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(picture alliance) Kaum jemand scheint zu bedauern, dass der FDP das Wasser bis zum Halse steht

FDP - Selbstmord aus Angst vor dem Tod

Die FDP tut derzeit wenig für ihre Wähler. Dabei steht die Partei vor einem Schicksalsjahr. Und liberale Siegerthemen gibt es in einem Parteiensystem, das kollektiv nach links rückt, zur Genüge

Es ist in den letzten Wochen ziemlich still geworden um die FDP. Von Zeit zu Zeit meldet sich der liberale Pausenclown aus Kiel zu Wort, doch ansonsten scheinen bei den Liberalen vor allem Verunsicherung und Ratlosigkeit vorzuherrschen. Die Partei findet keinen Weg aus der Krise. Sie hat sich mit dem jämmerlichen Erscheinungsbild der schwarz-gelben Bundesregierung abgefunden und sich an ihre schlechten Umfragewerte gewöhnt. Nur vier Prozent der Deutschen würden derzeit FDP wählen, nicht einmal die Abschaffung der Praxisgebühr wird vom Wähler goutiert.

Alle Liberalen starren nun auf den 20. Januar. Es scheint in der Partei als ausgemacht zu gelten, dass Parteichef Philipp Rösler gestürzt wird, wenn die FDP bei der Landtagswahl in Niedersachsen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Immer wieder signalisiert die FDP so, sie habe nur ein Personalproblem. Dabei finden derzeit auch alle programmatischen und machtstrategischen Zukunftsdebatten im Lande ohne die FDP statt.

Irgendwie scheint der Mehrheit der Deutschen klar zu sein, diese schwarz-gelbe Bundesregierung gibt es in zwölf Monaten nicht mehr. Und irgendwie scheint dies kaum jemand zu bedauern. So beliebt die Kanzlerin ist, so unbeliebt ist ihre Regierung. Das Land stellt sich längst darauf ein, dass CDU und CSU nach der Bundestagswahl im September entweder in einer Großen Koalition mit der SPD regieren oder Rot-Grün dann die Macht übernimmt.

Die FDP hingegen kommt in allen machtstrategischen Gedankenspielen für das Wahljahr nicht vor. Zwar bekräftigte die Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag Anfang Dezember in Hannover ihre Bereitschaft, nach der Bundestagswahl 2013 weiter mit der FDP regieren zu wollen und verwies auf die „im Vergleich zu allen anderen Konstellationen“ immer noch „größten Gemeinsamkeiten“. Doch die Kanzlerin schloss eben andere Konstellationen auch nicht aus. Sie betonte gleichzeitig, „unser Koalitionspartner muss noch zulegen, damit wir es gemeinsam schaffen“. Ein glaubhaftes und kämpferisches Bekenntnis für Schwarz-Gelb würde anders klingen, der Verweis auf die Gemeinsamkeiten mit der FDP klang allenfalls wie eine Pflichtübung. Mehr Schlagzeilen machte sie mit einem Zitat aus einer Satiresendung: „Gott hat die FDP vielleicht nur erschaffen, um uns zu prüfen.“

Während CDU, CSU und FDP in der Regierung also miteinander fremdeln, hat sich die rot-grüne Opposition gefunden. Zwar verlief der Start des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück in den Wahlkampf alles andere als optimal. Die Debatten um seine Nebeneinkünfte halten an. Aber SPD und Grüne ziehen im Wahlkampf, soweit es geht, an einem Strang. Gemeinsam traten der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück und der grüne Spitzenkandidat Jürgen Trittin in der vergangenen Woche vor die Presse. Das Thema war zweitrangig, es ging um die Bankenregulierung. Viel wichtiger war die Botschaft, dass sich die beiden Herausforderer als harmonisches Team präsentieren. Einen vergleichbaren Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Vize Philipp Rösler wäre derzeit undenkbar.

Merkel ist eine Meisterin der subtilen Sticheleien gegen den Koalitionspartner und sie liebt versteckte Botschaften. Der schwächelnden FDP gibt sie so die Schuld am schlechten Erscheinungsbild der Regierung. Gleichzeitig bereitet sie die Wähler darauf vor, dass die Union nach der Bundestagswahl auch mit der SPD (oder vielleicht sogar mit den Grünen) regieren könnte. Selbst wenn die CDU mit einer Koalitionsaussage zugunsten der FDP in den Bundestagswahlkampf zieht, wüssten die Wähler, wie dies von Merkel gemeint wäre.

So steht die FDP vor einem Schicksalsjahr. Die Partei könnte 2013 nicht nur aus der Bundesregierung, sondern in Niedersachsen, Bayern und Hessen auch aus drei Landesregierungen abgewählt werden. Bei allen vier Wahlen des kommenden Jahres kämpft die FDP zudem gegen die Fünf-Prozent-Hürde. Wenn es für die Liberalen ganz schlecht läuft, dann gehören sie in zwölf Monaten zur außerparlamentarischen Opposition in Deutschland.

Lesen Sie auf Seite 2, warum die FDP die Koalition notfalls infrage stellen müsste

Dabei gäbe es in einem Parteiensystem, das nach links rückt, für die FDP durchaus Möglichkeiten, sich gegenüber den Wählern als bürgerlich-liberale Partei zu profilieren:

- Angesichts des planlosen Eifers zum Beispiel, mit dem sich CDU und CSU, SPD und Grüne in die Energiewende stürzen, wäre es vielleicht hilfreich, wenn es eine Partei gäbe, die darauf verweist, dass die Atomkraftwerke im Interesse der Wirtschaft und des Sozialstaates besser noch ein paar Jahre länger laufen sollte.

- Angesichts der Milliardensummen, die in der Eurozone aufgewendet werden müssen, um den Euro zu retten, könnte eine Partei nicht schaden, die dafür kämpft, dass die Regeln der Marktwirtschaft in Europa nicht gänzlich außer Kraft gesetzt werden.

- Angesichts eines Bundestagswahlkampfes, in dem sich die beiden großen Parteien in Sachen Gerechtigkeit gegenseitig zu überbieten versuchen, könnte die FDP durchaus erfolgreich darauf verweisen, dass soziale Wohltaten nicht nur verteilt, sondern auch verdient werden müssen.

- Und angesichts der Steuererhöhungssehnsüchte, die mittlerweile auch die Unionsparteien erreicht haben, könnte das Land eine Partei brauchen, die darauf pocht, den Staatshaushalt nicht allein mit Steuererhöhungen, die vor allem die Mittelschicht belasten, sondern allen voran mit Sparanstrengungen zu sanieren.

Natürlich hat die FDP nach drei Regierungsjahren, in denen sie von der Union ein ums andere Mal gedemütigt wurde und in denen vor allem Klientelinteressen bedient wurden, ein Glaubwürdigkeitsproblem. Aber ein Kurswechsel empfiehlt sich besser spät als nie.

Dazu bräuchte die Partei allerdings nicht nur Mut, sowie die Bereitschaft, die schwarz-gelbe Bundesregierung notfalls infrage zu stellen, sondern vor allem Führungsstärke. Und wenn die Liberalen zu der Einschätzung gekommen sind, dass dies mit dem derzeitigen Vorsitzenden nicht zu machen ist, dann stellt sich die Frage, warum sie mit ihm noch in den niedersächsischen Landtagswahlkampf ziehen.

Viel Zeit bleibt der FDP schließlich nicht mehr. Den politischen Sound für das Wahljahr 2013 werden in fünf Wochen die Wähler in Niedersachsen bestimmen. Gewinnt Rot-Grün in Hannover – und danach sieht es in allen Umfragen aus –, dann startet die Opposition mit starkem Rückenwind in das Bundestagswahljahr. Verliert die CDU als mit Abstand stärkste Partei die Macht trotz Leihstimmenkampagne gleichzeitig nur deshalb, weil die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert, und auch danach sieht es in allen Umfragen aus, dann könnte Merkel sich gezwungen sehen, noch weiter von der FDP abzurücken und nur noch auf die eigene Stärke zu vertrauen. Die CSU tut dies schon jetzt. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hätte nichts dagegen, wenn die FDP bei der Landtagswahl in Bayern an der Fünf-Prozent-Marke scheitert.

Doch die Liberalen erwecken derzeit nicht den Eindruck, als würden sie sich mit aller Kraft gegen den Niedergang stemmen. Sie kuschen weiter vor der Übermutter Merkel, präsentieren keine eigenen politischen Ideen mehr und führen stattdessen ziellose Personaldebatten. Zugleich lassen sie es zu, dass Wolfgang Kubicki mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück flirtet. Dabei würde die FDP mit einer Ampeldebatte auch noch ihre letzte politische Glaubwürdigkeit verspielen. Doch die Partei wehrt sich kaum noch. Fast scheint es, als seien die Liberalen zum politischen Selbstmord aus Angst vor dem Tod bereit.

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