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() Horst Kasner
Prediger gegen die Gier

Angela Merkels Vater war bis zu seiner Pensionierung Pfarrer in Templin. An besonderen Tagen predigt Horst Kasner heute noch. Am liebsten über den sechsten Tag der Schöpfung und für einen menschlichen Umgang mit Tieren.

Der Pfarrer und das liebe Vieh „Ich bin weit davon entfernt zu behaupten, noch nie geklaut zu haben.“ Betretenes Schweigen in den hellen Holzbänken. Horst Kasner hält ein schwarzes Büchlein in den Händen, blättert darin, streicht über die Seiten, zeigt der Gemeinde die farbigen Abbildungen zwischen den Liedern. „Aber ein Gesangbuch zu stehlen, aus unserer Kirche …“ Es lag in der ersten Bank und war für die Besucher des „Kirchleins im Grünen“ gedacht. Wer auf seinem Spaziergang von Densow nach Alt Placht in dem kleinen hölzernen Gotteshaus auf der Lichtung einkehrte, mochte darin blättern. „Ich frage mich, was der Dieb wohl damit anfängt“, sagt er und schmunzelt ein wenig. „Ob er daraus singt?“ Pfarrer Kasner ist ein groß gewachsener, älterer Herr mit festem Händedruck. Dass er seit bald 50 Jahren im Norden Brandenburgs lebt, verrät seine Sprache nicht. Ihr fehlt die für diese Gegend typische Färbung. Er predigt von der besonderen Beziehung zwischen Mensch und Tier, vom Tierischen in jedem Menschen, und darum vom Diebstahl des Gesangbüchleins. Das Kirchlein im Grünen bietet Platz für etwa 50 Besucher. An diesem nebligen Novembernachmittag sind alle Bänke gefüllt. Jeder Gast der Hubertus-Andacht wurde im niedrigen Windfang mit Handschlag begrüßt, die meisten kennt Kasner mit Namen. Er spricht vom sechsten Schöpfungstag, dem Tag, an dem Gott Mensch und Tier schuf. „Was das wiederum für uns Menschen im Umgang mit den Tieren bedeutet, das ist ein anderes Thema“, sagt der Pfarrer. Und spricht dann doch darüber. Denn es ist sein Thema. Horst Kasner hat sich dem Mitgeschöpf verschrieben. Und darum dem Kampf gegen die industrielle Tierproduktion. Bei einer Demonstration gegen eine Schweinemastanlage in Hassleben im Mai hielt der alte Pfarrer mit dem kurzen grauen Haar eine viel beachtete Rede. „Wenn der Mensch dem Vieh den Segen raubt, dann bringt er sich selbst um den Segen“, rief er damals. Und: „Industrielle Massentierhaltung ist nicht nur des Tieres unwürdig, sondern auch des Menschen.“ Das gab Applaus. Die örtliche Zeitung druckte seinen Aufruf nach. „Was Menschen und Tiere verbindet“ steht auf einem gelben Flugblatt, das Kasner für die Besucher seiner Kirche im Eingang ausgelegt hat. Daneben seine Rede aus dem Mai mit der Überschrift „Im Vergessen liegt die Zukunft“. „Den Umweg sollten Sie unbedingt machen“, hatte die Wirtin in Annenwalde gesagt. „Sie biegen von der Straße nach Lychen ab und fahren immer den Waldweg entlang. Lassen Sie sich durch die vielen Schlaglöcher nicht beirren. Die Andacht zum Hubertusfest gestaltet der Pfarrer Kasner immer so liebevoll, so persönlich. Wussten Sie eigentlich, dass er der Vater von Angela Merkel ist?“

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