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Rechtspopulismus - AfD-Fraktionen führen zur ewigen GroKo

Der organisierte Rechtspopulismus macht das demokratiefeindliche Potenzial der Bürger hoffähig. Doch eine Vertretung der AfD in den Parlamenten würde den Korridor progressiver Politik eher verengen, kommentiert der Parteienforscher Joachim Raschke

Autoreninfo

Prof. Dr. Joachim Raschke (Hamburg) gehört zu den führenden Parteienforschern in Deutschland und hat zusammen mit Prof. Dr. Ralf Tils unter anderem das Standardwerk zu Fragen der „Politischen Strategie“ geschrieben.

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Angela Merkel hat angesichts der Massenflucht vor dem syrischen Bürgerkrieg mutig, solidarisch und unkonventionell gehandelt. Sie hat sich von den eigenen Überzeugungen hinreißen lassen. Das war für sie wahrscheinlich ebenso überraschend wie für die Öffentlichkeit. Dennoch hatte die Kanzlerin nicht alles auf dem Radar, was für ein komplexes Regieren notwendig ist: da sind die begrenzten Mittel in Deutschland, das minimale Engagement der Europäer, das Fehlen erfolgversprechender Steuerungsinstrumente, die Frage, wie die EU-Außengrenzen kontrolliert werden sollen.

Aber Merkel hat mit ihrer jahrelangen Mitte-Strategie ein Vertrauenskapital aufgebaut. Das half ihr dabei, ihre Wählerschaft trotz der offenen Flüchtlingspolitik eine Weile bei der Stange zu halten. Mittlerweile hat auch hier Abwanderung eingesetzt. Die SPD, die in dieser Frage ebenfalls gespalten ist, konnte sich eine Weile in Merkels Windschatten verstecken, bevor auch hier die Gegensätze sichtbar wurden.

Die Mobilisierung


Von den schwarz-roten Defiziten konnten die rechten Kräfte in Deutschland profitieren. Das war nicht Ursache, aber gefundenes Fressen für den Protest. Seit langem wird ein Potenzial rechtspopulistischer bis rechtsradikaler Orientierungen in der Größenordnung von 15 Prozent gemessen. Bislang war dieses Potenzial latent. Die AfD konnte es lange Zeit nicht mobilisieren, denn sie war nach ihrer Spaltung im Niedergang. Auch Pegida war auf Abstiegskurs und hatte sich zusätzlich gespalten. Die NPD hauste in Dunkeldeutschland.

Der organisierte Rechtspopulismus macht das rechte, demokratiefeindliche Potenzial der Wählerschaft nun hoffähig. Dabei hat sich die AfD bewusst in die Grau- und Dunkelzone einer sich radikalisierenden Bewegung begeben. Und damit auch in die Zone von Neonazis. Bürgerängste werden mit dumpfen Ressentiments, rassistischen Reflexe und einer Wiederbelebung von NS-Parolen gezielt bedient.

Die Annahme, dass eine Vertretung der AfD in Parlamenten das politische Spektrum erweitern würde, ist aber eine Illusion. AfD-Fraktionen würden künftige Koalitionen auf Schwarz-Rot reduzieren. Sie würden damit den Korridor progressiver Politik weiter verengen. Eine klare Grenzziehung könnte gerade angrenzenden Parteien, die auf Stimmenjagd sind, schwer fallen. Anleihen, Nachahmungen, Aufwertungen aller Art könnten mit einem solchen Rechtsopportunismus verbunden sein.

Solidarität der Demokraten


Umso dringlicher ist es, Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus aktiv und offensiv zu bekämpfen. Ob das gelingt, hängt von vielen Faktoren ab. Die Solidarität mit den Flüchtlingen muss dabei von der Solidarität der Demokraten begleitet werden. Nur so kann der Rechten das Thema wieder entwunden werden. Übrigens ist gutes Regieren dabei oft mindestens so wichtig wie der Appell an gute Werte.

Noch ist kein Hauch von Weimar zu sehen. Wir haben gelernt: Dies ist eine Demokratie mit Demokraten.

Zum  Thema Rechtspopulismus im Schatten der Flüchtlingskrise - Analysen & Gegenstrategien“ veranstaltet die Friedrich-Ebert-Stiftung am 9. November eine Informationsveranstaltung. 14 Uhr in der Showbühne Mainz.

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