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NSU - Leichenhirn im Sondermüll

Für einen Mord an den beiden mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gibt es zwar keine Indizien. Rätselhaft aber bleibt, warum die Ermittler so oberflächlich und fehlerhaft die Vorgänge am 4. November 2011 in Eisenach untersucht haben

Autoreninfo

Von Andreas Förster ist vor Kurzem das Buch Eidgenossen contra Genossen - Wie der Schweizer Nachrichtendienst DDR-Händler und Stasi-Agenten überwachte im Berliner Ch. Links Verlag erschienen.

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Der Stuttgarter Schriftsteller Wolfgang Schorlau hat sich einen Namen gemacht als gründlich recherchierender Autor von Politthrillern. In seinem letzten, im vergangenen November erschienenen Buch „Die schützende Hand“ hat er sich der NSU-Affäre angenommen. Auf 400 Seiten geht es um ein ziemlich wüstes Komplott, in dem außer dem NSU auch NSA, BND, CIA, RAF-Attentate, die einstige Nato-Geheimarmee Gladio, der Fall Edathy, das Kanzleramt und sogar die fremdenfeindlichen Vorgänge im sächsischen Heidenau irgendwie eine Rolle spielen.

Alles hängt also mit allem zusammen. Im Mittelpunkt von Schorlaus Handlung steht dabei die Frage, ob die beiden mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 4. November 2011 in ihrem Wohnmobil tatsächlich – wie es die offizielle Version ist – kollektiven Selbstmord begangen haben oder nicht vielleicht doch von dritter Hand umgebracht wurden. Schorlau kommt in seinem Krimi natürlich zu dem Ergebnis, dass es Mord war, weshalb sich „Die schützende Hand“ derzeit auch gut verkauft.

Allerdings werden einige seiner vermeintlichen Belege für die Mordthese gerade von dem in der Öffentlichkeit eher wenig beachteten NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtages en passant zerpflückt. Denn die ebenso nüchterne wie penible Beweisaufnahme, mit der die Parlamentarier den Fehlern, Versäumnissen und Vertuschungen der Ermittler nachspüren, führt zwangsläufig dazu, dass ein Teil der Rätsel um jenen 4. November 2011 aufgeklärt werden, ein anderer Teil aber weiter ungelöst bleibt.

Vor den Überblick der gelösten und ungelösten Rätsel sei eine kurze Rückschau gestellt: Am 4. November 2011, gegen 12 Uhr, fällt einer Polizeistreife ein parkendes Wohnmobil im Eisenacher Ortsteil Stregda auf. Nach einem solchen Fahrzeug wird an diesem Freitag im Zusammenhang mit einem Banküberfall gefahndet, der sich drei Stunden zuvor in einer Eisenacher Sparkassenfiliale ereignet hatte. Als sich die beiden Streifenbeamten dem Wohnmobil nähern, vernehmen sie innerhalb weniger Sekunden aus dem Inneren des Fahrzeugs drei Schussgeräusche, kurz darauf schlagen Flammen aus dem Autodach. Die Feuerwehr wird alarmiert. Als die Einsatzkräfte kurz vor 12.30 Uhr die Tür des Wohnmobils öffnen, finden sie die Leichen zweier Männer. Es sind Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, beide mit Kopfschüssen gerichtet. Zweieinhalb Stunden später brennt im 150 Kilometer entfernten Zwickau ein Haus in der Frühlingsstraße. Es ist die letzte Wohnung der beiden Toten aus dem Wohnmobil, dort hatten sie mit ihrer Gefährtin Beate Zschäpe jahrelang gelebt.

Der Tod der beiden Uwes bleibt rätselhaft
 

Die beiden Ereignisse stellen das spektakuläre Ende der rechten Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) dar. Die drei aus Jena stammenden Neonazis Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe hatten fast 14 Jahre lang im Untergrund gelebt. In dieser Zeit sollen die beiden Männer nach Auffassung der Bundesanwaltschaft allein neun Migranten und eine Polizistin erschossen sowie 15 Raubüberfälle ausgeführt haben. Beate Zschäpe, ihre Gefährtin, steht seit fast drei Jahren in München vor Gericht, weil sie an den Taten mitgewirkt und die gemeinsame Wohnung in Zwickau in Brand gesetzt haben soll.

Das Ende der beiden Uwes in Eisenach-Stregda bleibt auch gut vier Jahre später rätselhaft. Ihr Wohnmobil war vollgestopft mit Waffen, fast alle der acht Pistolen und Gewehre lagen griffbereit und durchgeladen im Fahrzeug. Und doch suchten die beiden Täter nicht den finalen Kampf mit der Staatsmacht, sondern sollen sich binnen weniger Minuten zum kollektiven Selbstmord entschlossen haben. Ist das zu glauben?

Zweifler wie Krimiautor Schorlau verweisen auf scheinbare Widersprüche: So finden sich in Mundlos Lunge keine Rußpartikel, obwohl er doch nach dem tödlichen Schuss auf Böhnhardt noch das Feuer im Wohnmobil gelegt haben soll. Und aus den vorliegenden Obduktionsberichten geht hervor, dass den Leichen zwei Drittel ihrer Gehirnmasse fehlen, die laut Ermittlungsakten aber nirgendwo sonst im Wohnmobil gefunden wurde. Ergo müssen Mundlos und Böhnhardt an einem anderen Ort erschossen, ihre Leichen dann ins Fahrzeug gelegt und nach Stregda gefahren worden sein. Das Feuer sei danach ferngezündet worden, als die Beamten eintrafen.

Indizien, die gegen die Doppelmordthese sprechen
 

Im Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss wurden vergangene Woche wichtige Zeugen befragt, die diese Indizien für einen möglichen Doppelmord widerlegten. Zum einen erläuterte ein Diplom-Chemiker aus Stuttgart, der am 5. November 2011 als Brandsachverständiger das Wohnmobil in Augenschein genommen hatte, dass ein Brandstifter nicht zwangsläufig Rußpartikel in die Lunge bekommen muss. Bei einem Feuer steigen Qualm und Ruß zunächst nach oben und verteilten sich unter der Decke eines Raumes, erklärte der Experte. Je nach Größe des Raumes und Intensität des Feuers würden die Rußpartikel erst nach einer Weile in Richtung Boden absinken. Folgt man der glaubwürdigen Darstellung der beiden Streifenbeamten, lagen zwischen den Schussgeräuschen und dem Ausbruch des Feuers nur wenige Sekunden, was erklären würde, weshalb Mundlos den Brand gelegt haben könnte und dennoch keine Rußspuren in seiner Lunge hatte.

Ein haarsträubender Ermittlungsfehler hingegen ist der Grund für die These von den fehlenden Hirnen der Opfer. Denn tatsächlich ist auf den in den Ermittlungsakten zu findenden Fotos der Tatortgruppe aus dem Inneren des Wohnmobils ein großes Stück Gehirn zu erkennen, das auf dem Boden im Gang des Fahrzeugs liegt, direkt hinter dem Kopf des getöteten Böhnhardt. Im Erfurter Untersuchungsausschuss wurden vergangene Woche gleich zwei Zeugen mit diesen Bildern konfrontiert: der damalige Leiter der Thüringer Tatortgruppe, der am Nachmittag des 4. November 2011 die Leichen aus dem Wohnmobil barg, wie auch der Kriminaltechniker aus dem Stuttgarter Landeskriminalamt (LKA), der einen Tag später zusammen mit seinen Thüringer Kollegen alle Asservate aus dem Fahrzeug holte und registrierte.

Beide bestätigten, dass es sich bei dem Hirnteil auf dem Boden um Gewebemasse eines der beiden Opfer gehandelt haben könnte. Dass dieses Hirnteil zusammen mit der Leiche nicht geborgen und der Rechtsmedizin übergeben wurde, bezeichnete der Chef der Tatortgruppe „aus heutiger Sicht als Fehler“. Sein Stuttgarter Kollege sagte, dass das Hirnteil – wie es die am Sonnabend gefertigten Fotos der Kriminaltechniker belegen – 24 Stunden nach dem Abtransport der Leichen noch im Fahrzeug gelegen hätte. Nach der Bergung aller Asservate seien diese „Gewebeteile“ seiner Darstellung zufolge mit dem Brandschutt zusammengekehrt und in einen blauen Müllsack geschüttet worden. „Wir haben das Fahrzeug am Abend des 5. November 2011 besenrein hinterlassen, der Abfall wurde als Sondermüll entsorgt“, gab er im Ausschuss an.

Dass mit den Tatortfotos aus Stregda und den Aussagen der Kriminaltechniker im NSU-Untersuchungsausschuss zwei wichtige Indizien für die Mordthese vom Tisch sind, ist die eine Sache. Auf der anderen Seite herrscht Entsetzen über die Ermittler: Denn nicht nur unter ermittlungstechnischem Blickwinkel, sondern auch aus ethischer Sicht ist es geradezu unfassbar, dass Polizeibeamte Teile einer Leiche nicht der Rechtsmedizin übergeben, sondern einfach in den Müll werfen.

Der Umgang mit Böhnhardts Hirn ist nicht das einzige haarsträubende Versäumnis der NSU-Ermittler. Von gleich zwei weiteren wusste ein dritter Zeuge vergangene Woche im Erfurter Untersuchungsausschuss zu berichten. Der Mann, heute ein Informatik-Professor, arbeitete bis zum vergangenen Sommer als IT-Experte im Erfurter LKA. Als solcher gehörte er auch dem Thüringer Ableger der BKA-Ermittlungseinheit „BAO Trio“ an, die ab dem 11. November 2011 im Auftrag der Bundesanwaltschaft die Ermittlungen im NSU-Komplex führte. Im Februar 2012 hatte der IT-Experte zusammen mit einem BKA-Kollegen den Auftrag erhalten, aus dem zu diesem Zeitpunkt in der Untersuchungsgarage des Erfurter LKA abgestellten Wohnmobil das Motorsteuerteil auszubauen, aus dem sich verschiedene Daten auch über das Fahrverhalten des Fahrzeugs herauslesen lassen.

Wie der Zeuge erzählte, habe er um das Teil ausbauen zu können, die auf dem Fahrersitz des Wagens noch liegenden Glassplitter der am 4.11. von der Feuerwehr eingeschlagenen Autoscheibe weggeräumt. Dabei sei ihm zwischen den Splittern das Projektilteil eines 9-Millimeter-Vollmantelgeschosses aufgefallen. Als er das Metallteil den anwesenden Beamten der Tatortgruppe zeigte, hätten die ihm gesagt, er solle es zu den Glassplittern zurücklegen, man benötige es nicht mehr. Erst auf seine schriftliche Beschwerde hin hätten dann einige Tage später BKA-Spezialisten das Fahrerhaus erneut durchsucht und weitere Projektilteile gefunden. Wann und womit diese Kugel im Wohnmobil abgefeuert wurde, ist bis heute jedoch nicht eindeutig geklärt.

Das Motorsteuerteil des Wohnmobils, das möglicherweise auch Daten über die letzten Fahrten von Mundlos und Böhnhardt vor dem 4.11.2011 gespeichert hatte, blieb übrigens unausgewertet. Wie der IT-Experte vor dem Ausschuss sagte, habe er das Teil zwei Wochen später vom BKA zurückbekommen, um es wieder einzubauen. Auf seine Nachfrage hin sei ihm mitgeteilt worden, man habe das Gerät nicht ausgelesen.

Schlampige Ermittlungen
 

Nur zwei weitere Beispiele dafür, wie schlampig und oberflächlich die Ermittler bei ihrer Untersuchung des Todes von Mundlos und Böhnhardt gearbeitet haben. Schon vorher war bekannt geworden, dass die Polizei bereits kurz nach dem Auffinden der Leichen das Wohnmobil abtransportieren ließ, bevor die Kriminaltechnik die Spuren im und am Fahrzeug sichern konnte. Ein Beamter sprach später im Untersuchungsausschuss davon, dass durch das Abschleppen des Fahrzeugs die Spurenlage darin so verändert wurde, dass man im Nachhinein nicht mehr das exakte Tatgeschehen rekonstruieren könne. Unfassbar ist auch, dass Spuren außerhalb des Fahrzeugs entgegen der üblichen Praxis nicht gesichert wurden – stattdessen beauftragte der Einsatzleiter Feuerwehrleute damit, die Umgebung des ausgebrannten Wohnmobils in Stregda mit Straßenbesen zu reinigen.

Und auch bei der Bergung und Registrierung von Asservaten im Fahrzeug wurden unglaubliche Fehler gemacht. So fanden Ermittler erst bei einer Nachschau einige Wochen später eine Projektilhülse, andere Hülsenteile und Patronen wurden falsch zugeordnet oder erst gar nicht erfasst. In einem Rucksack, der am 5. November 2011 aus dem Wohnmobil geholt wurde, entdeckten die Kriminaltechniker zwar Geld und eine Waffe – die ebenfalls darin liegenden sechs DVD mit dem NSU-Bekennervideo wurden jedoch angeblich übersehen und erst sechs Wochen später zufällig entdeckt.

Ein erstes Fazit, das nach den Ermittlungen der letzten Monate durch den Erfurter NSU-Untersuchungsausschuss gezogen werden kann, lautet: Dafür, dass die im Wohnmobil tot aufgefundenen Mundlos und Böhnhardt von einem unbekannten Dritten ermordet wurden, gibt es keine Indizien. Hingegen spricht viel dafür, dass die Ermittlungen am Tatort und zu den Hintergründen des Selbstmordes der beiden mutmaßlichen NSU-Terroristen sowohl von der Thüringer Polizei als auch später von der Bundesanwaltschaft bewusst verschleppt worden sind.

Über die Gründe dafür kann man nur spekulieren. Ein Erklärungsansatz wäre, dass Mundlos und Böhnhardt schon vor dem 4. November 2011 im Visier der Behörden waren und in Eisenach in eine Falle der Fahnder gelaufen sind. Indizien dafür, dass die Sicherheitsbehörden vom plötzlichen Auftauchen der seit fast 14 Jahren von der Bildfläche verschwundenen Neonazis nicht so überrascht waren wie es im Nachhinein dargestellt wird, gibt es jedenfalls mehrere: So hat ein bis heute anonym gebliebener Beamter Mitgliedern des Erfurter Untersuchungsausschusses vertraulich mitgeteilt, dass schon wenige Stunden nach dem Fund der beiden Leichen in Stregda zwei deutsche Geheimdienstmitarbeiter in der zuständigen Polizeidirektion in Gotha vorstellig geworden sind.

Und noch ein weiteres Detail, das in der letzten Ausschusssitzung vergangene Woche bekannt wurde, spricht für ein bis heute geleugnetes Vorwissen der Ermittler: Zwei Kriminaltechniker vom Stuttgarter LKA, die sich am Morgen nach dem Leichenfund zur Unterstützung ihrer Thüringer Kollegen bei der Gothaer Polizeidirektion einfanden, schilderten ihre damalige Einweisung durch den Polizeieinsatzleiter. Im Lagezentrum der Polizeidirektion sei ihnen dabei eine große Tafel an der Wand aufgefallen, auf der ein Personendiagramm aufgezeichnet gewesen sei. Neben Namen und Fotos von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe seien darauf noch eine Reihe weiterer Personen aus dem Umfeld des Trios erwähnt gewesen, die untereinander mit Strichen verbunden waren.

Am Morgen des 5. November 2011 war aber offiziell erst die Leiche von Mundlos identifiziert gewesen. Woher hatte die Gothaer Polizei dann aber schon die Namen seiner beiden Gefährten und der Helfer des Trios?

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Bryab Brewster | Fr., 25. August 2017 - 21:57

Solange die Türken hier auch einen türkischen Pass haben, sind sie zwangsläufig auch Türken. Also unterstehen sie auch den Anweisungen oder Empfehlungen ihres türkischen Präsidenten Erdogan. ---> Pass weg - nichts mit Erdogan.
So einfach kann es sein
Punktum und basta.