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Petrys Alternative - NPD mit Hochschulabschluss

Frauke Petry setzt sich in Essen gegen Parteigründer Bernd Lucke durch. Sie wird der neue Kopf einer Partei, die thematisch längst dort steht, wo Lucke sie nie sehen wollte. Ziemlich weit rechts. Ein Kommentar

Autoreninfo

Timo Stein lebt und schreibt in Berlin. Er war von 2011 bis 2016 Redakteur bei Cicero.

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Bernd Lucke hatte sich zuletzt sehr unbeliebt gemacht in der AfD. Nicht nur, weil sich seine Ich-weiß-es-besser-Attitüde schließlich gegen Basis und Parteispitze richtete und nicht mehr gegen die „Altparteien“-Konkurrenz. Vor allem, weil er eine Rolle übernahm, die doch eigentlich der ungeliebten „Systempresse“ vorbehalten schien: Lucke wurde zum lautstarken Mahner einer Aushöhlung der AfD durch neurechte Strömungen. Und gründete schließlich mit seinem „Weckruf“ eine Art Alternative zur Alternative innerhalb der Alternative.

Dabei hatte Lucke im Oktober des letzten Jahres seine Partei noch vor Unterwanderungsvorwürfen in Schutz genommen. Lucke sprach von „relativ vielen Einzelfällen“. Aber es gäbe in der Partei einen breiten Konsens, dass das nicht tragbar sei.

Mit Pegida kommt der Fall


Spätestens mit dem Pegida-Flirt durch nationalkonservative AfDler wie Alexander Gauland und Frauke Petry hatte auch Lucke gemerkt, dass die Geister, die er rufen ließ, längst dabei waren, den Laden in Grund und Boden zu spuken. Lucke änderte seine Strategie. Stilisierte sich selbst zum Kritiker einer möglichen Unterwanderung von rechts und wollte im Gegensatz zu Gauland nicht der „natürliche Verbündete“ von Pegida sein. Aus der Distanz zu Pegida wurde letztlich eine gehörige Distanz zur eigenen Partei.

Bereits mit dem Aufstieg von Alexander Gauland, Frauke Petry und Björn Höcke, mit den Wahlsiegen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, begann der Abstieg Luckes. Der Richtungsstreit innerhalb der AfD zwischen Rechts- und Liberalkonservativen, zwischen dem Heimat- und dem Euro-Flügel, fand in Essen endgültig einen Sieger. Beziehungsweise Siegerin. Frauke Petry setzte sich auf dem Bundesparteitag am Samstag mit knapp 60 Prozent der Stimmen gegen den Parteigründer Bernd Lucke durch. Die sächsische Landesvorsitzende wird am Jahresende laut Satzung automatisch alleinige Vorsitzende.

Es gehört zur Tragik um den von Lucke bis zuletzt trotzig geführten Kampf um Macht und Einfluss in der AfD, dass er nun Opfer seines institutionellen Reformstreiches, der einer einzigen Führungsspitze, wurde.

Für Lucke und den Euro-Flügel rächt sich jetzt, dass sie die Partei programmatisch von Beginn sperrangelweit offen ließen. Auf dem Gründungsparteitag 2013 beschloss man ein Not-Programm im Eilverfahren ohne Aussprache. Thematisch diskutieren wollte man später, es musste vor allem schnell und mit Lucke gehen. Man wollte den „gesunden Menschenverstand“ zum alleinigen Programm machen, statt die rechte Flanke zu schließen. Ein Fehler.

Kein Rechtsruck mit Petry


Mit Frauke Petry kommt jetzt nicht etwa der Rechtsruck, wie nun oft zu lesen ist. Der war schon lange da. Seit Gründung kennt die AfD nur eine Richtung. Insofern war der Richtungsstreit zwischen Petry und Lucke lange vor dem Essener Parteitag entschieden. Gerade die Ost-AfD hatte die programmatischen Lücken gefüllt und die Partei jenseits der Eurothematik aufgestellt. Dahinter, das zeigt sich spätestens mit der Wahl Petrys, gab und gibt es kein Zurück. Dort setzt man auf polarisierende Themen. Warnt vor Asylmissbrauch oder linkem Meinungsterror, vor Sexualerziehung oder Gleichstellungspolitik.

Mit Petry bekommt diese Entwicklung nun das entsprechende Gesicht. Das ist nur konsequent. Der Kopf passt nun besser zum Rumpf. Die AfD kann Professoren und Euroverengung hinter sich lassen und die nationale Karte voll ausspielen. Petry steht für einen Kurs, der keinen Zweifel daran lässt, dass die „Rechtsideologen“ wie der AfD-Europaabgeordnete Hans-Olaf Henkel sie nannte, die Partei bereits im Griff haben.

Dass Petry Chefin der sächsischen AfD ist, in einem Bundesland also, in dem Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte mittlerweile Alltag sind, komplettiert das Bild. Dort lässt sich exemplarisch beobachten, wie die AfD, wie das Petry-Prinzip, funktioniert. Kaum ein Wort zu Plauen, Oschatz, Zwönitz, Schmiedeberg, Marienberg, Brand-Erbisdorf, Meißen oder Freital. Kaum ein Wort über die exponentiell ansteigenden Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. Stattdessen nimmt man die „Sorgen der Bürger ernst“, erklärt sich zum natürlichen Verbündeten, zum Anwalt der „Mehrheitsgesellschaft“. So mausert sich die AfD zu einer Art NPD mit Hochschulabschluss. Gewalt lehnt man natürlich ab. Klar. Bürgerinitiativen und Bürgerwehren wie in Freital sind sowieso viel zeitgemäßer als primitive Fackelzüge.

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