein zur Großen Koalition sagen.

Der politische Verstand sagt: Das kann nicht gehen. Im Doppelspiel des Sigmar Gabriel kann es eigentlich nur zwei Szenarien geben. Entweder er ist an Weihnachten Vizekanzler einer Großen Koalition und Kanzlerkandidat für die nächste Bundestagswahl – mit der Machtoption Rot-Rot-Grün. Oder die SPD braucht einen neuen Chef. Nach Lage der Dinge würde es wohl eine Chefin sein.

[gallery:20 Gründe, warum die SPD sexy ist]

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.