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NSA-Ausschuss - „Da lachen die Amerikaner doch nur“

Der NSA-Untersuchungsausschuss will die Geheimdienstverstrickungen aufklären und unter anderem Edward Snowden hören. Doch Historiker Josef Foschepoth, der die Ursachen der Überwachung in der BRD analysiert hat, erwartet davon nicht viel: Das eigentliche Problem könne das Gremium nicht lösen

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

So erreichen Sie Petra Sorge:

Herr Foschepoth, der NSA-Untersuchungsausschuss wurde mit den Stimmen aller Fraktionen im Bundestag eingesetzt. Eine solche Einhelligkeit gab es bislang nur einmal: beim NSU-Ausschuss. Stimmt Sie das nicht hoffnungsfroh?
Grundsätzlich ist ein solcher Untersuchungsausschuss wie jede ernsthafte Diskussion über die geheimdienstliche Überwachung der Bevölkerung zu begrüßen. Ein Interesse, die ganzen Geheimdienstverstrickungen wirklich aufzuarbeiten, gibt es allenfalls bei einer kleinen Minderheit. Da sind wir ganz schnell bei der Frage nach dem Zustand der Grundrechte in unserem Land. Gibt es das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis überhaupt noch? Die große Beschädigung dieses Grundrechts geht zurück auf das Jahr 1968. Damals hatten wir ähnliche politische Verhältnisse wie heute. Eine winzige Opposition und eine Tankermehrheit der beiden Staatsparteien CDU und SPD von fast 90 Prozent. Und heute sind es nur ein paar Prozent weniger. Was wollen Sie da schon erwarten hinsichtlich der Fragen, wie rechtsstaatlich und wie souverän die Bundesrepublik heute ist?

Diese Fragen werden sicherlich nicht im Ausschuss behandelt werden.
Es ist tatsächlich fraglich, ob das bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen überhaupt möglich ist. Das liegt nicht nur an der Großen Koalition, sondern auch und vor allem daran, dass alles, was die deutschen und alliierten Geheimdienste betrifft, strikter Geheimhaltung unterliegt. Geheimdienstliche Aktivitäten sind wechselseitig als Amtsgeheimnisse eingestuft. Drohen sie etwa einem Gerichtsverfahren bekannt zu werden, müssen beide Seiten sofort intervenieren. Darauf haben sich die Bundesregierung und die USA im Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut verpflichtet. Wenn nicht einmal die Bundeskanzelerin eine Antwort auf Ihre Fragen bekommt, dann vielleicht Herr Ströbele? Da lachen die Amerikaner doch nur. Da sind wir ganz schnell bei der Frage nach der Präsenz der Amerikaner in Deutschland. Solange es US-Truppen in unserem Land gibt, wird es auch massive Überwachungsmaßnahmen in Deutschland durch die USA geben. Eigentlich müsste Barack Obama jedes Mal, wenn er nach Berlin kommt, Dankeschön sagen dafür, dass die USA in Deutschland nach Afghanistan den zweitgrößten Militärstandort außerhalb der USA unterhalten kann mit all den Vorteilen, die das für eine intensive geheimdienstliche Tätigkeit hat.

Also glauben Sie nicht an einen Erfolg des Ausschusses?
Nicht wirklich. Dieser Ausschuss ist ein weiteres Instrument, um das Problem vom Tisch zu kriegen, nicht um es zu klären, geschweige denn zu lösen. Wenn Sie sich das Verhältnis derer anschauen, die am liebsten alles unter Verschluss halten wollen und der wenigen, die aufklären möchten, und dann berücksichtigen, dass selbst die winzige Opposition zwischen Grünen und Linken gespalten ist, erkennen Sie, dass der Ausschuss zu tief gehenden und neuen Erkenntnissen nicht fähig sein wird.

In Ihrem Buch „Überwachtes Deutschland“ suchen Sie nach historischen Grundlagen für die massenhafte Ausspähung.
Man kann diese Vorgänge nur verstehen, wenn man sie in einem Zeitraum von 60 Jahren analysiert. Die intensive Überwachung Deutschlands reicht von den Anfängen bis heute. Ein dichtes Knäul von vertraglichen Vereinbarungen, geheimen Zusatzabkommen, gesetzlichen und verwaltungsmäßigen Regelungen hat über die Jahre zu einem nicht mehr kontrollierbaren geheimdienstlichen Komplex geführt. Die verschiedenen Bundesregierungen haben dies volens nolens als Preis der Westeinbindung der Bundesrepublik hingenommen und geduldet. Es gab und gibt eine Art „Einvernehmen“, wie es in der Diplomatensprache heißt, daran nicht zu rütteln. Das hat dank der wechselseitigen Verpflichtung zu strikter Geheimhaltung auch funktioniert, sieht man von der Reihe der bekannt gewordenen Überwachungsaffären einmal ab.

Sie behaupten sogar, dass die Bundesrepublik das am meisten überwachte Land in Europa ist.
Ja. Im Guardian gab es im vergangenen Jahr eine schöne Weltkarte. Darauf ist zu sehen, wie stark die NSA einzelne Länder überwacht: von grün – sehr wenig – über gelb bis rot – sehr viel. In Europa gab es nur ein gelbes Land: Deutschland. Wegen der hier gewachsenen Strukturen ist die Bundesrepublik hervorragend geeignet für Überwachung. Für die alte Bundesrepublik gilt Ähnliches, wie ich in meinem Buch „Überwachtes Deutschland" gezeigt habe.

Hat es Sie gewundert, dass Deutschland kein No-Spy-Abkommen mit den USA hinbekommen hat?
Nein, ganz und gar nicht. Da kann ich nur mit Susan Rice, National Security Advisor, antworten: Da könnte ja jeder kommen und ein entsprechendes Abkommen für sein Land fordern. Die USA sind eine Weltmacht und lassen sich doch nicht von einem Land vorschreiben, ob sie dieses Land überwachen dürfen oder nicht. Überwachung dient der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Sicherung der Vormachtstellung der USA. Deswegen habe ich schon vor Monaten gesagt, dass es ein No-Spy-Abkommen nie geben wird.

Die Bundesregierung hat aber einen anderen Eindruck gemacht und sich angeblich bis zuletzt um einen solchen Vertrag bemüht.
Sie hat das Treiben der Amerikaner immer gedeckt – mehr oder weniger freiwillig. Die Bundesrepublik ist für die USA geostrategisch von größter Bedeutung. Das bringt auch Vorteile, wie schon Konrad Adenauer wusste. Also nimmt man das mehr oder weniger murrend in Kauf.

Murrend? Das heißt, die Regierung will in Wirklichkeit gar kein Weniger an Überwachung?
Deutschland hat sich im Zwei-plus-Vier-Vertrag bewusst bestimmten Beschränkungen unterworfen. Das war die Voraussetzung dafür, dass es überhaupt zur Wiedervereinigung kam, an der die USA kein sonderliches Interesse hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Amerikaner nämlich eine Strategie der doppelten Eindämmung verfolgt: Gemeint war damit nicht nur die territoriale und wirtschaftliche Eindämmung der Sowjetunion, sondern auch die der Bundesrepublik – die gegenseitige Eindämmung beider Staaten also. Die Strategie funktionierte aber nur, wenn Deutschland sich selbst beschränkte. Das hat man gemacht – von Adenauer bis heute. Das erklärt, warum keine der beiden Seiten geheimdienstliche Zusammenarbeit publik machen möchte. Diplomatisches Einvernehmen spricht man „unter Freunden“ nicht immer wieder aus, man praktiziert es.  

Und dann kam Edward Snowden mit seinen Enthüllungen.
Angela Merkel kam das gar nicht zupass. Wäre diese Affäre nicht hochgekocht, wäre alles beim Alten geblieben. Die USA nicht allzu sehr zu vergraulen, ist Teil der deutschen Staatsräson. Nicht die maßlose Überwachung der Deutschen, einschließlich der Kanzlerin, ist das Problem, sondern dass dies dank Edward Snowden publik geworden ist. 

Was kann der Untersuchungsausschuss dann überhaupt noch leisten?
Wirklich Neues wird er kaum zu Tage fördern. Das werden CDU und SPD und die hinter ihnen stehende Administration schon zu verhindern wissen. Interessant könnte es werden, wenn diejenigen Journalisten, die im Besitz der Fülle der Datenmengen von Edward Snowden sind, das eine oder andere pikante Detail von außen beisteuern können. Wenn es gelänge, den NSA-Ausschuss gleichsam in die Öffentlichkeit zu verlagern und hier die Fragen  gestellt würden, die im Ausschuss nicht gestellt, geschweige denn beantwortet werden dürfen, wäre das für unsere politische Kultur ein großer Gewinn. Dann hätte sich die Einsetzung des NSA-Ausschusses schon gelohnt.

Herr Foschepoth, vielen Dank für das Gespräch.

Prof. Dr. Josef Foschepoth ist Historiker und Autor des Buches: Überwachtes Deutschland. Post- und Fernmeldeüberwachung in der alten Bundesrepublik, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 4. Auflage 2014.

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