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Rot-Rot-Grün - „Die SPD verspielt eine historische Chance“

Der Ex-Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, Wolfgang Methling, fordert die SPD zu Gesprächen mit der Linkspartei auf. Die unterschiedlichen Ansichten zur Sicherheitspolitik seien nicht die „allergrößte Hürde“

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Merle Schmalenbach

So erreichen Sie Merle Schmalenbach:

Herr Methling, die Linke hat in diesen Bundestagswahlen 3,3 Prozentpunkte verloren. Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf in ihrer Partei?

Angesichts der Vorgeschichte, die wir in den Jahren 2011 und 2012 erlebt haben, sind 8,6 Prozent ein gutes Ergebnis. Aber unser Wählerpotenzial haben wir tatsächlich noch nicht ausgeschöpft. Ich würde mir wünschen, dass die Linke noch stärker ihr ökologisches Profil in die Öffentlichkeit trägt. Der Nachhaltigkeitsansatz ist durchaus bei uns verankert, aber wir werden damit bislang kaum wahrgenommen.

Die AfD hat der Linken bei diesen Wahlen 360.000 Stimmen weggenommen. Und AfD-Chef Bernd Lucke wies neulich auf die Gemeinsamkeiten beider Parteien hin. Wie geht die Linke mit dieser neuen Konkurrenz um?

Es gibt zwar einige Übereinstimmungen, was die europäische Politik betrifft. Ich sage aber ganz deutlich, dass wir keine anti-europäische Partei sind. Außerdem unterstützen wir keinesfalls nationalistische Tendenzen, die es bei der AfD ja gibt. Diese Unterschiede wird man auch im Europawahlkampf sehen.

Im Bundestag gibt es – zumindest theoretisch – eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün. Trotzdem wird Angela Merkel voraussichtlich weiter regieren.

Ich kann die SPD nicht verstehen. Für mich ist das eine verspielte historische Chance. Wir sollten miteinander reden und sehen, welche politischen Schnittmengen es gibt. Aber der SPD fallen immer neue Argumente ein, um die Linke als politischen Konkurrenten oder Partner loszuwerden. Früher hat sie sich vor allem an der SED-Geschichte und Oskar Lafontaine gestört. Ich bin gespannt, welche Personen diesmal im Wege stehen.

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In welchen Punkten könnte die Linke denn Kompromissbereitschaft zeigen?

Mich interessiert eher, wie es bei der SPD mit der Kompromissbereitschaft aussieht. Es kann nicht sein, dass nur wir uns hübsch machen sollen. Ähnliche Positionen gibt es genug, etwa im Bereich des Mindestlohns, in der Bildungspolitik oder in der Steuerpolitik. Ich war acht Jahre Minister in einer SPD-PDS-Landesregierung – und wir haben damals durchaus ausreichend gemeinsame Schnittmengen gefunden. Man muss sich nur bemühen, danach zu suchen. Nehmen wir mal die SPD und die FDP: Zwischen beiden Parteien liegen Welten – und trotzdem gab es sozialliberale Koalitionen.

Wenn die SPD sich bewegt, ist auch die Linke zu Kompromissen bereit?

Grundsätzlich ja, aber ich kann das im Augenblick wirklich nicht erkennen. Es wird alles nach der Devise abgetan: „Mit denen brauchen wir sowieso nicht zu reden, weil es außenpolitisch zu große Differenzen gibt.“ Man sollte stattdessen mal schauen, wo man möglicherweise aufeinander zugehen könnte. Nach dem Motto: „Wir haben zumindest ein Stück des Weges gemeinsam vor uns, und wir wollen die konservative Dominanz brechen.“ Dann sind wir noch lange nicht auf einem sozialistischen Wege, sondern tragen dazu bei, dass die Marktwirtschaft einen sozialeren Charakter erhält. Der Kapitalismus kann in Deutschland ja auch anders aussehen.

Außenpolitisch sind die SPD und die Linke allerdings sehr weit voneinander entfernt.

Ich glaube schon, dass es Möglichkeiten gibt, außenpolitisch aufeinander zuzugehen. Aber dann muss die SPD ebenfalls in der Geberrolle sein und den Linken entgegenkommen. Sie muss erkennen, dass der Einsatz der Bundeswehr im Ausland nichts – aber auch gar nichts – zum Frieden beigetragen hat. Und auch die Rolle, die Deutschland im Rüstungsexport spielt, müsste jeden Sozialdemokraten stören. Aktuell wird ja auch klar, dass deutsche Firmen Ausgangsprodukte für Chemiewaffen in Syrien geliefert haben. Das kann doch wohl nicht der Wille der SPD sein.

Die Linke hält an einem NATO-Austritt fest. Wie groß ist da die Chance auf einen Kompromiss?

Wir halten von der NATO nichts und fordern ihre Auflösung. Die SPD müsste eine Bereitschaft dazu erkennen lassen, die NATO durch ein anderes, gesamteuropäisches Sicherheitssystem zu ersetzen, das auch Russland und andere Staaten miteinbezieht.

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Halten Sie das wirklich für realistisch?

Das hängt von der SPD ab. Ich glaube nicht, dass die Sicherheitspolitik die allergrößte Hürde ist, wenn beide Seiten sich darüber im Klaren sind, dass die weltweite Sicherheit nicht mit der NATO zu gewährleisten ist. Und natürlich sind wir uns darüber im Klaren, dass ein NATO-Austritt nicht von heute auf morgen vollzogen werden kann.

In der SPD heißt es oft, die Ost-Linke sei koalitionsfähig, aber nicht die West-Linke.

Das höre ich ja mit großem Vergnügen. Im Osten hätte man zuletzt dreimal die Möglichkeit gehabt, mit den Linke zu koalieren – hat es aber nicht getan. Es ist wirklich der Gipfel der Unehrlichkeit zu sagen: „Mit denen im Osten können wir, aber mit denen aus dem Westen nicht.“ Man sollte sich wirklich von solchen Feindbildern verabschieden und lieber konkret abklopfen, welche inhaltlichen Übereinstimmungen es gibt. Und dann wird man sehen, ob es eine verlässliche Zusammenarbeit geben kann oder nicht.

Wie lange wird es noch dauern, bis beide Seiten sich auf Bundesebene annähern?

Das ist möglicherweise eine Generationenfrage. Gregor Gysi und Bernd Riexinger gehen davon aus, dass die SPD sich 2017 gegenüber der Linken anders verhalten wird. Ich bin da nicht so optimistisch, das muss ich Ihnen ehrlich sagen. Die SPD sitzt auf ihrem hohen Ross und merkt gar nicht, dass dieses Ross lahm geworden ist. Aber der Druck auf die SPD wird zunehmen, das glaube ich schon. Inhaltlich gibt es jedenfalls genug Punkte, über die man sprechen könnte.

Herr Methling, vielen Dank für das Gespräch.

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