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Ben Hughes

Seehofer - Was für ein Horst!

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer herzt Volk und Kanzlerin und könnte bald der eigentliche Machthaber Deutschlands sein. Einen „Märchenkönig“ nennt ihn der Cicero im Titel-Porträt seiner Novemberausgabe

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Dieses erste Foto nach den Wahlen in Bayern und im Bund – es sagt so viel. Da treffen sich Horst Seehofer und Angela Merkel im Sitzungssaal der Unionsfraktion, Seehofer schlingt seine langen Arme um die Kanzlerin und strahlt dabei, als könne er das Glück nicht fassen, seine Angela endlich wieder in den Armen zu halten. Die Kanzlerin, der Politik mit Körpereinsatz eher abhold, hat ihre linke Hand auf Seehofers Schulter und lächelt so entspannt wie ein Kaninchen im Würgegriff einer Boa Constrictor.

„Hug them close!“, rät eine angelsäch­sische Weisheit im Umgang mit Gegnern, die man nicht schlagen kann: Umarme sie fest! Das beherzigt Seehofer sein ganzes politisches Leben lang. Er umarmt sein Volk, indem er das umsetzt, was die Mehrheit aktuell will, unabhängig davon, was vorher seine Position gewesen sein mag.

Viele rühmen das als Volksnähe und sehen in ihm deshalb einen großen Politiker. Aber ein Politiker wird erst zum großen Politiker, wenn er eine für richtig und geboten erachtete Sache gegen Widerstände durchzusetzen vermag: durch Überzeugung und Willenskraft. Das war so bei Adenauers Westbindung, Brandts Ostpolitik, Schmidts Kampf für den Nato-Doppelbeschluss, Kohls Einsatz für Europa und den Euro, Schröders Agenda 2010.

Seehofer umarmt lieber. Volk und Kanzlerin. Und beglückt ganz Deutschland mit fragwürdigen Segnungen wie dem Betreuungsgeld, der Hotelsteuer und demnächst vielleicht der Automaut für Ausländer.

Der Kanzlerin schreibt er mehr oder weniger unverhohlen vor, mit wem sie eine Koalition zu machen habe. Wie er überhaupt die Dame beim eng umschlungenen Tanz immer mehr führt, so unterwürfig er sich auch gebärdet: Kein Fernsehporträt der Kanzlerin kam ohne den treuherzigen Augenaufschlag Seehofers aus: „Von mir stammt der Satz: Wer die Kanzlerin unterschätzt, hat schon verloren.“ Und wer vom CSU‑Chef gelobt wird ebenfalls, könnte man hinzufügen.

Was für ein Horst!, möchte man ausrufen, halb bewundernd, halb entgeistert. Cicero-Reporter Constantin Magnis beschreibt einen Mann, dessen Machtanspruch an den Grenzen Bayerns längst nicht mehr haltmacht (  ab Seite 20 ). Der Text wird illustriert mit Seehofers Kehrtwenden und ergänzt um ein Interview mit Markus Söder ( ab Seite 32 ), der mit Seehofers Machiavellismus seine Erfahrungen gemacht hat und auf die Thronfolge hofft.

In Bayern Regent, in Berlin Merkels Nebenkanzler. Lesen Sie im neuen Cicero das Porträt eines Politikers, der das Drama sucht. Die Novemberausgabe des Magazins ist ab Donnerstag (24.10.) am Kiosk und ab sofort in unserem Online-Shop erhältlich.

 

 

 

 

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