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Lobbyisten der Energiewende - Schwarze Magie für Partialinteressen

In der Energiewende geht es um große Politik und viel Geld. Ein ideales Pflaster für Lobbyisten, die zwischen Imagepolitur und Geldgier auch mal den guten Ton liegen lassen

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Christian Schägerl arbeitet als freier Journalist in Berlin.

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Nach Neujahr fand Harald Uphoff, Lobbyist beim Bundesverband Erneuerbare Energie, eine unscheinbare blaue Schachtel in der Post. Darin lag eine Voodoo-Puppe, kunstvoll aus Paketschnur gemacht und gespickt mit Nadeln. Auf Fähnchen standen Wörter wie „Mindestlohn“ und „Frauenquote“. Die Nadel „Energiesubventionen“ war wohl für ihn bestimmt. Sie steckte im Herzen.

Das Päckchen kam von einem anderen Lobbyisten der Hauptstadt, von Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Die INSM ist ein Kreis wirtschaftsliberaler Politaktivisten, der von der Metall- und Elektroindustrie finanziert wird. Pellengahr dirigiert von seinem Büro nahe dem Bahnhof Friedrichstraße aus eine Kampagne gegen Subventionen für Ökostrom. 2000 Voodoo-Puppen hat er im Januar verschickt. Den Paketen lag die Warnung bei, Kinder unter zwölf Jahren sollten die Puppe besser nicht sehen. Er schätzt den schrillen Auftritt. „Mit so einer Aggressivität wurden wir bisher noch nicht attackiert“, sagt Uphoff über Pellengahrs Paketaktion.

Uphoff und Pellengahr befinden sich in einer Schlacht um die Energiewende. Das Projekt, bis 2050 auf grüne Energiequellen umzusteigen, ist entscheidend für die Zukunft des Landes. Doch bisher versagte die Bundesregierung beim Management und öffnete den Lobbyisten Angriffsflächen. Sie führen einen Verteilungskampf. Während die klassische Energiepolitik nur wenige Nutznießer kennt, nämlich die Großkonzerne, schafft die Energiewende Millionen Begünstigte – solche, die an Ökostrom verdienen, und solche, die Ausnahmen und Sonderregeln bekommen. 

Natürlich ist niemand so dämlich, diese Fragen in den Vordergrund zu stellen. Geld? Gemeinwohl! Stephan Kohler, Chef der halbstaatlichen Deutschen Energie-Agentur, ärgert sich über „Lobbyisten mit Heiligenschein, die so tun, als wollten sie nur die Welt retten, aber in Wahrheit denken sie ans Geldverdienen“. 

So ist Uphoffs Inszenierung der Kampf für den Planeten – während Pellengahrs für nichts als die Freiheit streitet. 

Hubertus Pellengahr ist darin erfahren, Debatten zu beeinflussen. Er hat im Büro des FDP-Politikers Otto Solms gearbeitet, dann als Sprecher des Einzelhandels den Ladenschluss bekämpft. Heute macht er gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz mobil. „Ich bin erst zufrieden, wenn das EEG der Vergangenheit angehört und durch ein effizienteres und gerechteres System abgelöst wurde“, sagt er.

Lobbyisten operieren häufig diskret. Sie halten sich minutiös auf dem Laufenden, in welchem Stadium eine Entscheidung gerade ist, welche Richtung sie nimmt, auf welchen Schreibtisch sie demnächst kommt. In Vier-Augen-Gesprächen mit Politikern oder deren Mitarbeitern versuchen sie, an Details zu schrauben. Sie wollen aber auch Stimmungen beeinflussen. Pellengahr macht das eher lautstark. Ende 2012 plakatierte er im Regierungsviertel eine gehörnte Teufelsfratze mit zwei Steckdosenaugen. Text: „Schluss mit dem Strompreis-Horror.“ 

Seite 2: Kampf um Image und Rendite

Noch schreibt das Gesetz für jede Kilowattstunde Ökostrom feste Vergütungen vor. Doch die INSM will, dass der Staat den Stromversorgern stattdessen eine steigende Quote auferlegt, die mit Ökostrom erfüllt werden muss. Umweltverbände halten dies für Gift für die Erneuerbaren, weil jene Investitionssicherheit wegfällt, die das EEG bisher gibt.

Als Gesamtbudget im Jahr 2012 nennt Pellengahr einen Betrag von sieben Millionen Euro. Das reicht, wenn man Botschaften geschickt platziert: Die Teufelsplakate hingen nicht im ganzen Land, sondern an den wenigen Orten in Berlin, an denen Hauptstadtjournalisten und Politiker ein- und ausgehen. Das reicht für den möglichst unterbewussten Eindruck, dass sich die Stimmung überall in Deutschland irgendwie gegen das alte Gesetz dreht.

Peinlich achtet Pellengahr darauf, sich als Wächter der freien Marktwirtschaft zu inszenieren. Man sei absolut nicht gegen die Energiewende und stehe auch „nicht in der Atomecke“.

Auch Harald Uphoff vom Bundesverband Erneuerbare Energie pflegt sein Image. Ein stiller Typ, der früher auf Amrum Vögel gezählt hat und mit der Regionalbahn nach Hause fährt. Aber er zählt zu den langjährigen Lobbyisten in Berlin. Möglichst täglich sucht er den Kontakt zu Politikern, Journalisten und zu anderen Verbandsfunktionären, um die Förderung des Ökostroms zu verteidigen.

In den Gründerjahren der Solarbranche traten deren Protagonisten mitunter breitbeinig auf. Frank Asbeck, Chef des Fotovoltaikunternehmens Solarworld, schmiss eine Wahlkampfparty für Guido Westerwelle, pflegte den Kontakt zu solarfreudigen Sozialdemokraten und bot einem früheren Bundesumweltminister ungefragt an, sich um die CSU zu kümmern, wenn es Probleme gebe. Mit seinem Privatjet klapperte Asbeck alle ab, deren Fürsprache nötig war, um mit hohen Vergütungen die Bürger zum Kauf seiner Solarzellen zu animieren.

Inzwischen sind die Solarsubventionen gekürzt worden und manche Ökostrom-Vertreter zeigen sich reumütig. Verglichen mit dem Solarworld-Chef wirkt Uphoff geradezu schüchtern. Er spricht leise, bleibt immer bei der Sache. Sein Verband steht unter Druck: Die Mitglieder haben in erneuerbare Energien investiert und wollen ihre Rendite.

Dabei ist die Energiewende ein gesamtgesellschaftliches Projekt, das nur gelingen kann, wenn Spezialinteressen hintanstehen. Darauf angesprochen, führt Uphoff Beispiele an, wo die Politik trotz Warnungen von Ökostrom-Verbänden zu stark gefördert habe, etwa beim Biogas. „Der Fachverband hat damals vor einer absehbaren Fehlsteuerung gewarnt. Nur wollte das im Vorfeld kein Politiker hören“, sagt Uphoff. Zu sehr lockte offenbar die Aussicht, sich Freunde unter Landwirten machen zu können. Auch denen ging es ums Geld.

Ein Beamter der Bundesregierung, der seit Jahren die Energiepolitik betreut und ungenannt bleiben will, macht eine erschreckende Rechnung auf: „Die Energiewende wäre nur halb so teuer, wenn die Lobbyinteressen der energieintensiven Unternehmen und der Ökobranchen nicht so stark bedient würden.“ 50 Prozent der Ausgaben gehen nach seiner Schätzung in die Substanz der Energiewende. 50 Prozent aber in die „politische Landschaftspflege“. 

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