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Politisch motivierte Straftaten - Die falsche Sympathie für Linksextremisten

Kisslers Konter: Die Zahl linksextremistischer Straftaten in Berlin ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen. Den Tätern begegnet die Öffentlichkeit mit Milde. Das ist unverständlich und gefährlich

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Wäre der Linksextremismus eine Aktie, man sollte sie unbedingt im Depot haben. Ein stabiler Aufwärtstrend wäre ihr gewiss. Die Zahl linksextremistisch motivierter Gewalttaten in Deutschland steigt nämlich kontinuierlich an. Was sind schon schlappe vier Prozent Jahreszuwachs im DAX gegenüber jenen 68 Prozent, um die allein in Berlin die Zahl dieser Verbrechen im ersten Halbjahr 2014 gegenüber dem Vorjahr zulegte? Auch im dritten Quartal, gab unlängst die Berliner Senatsverwaltung bekannt, wurde mit 111 Straftaten das hohe Niveau gehalten.

Der Vergleich mit der Börse klingt zynisch? Vielleicht. Zynisch ist es aber auch, die Taten der Kriminellen von links eher mit einem Achselzucken zur Kenntnis zu nehmen, während die ebenso abstoßenden Taten der Kriminellen von rechts umfangreichste Nachsorge- und Vorbeugungsmaßnahmen auslösen, Appelle und Betroffenheitsadressen sonder Zahl – glücklicherweise.

Der Verfassungsschutz notierte 2013 bundesweit einen Anstieg „linksextremistisch motivierter Straftaten“ von 3229 auf 4491. Ergibt einen Zuwachs von rund 40 Prozent. In der Überzahl befinden sich klar die „Straftaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hintergrund“ – es waren 16557. Der Trend ist hier aber um dreieinhalb Prozent nach unten gerichtet. Abermals gilt: glücklicherweise. Jede Straftat bleibt eine zu viel.

Nicht mit zweierlei Maß messen


Aber in der öffentlichen Wahrnehmung gelten besondere Maßstäbe, wenn, wie nun in Berlin, „Sprengstoffdelikte, Landfriedensbruch, gefährliche Eingriffe in den Bahn- oder Straßenverkehr und Widerstandsdelikte“ auf das Konto sogenannter Internationalisten oder Antifaschisten geht. Die Aufgabenteilung funktioniert nach dem Motto: „Rechte Gewalt“ fordert den Rechtsstaat heraus, „linke Gewalt“ nur die jeweilige Kommune.

Die falsche Optik führt dazu, dass Kriminelle, die sich ein linkes Mäntelchen umhängen, leicht auf der Klaviatur der Weltverbesserung spielen können. Im Gegensatz zu den nicht minder tumben Rechtsextremen können sie ihre Lust an der Gewalt, ihren Überdruss an einem Staat, der sie oft genug gewähren lässt, ins große Buch der Revolutionsgeschichte eintragen. Sie kapern die Historie, weil sie deren in Spurenelementen guten Leumund kennen und weil sie um eine Grundsympathie mit der linken Agenda im politisch-kulturellen Juste Milieu wissen. Dass mehr und mehr „linke Gewalt“ sich aber gegen Polizisten richtet, Frauen wie Männer, dass Autos abgefackelt und Geschäfte verwüstet werden, all das zeigt: Momentan ist es der Linksextremismus, der am deutlichsten die bestehende Ordnung angreift. Von den jüngsten 111 „linksmotivierten Straftaten“ in Berlin hatten über die Hälfte, 57 an der Zahl, Polizisten oder Polizeieinrichtungen zum Ziel.

Dass der Anteil der Gewalttaten an der Gesamtzahl der extremistisch motivierten Straftaten bei den Rechtsextremen knapp fünf, bei den Linksextremen aber fast 25 Prozent beträgt, belegt die wachsende Radikalisierung von links. Warum aber wird dann nicht ebenso entschieden von Politik wie von Zivilgesellschaft gegen Links- und gegen Rechtsextremismus vorgegangen? Jeder Neo-Nationalsozialist, jede „Glatze“, jeder „Springerstiefel“, jeder Ausländerhasser, jeder Antisemit und jeder Stadionprügler ist genau einer zu viel. Auch jeder autonome Block aber und jeder Linksfaschist ist genau einer zu viel. Wer hier mit zweierlei Maß misst, einmal nach der großen Staatsaktion und einmal nach dem Ordnungsamt ruft, der vergisst die harte Lektion aus schlimmen Zeiten: Demokratien gehen nicht an ihren Feinden zugrunde, sondern an lauwarmen Demokraten.

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