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(picture alliance) Minister Ramsauer ärgert sich über Radfahrer - auch sie müssten sich an Regeln halten

Verkehrssicherheit - Ramsauer und die Kampfradler

Radfahren ist gesund und entlastet den Stadtverkehr, die Bundesregierung möchte es fördern - gleichzeitig kürzt Verkehrsminister Ramsauer das Geld für Wege. Und er fordert höhere Strafen für Rowdys auf dem Rad. Was ist von seinen Plänen zu halten? 

Der Bundesverkehrsminister will den Radverkehr fördern – kürzt aber das Geld für die Wege. Und zugunsten der Verkehrssicherheit will er härtere Strafen - auch gegen Rowdys auf dem Rad. Was ist von Ramsauers Plänen zu erwarten?

Es ist mehr als eine Modeerscheinung trendiger Großstadtbewohner oder Herzensbedürfnis von Öko-Freaks: Immer mehr Menschen steigen aufs Rad. Gerade in vielen Innenstädten ist es eine unabweisbare Tatsache: Wer mit dem Rad fährt, kommt schneller an. Was die Umwelt entlastet, den Staus entgegenwirkt und nebenher noch gesund ist, dem kann sich die Bundesregierung nicht verschließen. Und so versucht sie mit dem von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) vorgelegten Radverkehrsplan 2020, dem muskelbetriebenen Gefährt eine noch größere Chance zu geben.

Wo steht Deutschland in Sachen Fahrrad?

Derzeit gibt es in Deutschland rund 70 Millionen Fahrräder. In mehr als 80 Prozent aller Haushalte steht mindestens ein Fahrrad. Und es wird immer mehr Geld für gute Räder ausgegeben. Beim Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen liegt die Bundesrepublik im Vergleich von 25 europäischen Staaten an sechster Stelle, weit hinter den Niederlanden und Dänemark, aber vor Finnland, Österreich und den osteuropäischen Staaten. Kein anderes Verkehrsmittel hierzulande hat einen vergleichbar deutlichen Zuwachs in Bezug auf den Anteil an allen zurückgelegten Wegen aufzuweisen. In Städten wie München, Frankfurt am Main oder Rostock hat sich der Radverkehrsanteil mehr als verdoppelt.
Im Vergleich zu Städten wie Kopenhagen bewegen sich deutsche Großstädter freilich noch im verkehrlichen Mittelalter. In der dänischen Metropole können Pendler auf kilometerlangen eigenen Radstraßen einschließlich grüner Welle aus dem Umland ins Zentrum pendeln. Das tun dort mittlerweile mehr als 50 Prozent aller Pendler.

Was will der Radverkehrsplan?

Bezogen auf alle Verkehrsmittel liegen mehr als drei Viertel aller Verkehrswege im Bereich von unter zehn Kilometern Entfernung. Das verdeutlicht das Potenzial fürs Fahrrad vor allem in Städten. Aber Ramsauer will mehr – auch in der Fläche soll das Fahrrad künftig eine größere Rolle spielen. Von zehn (2008) auf 15 Prozent (2020) soll der Anteil des Fahrrads an den im Verkehr insgesamt zurückgelegten Wegen steigen.

Allein der Bund hat seit 2002 rund 877 Millionen Euro in den Bau und die Erhaltung von Radwegen an Bundesstraßen investiert. Mittlerweile gibt es davon 19 000 Kilometer. Hinzu kommen 25 000 Kilometer Radwege an Landesstraßen und 16 000 Kilometer an Kreisstraßen. Ramsauers Radverkehrsplan fordert nun auch ausdrücklich „Radschnellwege“, weil dadurch das Rad auch für größere Entfernungen nutzbar sei. Allerdings hatte der Bund die Mittel für Radwege zuletzt gekürzt, was die Grünen zu der Feststellung veranlasst, bei Ramsauer gebe es eine große Lücke zwischen seinen Worten und der Umsetzung.

Seite 2: Die Sicherheit der Radfahrer

Wie steht es um die Sicherheit der Radfahrer?

Die Zahl getöteter und schwer verletzter Radfahrer ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen, obwohl die Zahl der Radunfälle zugenommen hat. In Umfragen sagten 2011 nur noch die Hälfte der befragten Radfahrer, dass sie sich im Straßenverkehr sicher fühlen, 2009 waren es noch zwei Drittel. Allein in Berlin stieg die Zahl der Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt waren, 2011 auf 7376 – 19 Prozent mehr als 2010.

Bei Unfällen zwischen Pkw und Radfahrern waren in 75 Prozent der Fälle die Autofahrer schuld. Bei Unfällen mit Lkw sogar in 79 Prozent. Bei Kollisionen mit Fußgängern hingegen sind meistens die Radler die Schuldigen. Zweithäufigste Ursache für Unfälle mit Radfahrern in Ortschaften ist Fahren unter Alkoholeinfluss.

Zunehmende Probleme sind künftig vor allem durch den immer schneller werdenden Radverkehr zu erwarten, zumal immer mehr von Elektroantrieben unterstützte Fahrräder, sogenannte Pedelecs, unterwegs sind. Zur Zeit untersucht der Bund den Einfluss von Pedelecs auf die Verkehrssicherheit.

Bislang nicht zufriedenstellend gelöst ist nach Ansicht des Verkehrsministers auch die Problematik des „toten Winkels“ bei Lkw und Transportern. Der Bund hat alle Verantwortlichen an einen Tisch geholt, um die Entwicklung und Einführung eines „Abbiegeassistenten für Lkw“ zu beschleunigen.

Was tut der Bund für mehr Verkehrssicherheit der Radler?

Der Radverkehrsplan 2020 soll dazu beitragen, das Ziel des Verkehrssicherheitsprogramms 2011 zu erreichen: die Zahl der verletzten und getöteten Menschen im Straßenverkehr um 40 Prozent zu senken. Dazu seien aufeinander abgestimmte Konzepte von Bund, Ländern und Kommunen für Verhalten, Infrastruktur und Verkehrsregelung sowie Technik nötig. Eine Helmpflicht wird dabei nicht angestrebt, man will lediglich stärker für das Tragen von Fahrradhelmen werben. Nur 11 Prozent der Radler trugen 2011 einen Helm. Bei Kindern zwischen sechs und zehn Jahren waren es 59 Prozent.

Seite 3: Und Berlin?

Alkoholisierten Radfahrern wird noch nicht der Kampf angesagt. Die Promillegrenze für Radler, die bei 1,6 liegt, will Ramsauer nicht antasten, dieses Problem werde lediglich „aufmerksam beobachtet“. Dagegen spricht sich der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) dafür aus, 1,1 Promille als neuen Gefahrengrenzwert zu definieren, ab dem Bußgeld verhängt wird.

Gemeinsam mit den Ländern wird hingegen derzeit geprüft, ob es härtere Strafen im Radverkehr, etwa gegen sogenannte „Kampfradler“, geben soll. Das Gleiche gilt aber auch für Sanktionen gegen Autofahrer, die Radler behindern durch unzulässiges Parken oder Halten auf Radwegen. Bei der Fahrzeugindustrie mahnt der Bund neue Lösungen für mehr Sicherheit an – etwa Warnsysteme für sich öffnende Türen oder Außenairbags.

Was will Berlin für Radfahrer tun?

Auch in der Hauptstadt gibt es ein Programm, um den Fahrradverkehr zu fördern. Die 2004 beschlossene Radverkehrsstrategie des Senats soll nun fortgeschrieben werden, doch der Entwurf ist an Einwänden der Finanz- und Innenverwaltung hängen geblieben. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) will den vorgesehenen Anstieg der Investitionen für den Radverkehr nicht mittragen; Innensenator Frank Henkel (CDU) befürchtet weitere Personalausgaben, weil nach dem Entwurf in Zukunft die Mitarbeiter der Ordnungsämter auch die Radfahrstreifen und Radwege „konsequent in ihre Kontrollen einbeziehen“ und gegen Falschparker vorgehen sollen.

Der Anteil der Radfahrer am Verkehr liegt inzwischen bei 13 Prozent – Tendenz steigend. Rund 3,5 Millionen Euro steckt das Land jährlich in die Infrastruktur für den Radverkehr. Die Ausgaben sollen nach dem Entwurf bis 2015 auf dann 17,5 Millionen Euro steigen – rechnerisch sind das fünf Euro pro Einwohner.

Vor allem Unfallschwerpunkte sollen beseitigt werden. Aber auch Radparkplätze sollen entstehen und eine Grüne Welle soll erprobt werden. Radwege werden kaum noch gebaut; die frühere Benutzungspflicht ist nach zahlreichen Klagen vor Gericht meist aufgehoben worden. Die inzwischen üblichen Markierungen von Radspuren auf den Fahrbahnen sind zudem billiger zu haben. Vorhandene Radwege sind aber oft sanierungsbedürftig. Wo das Geld dafür fehlt, schrauben die Bezirke einfach das blaue Schild ab, das zum Befahren zwingt – zuletzt etwa entlang der Lietzenburger Straße in Charlottenburg-Wilmersdorf.

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