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Plagiatsvorwürfe gegen Ursula von der Leyen - Warum jetzt? Warum sie?

Ursula von der Leyen galt bislang als geeignete Nachfolgerin von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Plagiatsvorwürfe könnten den Ruf der Verteidigungsministerin nun schwer beschädigen. Ist das alles Zufall? Ein Kommentar

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Nun Ursula von der Leyen. Die keimfreie, makellose, perfekte Ursula von der Leyen soll bei Ihrer Doktorarbeit abgeschrieben haben. Ohne Angabe der Quelle, und das auch noch falsch oder sinnentstellend.

Die Ministerjäger unter den Plagiatsforschern im Netz sind hinter der Verteidigungsministerin her. Es stellen sich Fragen. Inhaltliche und politische.

In der Sache selbst ist es wie immer: Die einen sagen so, die anderen so. Die einen sagen, die Vorwürfe gegen von der Leyen seien substanzieller, erheblicher als seinerzeit die gegen Annette Schavan, die bekanntlich von ihrem – in dieser Hinsicht besonders pikanten – Amt der Bildungsministerin zurücktreten musste. Allerdings ist dieser Vergleich kein wirklich scharfes Schwert, weil seinerzeit viele der Meinung waren, Frau Schavan hätte bleiben können. Die wissenschaftlichen Verfehlungen seien längst nicht so monströs gewesen wie jene von Karl-Theodor zu Guttenberg, dessen Arbeit in weiten Teilen per Copy and Paste – früher hätte man gesagt: mit Kleister und Schere – zusammengebastelt war.

Plagiats-Wiki als politisches Kampfinstrument


Andere wiederum, nicht zuletzt Ursula von der Leyen selbst, sehen die Vorwürfe als überzogen an. Die zuständige Universität, die die Ministerin schon vor Monaten nach Aufkommen der ersten Verdachtsmomente eingeschaltet hatte, bleibt bislang ein Ergebnis ihrer Untersuchungen schuldig.

Jenseits dessen spielt in dem Fall von der Leyen ein Umstand unterschwellig eine Rolle. Es ist die erste medizinische Doktorarbeit, die hier auf den Prüfstand der Wikis gestellt wird. Man kann sich da eines gewissen Reflexes nicht erwehren: Ach Gottchen, eine Doktorarbeit in Medizin...

Viel relevanter ist daher die politische Dimension dieses Falles von der Leyen. Das Plagiats-Wiki ist in der Internet-Moderne das, was früher der Untersuchungsausschuss war: ein politisches Kampfinstrument. Daher lauten die Fragen: Warum jetzt? Warum sie? 

Die Plagiatsvorwürfe gegen die Verteidigungsministerin von der Leyen kochen zu einer Zeit erneut hoch, in der Bundeskanzlerin Angela Merkel erstmals in ihrer fast zehnjährigen Kanzlerschaft durch ihre Flüchtlingspolitik in schweres Wasser kommt.

Namhafte Politiker wie Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizière rücken in der CDU von ihr ab, Horst Seehofer hat das Schicksal der CSU mit Blick auf die nächsten Wahlen bereits von jenem Merkels entkoppelt. Bisher war sein Plan: Eng an Merkel bleiben, die 2017 die Bundestagswahl gewinnt, dann mit dieser Merkel-Thermik die Wahlen 2018 in Bayern mit der absoluten Mehrheit gewinnen. Jetzt heißt die Parole: Größtmöglicher Abstand zur Kanzlerin. Ansteckungsgefahr!

Merkel-Nachfolge ungeklärt


Der Bundespräsident hat am Wochenende erstmals der Merkelschen „Wir-schaffen-das“-Euphorie Grenzen gesetzt. Außerdem gab es lange schon Spekulationen darüber, dass Angela Merkel einen freiwilligen und ganz anderen Abgang wählen könnte als jeder ihrer Vorgänger. Warum nicht zum zehnjährigen Amtsjubiläum?

Von den zwei möglichen innerparteilichen Nachfolgern hat sich einer endgültig aus dem Rennen genommen. Thomas de Maizière hat sowohl im Verteidigungsministerium als auch im Innenministerium wenig Fortune bewiesen. Er hat gezeigt, dass er ein Spitzenbeamter war, aber kein Spitzenpolitiker ist.

Bleibt Ursula von der Leyen, die mit drei Ministerien (Familie, Arbeit, Verteidigung)  eine Art Trainee-Programm fürs Kanzleramt durchlaufen hat. Und ihre Sache derzeit im Ministerium deutlich besser macht als ihr Vorgänger.

Es könnte also sein, dass es Motive jenseits der Qualitätssicherung in der Wissenschaft gibt, weshalb Frau von der Leyens 60-Seiten-Dissertation derzeit so genau unter die Lupe genommen wird: eine Nachfolge-Option für Angela Merkel zu zerschießen.

Vor einem Jahr hob der Cicero Ursula der Leyen auf den Titel: „Der Kampf um Merkels Nachfolge: Von der Leyens Chancen, wen die Kanzlerin im Blick hat und wie die CDU sich vorbereitet.“ Die Ausgabe können sie in unserem Online-Shop nachbestellen. Die App fürs iPad finden Sie im iTunes-Store, für Android-Geräte im Google Play Store.

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