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Schadensbilanz - Wie schlimm war das Hochwasser wirklich?

Das Wasser geht. Zurück bleiben Zerstörung und Milliardenkosten. Dabei hätte vieles verhindert werden können. Wie schlimm war die Flut? Eine Bilanz

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Gennies, Sidney

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Seit 500 Jahren waren die Pegel von der Donau bis zur Elbe nicht mehr so hoch wie bei der Flut 2013. Die Schäden sind immens. Auch weil Warnungen vor den Naturgewalten in den vergangenen Jahren immer wieder ignoriert wurden. Dabei gibt es längst Konzepte, die Schäden bei Hochwasser gering zu halten. Wie viel wird Deutschland die Flut insgesamt kosten? Noch sind die betroffenen Bundesländer dabei, ihre Schadensbilanzen aufzustellen. (siehe hier).

Die Ratingagentur Fitch hat allerdings bereits eine Schätzung vorgenommen.

Demnach ist Deutschland durch das Hochwasser ein volkswirtschaftlicher Schaden von rund zwölf Milliarden Euro entstanden. Dazu kommen Versicherungsschäden von etwa drei Milliarden Euro. Kosten für die Wiederherstellung von Straßen, Schienen und anderer Infrastruktur seien noch nicht einmal mit eingerechnet, sagte ein Unternehmenssprecher. Die größten Kosten seien durch die Beschädigung von Gebäuden, Hausrat, Kraftfahrzeugen sowie durch Betriebsunterbrechungen entstanden. Die Versicherungsbranche mache im laufenden Jahr insgesamt aber immer noch Gewinn.

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Welche Dimensionen hatte die Flut 2013 im Vergleich zu anderen wirklich?

Nach Erkenntnissen der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) in Koblenz und des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach war die jüngste Flut an Elbe und Donau tatsächlich ein Jahrhundertphänomen. Demnach wurden etwa an der Elbe auf einer 250 Kilometer langen Strecke zwischen Coswig in Sachsen-Anhalt und Lenzen in Brandenburg die höchsten jemals gemessenen Wasserstände registriert. Eine aus Tschechien kommende Flutwelle sei auf Hochwasser der Flüsse Mulde und Saale getroffen. Der entstandene Scheitel an der Elbe habe von der Länge und der Höhe her „bisher nicht bekannte Ausmaße“ erreicht, heißt es. Auch an der Saale seien bisherige Hochwasserspitzen in weiten Teilen überschritten worden. Ähnlich rekordträchtig war das Hochwasser nach Angaben der BfG-Experten an der Donau. In der Dreiflüssestadt Passau etwa habe der Scheitelstand alle Höchstmarken seit gut 500 Jahren übertroffen.

„Als historische Referenz kann dabei gelten, dass der Rekordwasserstand vom 15. August 1501 allerdings noch höher ausfiel“, heißt es in dem Bericht. Damals lag der Wasserstand bei 13,20 Metern, am 3. Juni 2013 waren es 12,89 Meter. Dagegen warnt Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, vor der Verwendung des Begriffs „Jahrhunderthochwasser“. Er suggeriere, dass nun für 100 Jahre Ruhe sei. Nach einer umfassenden, von dem Verband mit führenden Klimaforschern durchgeführten Studie müsse bis zum Ende dieses Jahrhunderts mit einer Verdopplung oder – je nach Entwicklung des Klimawandels durch den CO2-Ausstoß – sogar mit einer Verdreifachung der Schäden an Rhein, Elbe, Weser, Ems und Donau gerechnet werden.

 

So reibungslos wie in den vergangenen rund vier Wochen hat die Katastrophenhilfe bei der Flut 2002 nicht funktioniert. Das Krisenreaktionszentrum beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und die Krisenplattform Denis haben es sehr erleichtert, die Helfer vom Roten Kreuz, dem Technischen Hilfswerk, den Feuerwehren und der Bundeswehr dahin zu schicken, wo sie auch gebraucht wurden. Es war aber auch ein wenig Glück dabei, dass in den meisten betroffenen Regionen auch die Menschen besser auf die Katastrophe vorbereitet waren. Die Vorwarnzeiten waren deutlich länger als 2002, als oft weniger als eine Stunde blieb, um die Menschen in Sicherheit zu bringen. Dieses Mal hatten sie zum Teil sogar mehrere Tage, um Wertgegenstände wegzubringen oder zumindest in höhere Stockwerke zu schaffen. Beim Wiederaufbau nach der Flut 2002 sind viele Heizsysteme aus dem Keller auf den Dachboden verlagert worden, so dass zumindest teilweise weniger Öl im Überflutungswasser enthalten ist als vor elf Jahren.

Für die Bewohner im bayrischen Deggendorf und im sachsen-anhaltischen Fischbeck sieht die Lage anders aus. Dort sind Deiche gebrochen. Die Schäden werden dort viel größer sein als 2002. Die hohen Investitionen in sächsische Deiche nach der Katastrophe 2002 hätten aber auch dazu geführt, dass Sachsen-Anhalt dieses Mal stärker betroffen sei, stellte der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer, Wolfgang März, am Mittwoch vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags fest. Dabei ist die Erkenntnis, dass mehr Eindeichungen am Oberlauf der Flüsse die Probleme am Unterlauf „nur vergrößern“, nicht neu.

Natürlich fordern nun auch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und für ein paar Wochen auch die gesamte Politik mehr Überflutungsflächen und Renaturierungen entlang der Flüsse. Das BfN hat 2012 einen Auenzustandsbericht vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass rund 90 Prozent der natürlichen Überflutungsflächen in den vergangenen 200 Jahren industrieller Entwicklung verloren gegangen sind. Auf einer Karte, die diese Verluste abbildet, zeigt sich, dass die aktuellen Überflutungen entlang des Donau- und des Elbe-Flusssystems in etwa den früheren Auengebieten entsprechen. Doch trotz der zweiten Jahrhundertkatastrophe innerhalb von gut zehn Jahren dürfte die Neigung, landwirtschaftliche Nutzungen entlang der Flüsse einzuschränken oder gar bebautes Gebiet aufzugeben, kaum vorhanden sein.

Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft forderte dennoch, überschwemmungsgefährdete Regionen nicht als Bauland auszuweisen. Es müssten ausreichend Flächen zur Versickerung und zum Auffangen von Regenwasser zur Verfügung gestellt werden. Der Verband fordert auch von den Privathaushalten mehr Schutzmaßnahmen, etwa durch Rückstauventile, Rückstauklappen oder Hebeanlagen.

Wie werden die staatlichen Hilfen für die Betroffenen finanziert?

Kurz gesagt: über Schulden. Bund und Länder haben einen „Solidaritätsfonds Aufbauhilfe“ eingerichtet, in den zunächst einmal acht Milliarden Euro fließen sollen. Es werden ausschließlich Bundesmittel sein, wofür eine Anleihe gegeben wird – angesichts der derzeit niedrigen Zinsen wurde diese Lösung der ebenfalls debattierten Erhöhung des Solidaritätszuschlags bei der Einkommensteuer vorgezogen. Die Länder beteiligen sich an den Zinsen und der Tilgung des Fonds. Bis 2019 geschieht dies durch einen Verzicht auf Umsatzsteuereinnahmen in Höhe von jährlich 202 Millionen Euro, von 2020 bis 2033 dann durch direkte Zahlungen. Die Ministerpräsidenten wollen so die Wirkung auf ihre Landesetats möglichst gering halten.

Zahlen werden alle Länder, auch jene, die vom Hochwasser nicht betroffen sind. Den Belastungen durch die Hilfen stehen mittelfristig aber auch höhere Einnahmen gegenüber, weil in den Flutgebieten durch den Wiederaufbau ein Auftragsplus in der Baubranche und der Investitionsgüterindustrie zu erwarten ist. (mit dpa)

 

 

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