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Homoehe - Dieser Mann kämpft um Merkels Ja-Wort

Patrick Pronk will seinen Lebenspartner heiraten. Und sie möchten ein Kind adoptieren. Doch dagegen steht die Kanzlerin, die er einst im Fernsehen ziemlich alt aussehen ließ

Autoreninfo

Georg Löwisch war bis 2015 Textchef bei Cicero. Am liebsten schreibt er Reportagen und Porträts. Zu Cicero kam er von der taz, wo er das Wochenendmagazin sonntaz gründete. Dort kehrte er im Herbst 2015 als Chefredakteur zurück.

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Die Frau, die zwischen ihm und seinem sehnlichsten Wunsch steht, ist immer noch da. Natürlich ging das Leben nach dem Zusammentreffen mit ihr weiter, gut lief es daheim und beruflich auch. „Ich habe kein schlechtes Leben“, sagt er. Aber der Wunsch ist nicht kleiner geworden, er ist jetzt 37, und zu alt, findet er, dürfen Eltern auch nicht sein. Er wollte immer Kinder.

[[{"fid":"67111","view_mode":"full","type":"media","attributes":{"height":1125,"width":750,"style":"width: 200px; height: 300px; margin: 5px; float: left;","class":"media-element file-full"}}]]Und wenn Patrick Pronk wie jetzt den Passat den Weg zum Haus hin steuert, auf das Grundstück mit Kiefern, Lorbeerkirsche und violett blühendem Flieder, dann denkt man: Es ist alles da. Die große Liebe, die Freunde, die Verwandten, die Nachbarn mit ihren Kindern. Haus, Auto und Rocco, der Hund. Aber genau wie vor knapp zwei Jahren sitzt in Berlin die Frau, die Nein sagt: Angela Merkel. Er hat sie ja damals gefragt, warum, und sie hat keine Gründe genannt, obwohl er dreimal nachgehakt hat. Sie hat nur gesagt, dass sie sich schwertue, dass sie nicht sicher sei. Weil er die Kanzlerin so gegrillt hat, ist er danach sogar gefeiert worden in den Medien. Als wäre er der Gewinner. Ist er nicht.

Streit um die Homoehe
 

Auch jetzt nicht, nachdem 62 Prozent der Iren dafür gestimmt haben, dass ein Mann einen Mann heiraten darf und eine Frau eine Frau. Wäre das in Deutschland so, könnten Patrick Pronk aus Worpswede bei Bremen und sein Partner Kai gemeinsam ein Kind adoptieren. Tut sich jetzt was? „Ich bin skeptisch“, sagt er. Allerdings ist die deutsche Debatte wieder in Schwung gekommen. SPD, Grüne und Linke fordern lautstark, die Ehe zu öffnen. In der Union wird gestritten. Just an diesem diesigen Junitag, als Pronk einen in sein Haus in Worpswede führt, sagt Jens Spahn, Mitglied des CDU-Präsidiums, in der Welt, dass die Schwulen und Lesben doch genau das möchten, was der Union wichtig ist: die Ehe, eine „urkonservative Institution“.

Pronk lebt ziemlich bürgerlich. Manager in einer Firma für Personaldienstleistungen, sein Partner ist Lehrer für Deutsch und Politik. Sie sind seit 2004 zusammen, seit 2013 als Lebenspartner eingetragen. „Ich kann nachvollziehen, dass Leute es für komisch halten, wenn andere nackt mit Perücke auf die Straße gehen“, sagt er. Im Wohnzimmer liegt ein Stapel mit Inneneinrichtungszeitschriften, Familienfotos hängen an der Wand, die zwei essen gern Bratkartoffeln und Spaghetti Bolognese. Man könnte sagen: Sie sind Mainstream. Sie sind so Mitte wie Merkel.

Die Episode mit dem Bauchgefühl
 

Vielleicht sah sie ja deshalb so alt aus damals, 2013 im Fernsehen, als Pronk die Zuschauerfrage stellte, warum er keine Kinder adoptieren dürfe. Auf Terrain, auf dem Merkel so sicher ist, tappte sie auf eine unebene Stelle – und strauchelte. Für Berlins Merkologen wurde es die Episode mit dem „Bauchgefühl“, weil sie keine Argumente nannte. Das Wort hat nicht sie gesagt, sondern der Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands in einer Pressemitteilung. Aber es klebt an ihr wie Heftpflaster, auch weil es so schön im Gegensatz zur Berufslogikerin steht.

Um zu akzeptieren, wer er ist, brauchte Patrick Pronk die Frauen. Nicht seine erste Freundin am Ende der Schulzeit, auch nicht die Frau, in die er verliebt war, als er für British Airways arbeitete. Mit Mitte zwanzig sprach er mit zwei sehr guten Freundinnen. Es ging ungefähr darum, dass mit dem Sex nicht so viel los war, dass er beim Tennis eher nach den Jungs geschaut hatte. Die Freundinnen ermutigten ihn. Über das Internet lernte er seinen ersten Freund kennen. Der zweite war Kai. Pronk brauchte eine Weile, bis er es seiner Mutter sagte. „Ich hatte Angst, ihre Enttäuschung zu sehen, dass sie keine Enkel bekommt.“ Sie hat ihn umarmt. Mit Kai zog er nach Worpswede. In dem Ort verliebte sich einst Rilke, gerade zeigt eine Galerie Aquarelle von Sarah Kirsch, und der Sänger von Revolverheld kommt auch von hier. Aus dem Haus, das Patrick und Kai kauften, war eine Familie ausgezogen, nachdem die Ehe zerbrochen war.

Merkel könnte doch noch „Ja“ sagen
 

Lesbische Paare können nach einer Samenspende ein Kind bekommen, das die eine Mutter zur Welt bringt und die andere später adoptiert. Schwule könnten ein Kind adoptieren, das Waise ist oder aus einem anderen Grund nicht bei den Eltern sein kann. Für so eine Adoption fordern die Behörden stabile Verhältnisse, im Grunde solche wie die von Patrick Pronk. Aber es braucht Mann und Frau. Dass ein Mann allein ein Kind adoptiert? Keine Chance. Und wenn: „Wie sollen wir entscheiden, wer von uns es adoptiert?“

Er hat einen Patensohn, Kais Neffe. Aber das ist etwas anderes, als ein Leben dem eigenen Kind zu widmen und als Familie glücklich zu werden. Den Wunsch dazu hat er schon als Jugendlicher gespürt. Es ist ein starkes Bauchgefühl. Deshalb kämpft er, gibt Interviews, lässt sich hier porträtieren.

Im Fernsehstudio war er überrascht, dass Merkel keine der üblichen Floskeln brachte: Wurde doch viel erreicht. Kind braucht Vater und Mutter. Mann und Frau – die Keimzelle der Gesellschaft. Vielleicht hat sie auch nicht argumentiert, weil es ihr allein ums Kalkül geht, um den Kontakt ihrer Mitte zum Rand. Der Vorteil wäre, dass sie doch noch Ja sagen kann: Nun bin ich nicht mehr unsicher. „Die Zeit läuft“, sagt Patrick Pronk.
 

Porträt: Henning Bode für Cicero

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