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Querfront - Rinks und Lechts sind gleich schlecht

Putin und der offene Judenhass in Europa belegen erneut, wie sehr sich Links- und Rechtsextremisten gleichen. Die politische Gesäßgeografie führt in die Irre

Autoreninfo

Wolfgang Bok war Chefredakteur und Ressortleiter in Stuttgart und Heilbronn sowie Direktor bei der Berliner Agentur Scholz & Friends. Der promovierte Politologe lehrt an der Hochschule Heilbronn Strategische Kommunikation.

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Weil Wladimir Putin sein Handwerk als Spion bei den Kommunisten der UdSSR gelernt hat, wird er auf der politischen  Skala „links“ verortet. Sein aggressiver Nationalismus, der erst die Sowjetunion wiederherstellen und dann eine „eurasische Union“ schaffen will, passt jedoch in die rechte Schablone. Wenn der autoritäre Bodybuilder seine Kritiker gerne als „Faschisten“ verunglimpft, dann bestätigt dies den alten Kalauer: Die größten Kritiker der Elche sind selber welche!

14 Merkmale des Faschismus

 

In seinen „Moralischen Schriften“ listet Umberto Eco insgesamt 14 Merkmale des Faschismus auf, die weitgehend auf Putins Herrschaftsgebaren zutreffen: Brachialer Machtanspruch, der notfalls mit Gewalt durchgesetzt wird; totalitäre Strukturen, die Oppositionelle zu Feinden des Landes erklären und auch so behandeln; ein Führerkult, der sich nur mühsam demokratisch legitimiert; sowie Verachtung pluralistischer Werte, der in der Geringschätzung des Westens zum Ausdruck kommt. Der Faschismus lebe, so der italienische Literat („Das Foucaultsche Pendel“) und Philosoph, „von der Obsession, die anderen hätten sich gegen ihn verschworen“.

Zwar sind die Putin-Versteher etwas nachdenklich geworden, seitdem Moskaus Schergen in der Ost-Ukraine selbst auf Leichen herumtrampeln. Doch die „linke“ Verblendung ist damit noch lange nicht zu Ende. Sie tarnt sich nur in Aufrufen zur Mäßigung. Jakob Augstein, deren journalistischer Propagandist, will gar die Schuldfrage für den Mord an fast 300 unbeteiligten Insassen der MH17 nicht einmal geklärt haben.  Wenigsten so lange, bis man den Amerikanern keine Mitverantwortung nachweisen kann.

Das nämlich ist die ideologische Brücke, die den skrupellosen Nationalisten Putin mit den „Linken“ in Westeuropa verbindet: Der Antiamerikanismus. Besonders klar bringt dies der Moskauer Philosoph Alexander Dugin zum Ausdruck, der als Einflüsterer der russischen Regierung gilt. Er schreibt ohne Umschweife: „Das amerikanische Imperium gehört vernichtet.“ Denn dort, in den USA, ortet der Chefpropagandist des „eurasischen Projekts“ die Wurzeln des Bösen: Die „Kräfte der Freiheit und des freien Marktes“. (Quelle: Alexander Marguier in der aktuellen Cicero-Ausgabe)

Die Kräfte der Unfreiheit

 

Dieses Beispiel verdeutlicht, wie sehr die politische Gesäßgeographie in die Irre führt. Diese stammt noch aus der französischen Nationalversammlung von 1789. Damals wurden die Regierungsparteien aus Sicht des Parlamentspräsidenten rechts und die Opposition links platziert. Seither wird das politische System als eine Gerade wahrgenommen, an deren Enden Links- und Rechtsextremismus als Exponenten stehen. Der Wahrheit näher kommt jedoch das Bild eines Ovals oder Ei:  Oben, an der Spitze, stehen einsam die Kräfte der Freiheit und Pluralität, also des Liberalismus’, der heute kaum mehr machtvolle Parteien hervorbringt. Unten drängen von links und rechts die Kräfte der Unfreiheit zusammen. Je tiefer, desto radikaler und sich immer ähnlicher. Ihnen sind die zentralen Ziele der Aufklärung (individuelle Freiheit, Gewaltenteilung und Privateigentum etc.) höchst suspekt.

Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass Links- und Rechtsextremisten bei den Pro-Palästina-Demonstrationen gemeinsam aufmarschieren. Was den Neonazis der offene Judenhass ist, das ist den Linksfaschisten die Unterstützung der Feinde Israels. Beide sehen in den Zionisten und ihrem „Judenstaat“ die Handlanger des (amerikanischen) Großkapitals, das natürlich von der „jüdischen Lobby“ an der Wall Street gesteuert wird. Das wiederum führt die vermeintlichen Gegner in einem weiteren Punkt zusammen: In einem radikalen Antikapitalismus, den bereits Nationalsozialisten wie Bolschewisten gepredigt haben. Darauf hat schon Joachim Fest in seiner Hitler-Biografie verwiesen und festgestellt, dass es der große Coup der Linken nach 1945 gewesen sei, Hitler dem konservativen Lager zuzurechnen, obwohl er er sich doch als nationaler Sozialist verstanden habe.

Heute kämpfen vermeintlich Linke wie Rechte gemeinsam gegen die Globalisierung, und aktuell natürlich gegen das Freihandelsabkommens TTIP. „Wir sehen offenen Antiamerikanismus rechts außen und links außen im politischen System“, urteilt der zuständige EU-Handelskommissar, der Belgier Karel De Gucht. „Einige Leute machen aus TTIP einen Kulturkampf.“ 

Antisemitismus oder Antiamerkanismus sind jedoch nur oberflächliche Etiketten. Sie verbergen die wahren Gegensätze. Dass es auch unter Juden und wie unter US-Amerikanern massive Kritiker des sogenannten Neoliberalismus gibt, verdeutlicht diese irreführende Einteilung. Man denke nur an die sozialistische Kibbuz-Bewegung in Israel. So wie es auf der anderen Seite auch rechtsradikale Zionisten gibt. Deshalb taugen die ideologischen Schablonen „Links für Fortschritt“ und „Rechts für konservative Verweigerung“ längst nicht mehr. Oder um es mit dem Dichter Ernst Jandl zu sagen: „Manche meinen, lechts und rings kann man nicht velwechsern. Werch ein Illtum!“ Die Trennlinie verläuft zwischen Liberalen und Anti-Liberalen. Putin und seine Anhänger gehören in die zweite Kategorie.

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