Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
Miriam Migliazzi & Mart Klein

Papst Franziskus - Ein katholischer Luther

Das Magazin Cicero hat Papst Franziskus zum Aufsteiger des Jahres gekürt. Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke über die Faszination an dem Reformkatholiken

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

So erreichen Sie Christoph Schwennicke:

 

Die Januarausgabe des Magazins Cicero ist ab sofort am Kiosk und in unserem Online-Shop erhältlich.

 

 

 

Was für schmale Lippen! Der Stil von Franziskus habe „zweifelsohne“ etwas Positives, urteilt Gianfranco Ravasi, Kurienkardinal und Traditionswächter im Vatikan. Es könne aber „durchaus die Gefahr bestehen, dass die Distanz schwindet“. Der Papst sei „nun einmal eine hierarchische Gestalt“ und „sollte das auch ausstrahlen“. Und dann erzählt er die Geschichte von Thomas Mann, der 1953 bei seinem Papst-Besuch entschlossen war, vor Pius XII. jede Geste der Unterwerfung zu unterlassen. Der Prunk der langen Gänge, die 20 Jahrhunderte Geschichte hätten den Mann aber doch auf die Knie gezwungen. Deshalb, sagt Ravasi, sei es am besten, „die Aura eines Papstes würde zwischen beidem oszillieren: zwischen Volksnähe und sakraler Erhabenheit“.

Der Jubel über die ersten acht Monate des neuen Papstes ist global, die Tradi­tionalisten der katholischen Kirche sind wie schockgefrostet. Als die Cicero-Redaktion die 100 Auf- und Absteiger des Jahres 2013 zusammenstellte, herrschte schnell Einigkeit: Der Papst ist der Mann des Jahres. Keiner sonst hat in diesem Jahr so an Einfluss gewonnen und so viel Aufsehen erregt wie er.

Sein Gestus fasziniert, seine klaren Worte lassen die Welt aufhorchen und die Orthodoxen in der katholischen Kirche den Kopf einziehen. Franziskus will eben jenen Pomp hinter dicken Mauern nicht mehr, der Thomas Mann seinerzeit mürbe machte. Der Argentinier löst damit eine Begeisterung aus wie zuletzt der Pole Johannes Paul II.

Aber bejubeln ihn die Falschen, die Ungläubigen und Säkularen?

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sieht das anders. Ihm ist die Freude über diesen unverhofften Glücksfall ( Seite 18 ) anzumerken, seine Sorge aber auch: „Ich bete für ihn“, schließt Marx seine Laudatio auf Franziskus.

Im Vatikan ist Alexander Kissler zwei Tage lang mit Georg Gänswein, dem Diener zweier Päpste, in Exerzitien gegangen ( ab Seite 120 ). Erzbischof Gänswein urteilt im Exklusiv-Gespräch mit Cicero: „Franziskus hat bei allem, was er tut und sagt, Rückenwind.“

Cicero-Kolumnist Frank A. Meyer hat das „Evangelii Gaudium“ des Papstes begeistert studiert. Er lädt uns zur Exegese von dessen Kritik am real exis­tierenden Kapitalismus ein ( ab Seite 56 ). Würde Meyer, klerusskeptisch wie Thomas Mann, vor Franziskus niederknien? „Ein libertärer Schweizer Republikaner kniet nie!“, sagt er. „Auch nicht vor Franziskus.“

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.