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Offene Tür bei der Regierung - Das Volk will nur mal gucken

Die Bundesregierung hat am Wochenende die Türen für Besucher geöffnet. Minister und Kanzlerin treffen auf das Volk. Szenen einer Begegnung von Regierenden und Regierten

Autoreninfo

Bachelor in Politik- und Kommunikationswissenschaft. Studiert Internationale Beziehungen im dänischen Aarhus.

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Der Souverän wartet. Auf Einlass. Die Schlange aus meist barbeinigen Besuchern windet sich am Sonntagmittag mehrmals vor dem Bundeskanzleramt. Das Volk ist bunt: Junge Familien, geschniegelte Studenten, gebräunte Rentner. Die Bundesregierung hat die Bürger zum „Staatsbesuch“ geladen: Kanzleramt, Bundespresseamt und vierzehn Bundesministerien öffnen ihre Türen. Warum er gekommen sei, will ein Kamerateam von einem Wartenden wissen. Einfach nur zum Gucken, antwortet ein schlaksiger Mittfünfziger. Zustimmendes Nicken bei den Mitbürgern.

In den hellen Fluren des Kanzleramts stillt das Volk seine Neugierde an Glasvitrinen. Staatsgeschenke sind dort ausgestellt: funkelnder Schmuck aus Turkmenistan und hochpolierte Holzkästchen aus Japan. Im Informationsraum läuft in Dauerschleife ein Film über die ehemaligen Regierungssitze. Vor der Kanzlergalerie üben sich die „Staatsgäste“ im Kanzlerraten. Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger sind eher wenigen in Erinnerung geblieben.

Im Garten auf der gegenüberliegenden Spreeseite wird der Kanzleramtsbesuch zum Volksfest. Vor weißen Imbisszelten warten Einheimische und Touristen auf Bratwürstchen und Ofenkartoffeln. Im Informationszelt versorgen Mitarbeiter der Bundesregierung die Besucher mit bedruckten Stoffbeuteln und Angela Merkel-Porträts. Auf der Bühne zerreißt Zauberer Bert Rex Seidenpapier.

Ein „Fest der Demokratie“ sei das, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Samstagmittag im Bundespresseamt. Die Regierten, ganz nah an den Regierenden.

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Nah herankommen – das wollen die Regierten im Kanzleramt tatsächlich, vor allem am Sonntag, als die Kanzlerin sich ankündigt. Gegen halb drei am Nachmittag recken sie auf dem Ehrenhof die Hälse und zücken die Handykameras. Das Stabsmusikkorps der Bundeswehr bläst den Marsch. Langsam bahnt sich Angela Merkel den Weg durch die Menge. Sie schüttelt Hände, lächelt und winkt. Dann steht sie in türkisfarbenem Blazer und heller Hose auf der Bühne, vor dem Volk.

Nachdem das Bundeswehr-Korps die letzten Töne gespielt hat, fragt Merkel zum Einstieg den Dirigenten, welche Nationalhymne denn am schwierigsten zu spielen sei. Er antwortet: „Die argentinische - dafür ist sie aber auch die schönste.“ Das will Merkel nicht so stehen lassen, verzieht den Mund und lässt ein zweifelndes „Naja“ von den Lippen. Lachen im Publikum.

Danach erklärt die Kanzlerin, wie Staatsbesuche ablaufen und warum sie Frankreichs Präsidenten François Hollande nicht immer mit militärischen Ehren empfängt. Dann ist es Zeit, in den Dialog mit den Regierten zu treten: „Waren Sie schon drinnen im Kanzleramt?“ Das Volk nickt und schüttelt den Kopf. „Haben Sie dann noch Fragen?“, fragt Merkel. Ob sie bei Staatsbesuchen den Gästen auch die Kanzlergalerie zeige, will jemand wissen. Nein, meistens nicht, denn die könnten sich ihre Gäste auch selbst angucken, antwortet Merkel. Die zweite Frage ist die letzte: Welchen Traum sie für Berlin habe. „Dass man irgendwann nicht mehr sieht, wo Ost- und wo West-Berlin war“, spricht die Kanzlerin, dankt und geht von der Bühne.

Der Beifall ist noch nicht verstummt, schon folgt des Volkes Urteil. „Die ist ja echt klein. Noch kleiner als ich“, gluckst eine ältere Frau. Im Fernsehen sei Merkel anders.

Währenddessen versucht Merkel wieder in ihren Regierungssitz zu gelangen. Breitschultrige Sicherheitsleute schieben beherzt die Regierten weg. Ein wenig Distanz, die muss schon sein.

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