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(picture alliance) Richtungsweisend ist die Wahl in NRW für den Bund nicht

Wahlnachlese - In NRW für Kraft, im Bund für Merkel

Es gab schon SPD-Ministerpräsidenten, die in Nordrhein-Westfahlen ein besseres Wahlergebnis hatten als Hannelore Kraft. Die CDU hingegen hat bei keiner Kommunal-, Landtags-, Bundestags- oder Europawahl je schlechter abgeschnitten als unter Norbert Röttgen 2012. Das alles heißt aber nichts für die Bundestagswahl 2013. Eine Nachlese zur Wahl in NRW

Die SPD wurde bei der Landtagswahl am 13. Mai in Nordrhein-Westfalen von etwas mehr als 3 Millionen Wählern gewählt. Dieses Ergebnis wird als großer Sieg gefeiert, obwohl es mit 23 Prozent (bezogen auf alle Wahlberechtigten) eines der schwächsten Landtagswahlergebnisse der SPD in der Wahlgeschichte des Landes seit 1949 war. Noch geringer war die SPD-Wählermobilisierung nur bei den Landtagswahlen 2010 und 1950, als die SPD von 20,2 bzw. 22,6 Prozent aller Wahlberechtigten gewählt wurde.

Deutlich mehr Stimmen als mit Hannelore Kraft 2012 erhielt die SPD mit Johannes Rau 1985 und 1990 (damals wählten 4,9 bzw. 4,6 Millionen Wähler die NRW-SPD; das entsprach einem Anteil von 38,9 bzw. 35,6 Prozent der Wahlberechtigten). Und auch mit Gerhard Schröder, der von vielen in seiner Partei ja für den Niedergang der Sozialdemokraten verantwortlich gemacht wird, erhielt die SPD an Rhein und Ruhr bei den Bundestagswahlen 1998, 2002 und 2005 mehr Stimmen als im Mai 2012. 1998 wählten 5,1 Millionen (ein Anteil von 39,0 Prozent), 2002 4,5 Millionen (ein Anteil von 34,1 Prozent) und selbst 2005 noch 4,1 Millionen (oder 30,9 Prozent aller Wahlberechtigten) die SPD.

Mit Wolfgang Clement und Peer Steinbrück erhielt die SPD bei den Landtagswahlen 2000 bzw. 2005 etwas mehr Stimmen als 2012 (2000 gaben 3.143.000, 2005 3.056.000 Wähler – ein Anteil von 24,1 bzw. 23,1 Prozent aller Wahlberechtigten – der SPD ihre Stimme). Während Wolfgang Clement und Hannelore Kraft das Amt des Ministerpräsidenten behalten konnten und können, musste Peer Steinbrück 2005 mit ähnlicher Stimmenzahl wie Clement bzw. Kraft sein Amt an Jürgen Rüttgers abgeben.

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Aus eigener Kraft kann die SPD somit – anders als zu der Zeit als Nordrhein-Westfalen noch eine wirkliche SPD-Hochburg war – offenbar nicht mehr eine Regierungsmehrheit erringen. Ob die SPD die Landesregierung (zusammen mit einem Partner) bilden kann oder nicht, hängt davon ab, wie viele Wähler die CDU mobilisieren kann.

So konnte die CDU 2000 nur 2,7 Millionen ihres eigentlichen Potentials von über dreieinhalb Millionen zum Gang zur Wahlurne bewegen, so dass es nicht zu einem Machtwechsel an Rhein und Ruhr kam. 2005 aber konnte Rüttgers – anders als 2000 – die gesamte Wählersubstanz der CDU (3,7 Millionen) mobilisieren und somit Peer Steinbrück ablösen und selbst Ministerpräsident werden. 2010 gab es bei der CDU wieder erhebliche Mobilisierungsdefizite, so dass die CDU nur noch knapp 6.000 Stimmen mehr erhielt als die SPD und Hannelore Kraft mit den Grünen eine Minderheitsregierung in Düsseldorf bilden konnte.

2012 wählten nur noch etwas mehr als 2 Millionen Wähler (oder 15,5 Prozent aller Wahlberechtigten) die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Norbert Röttgen. Bei keiner Wahl – weder einer Landtags-, noch einer Bundestags- oder einer Kommunal- und sogar einer Europawahl in Nordrhein-Westfalen - erhielt die CDU so wenig Stimmen wie mit Norbert Röttgen im Mai 2012.

Die Grünen konnten wie die SPD nicht mehr an frühere Erfolge anknüpfen. Mit 884.000 Stimmen lagen sie unter dem Ergebnis z.B. der letzten Landtagswahl 2010, als sie 946.000 Stimmen erhielten, oder dem der Bundestagswahl 2002 (931.000 Stimmen) oder dem der Kommunalwahl 1994, als die Grünen von über 1 Million Wähler gewählt wurden. Die Grünen scheinen ihren Zenit überschritten zu haben – auch wegen der Piraten, die von 608.000 Wählern gewählt wurden. Die Grünen gehören jetzt ebenfalls zu den eher altbacken wirkenden etablierten Parteien, während die Piraten mit ihrem Politikstil gerade auf die jüngere Wählerschicht erfrischend neu und unverbraucht wirken.

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Ihren Zenit überschritten hat offenbar auch die Linkspartei, die nur noch von 194.000 Wählern gewählt wurde. Bei der Bundestagswahl 2009 kam die Linke in Nordrhein-Westfalen noch auf gut 790.000 Stimmen. Zwischen 2009 und 2012 hat die Linke somit rund drei Viertel ihrer einstigen Wähler verloren.

Ob die FDP wieder zu neuen Höhen fähig ist, bleibt abzuwarten. Bei der Landtagswahl im Mai profitierte sie von der extremen Schwäche der CDU an Rhein und Ruhr und davon, dass ihr Spitzenkandidat Christian Lindner strategisch klug die Kern-Klientel der FDP, die mittelständische Wählerschicht, mit den richtigen Themen (Schule und Bildung, bezahlbare Energieversorgung, solide Finanzpolitik, etc.) angesprochen hatte.

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Aufgrund der großen Schwäche der CDU an Rhein und Ruhr wird nun generell über eine Renaissance eines rot-grünen Bündnisses auch auf Bundesebene spekuliert. Doch ein nüchterner Blick auf die Wahlgeschichte und die bundesweiten Rahmenbedingungen lässt da doch Skepsis aufkommen, ob es 2013 wirklich für eine rot-grüne Mehrheit im Bund reicht.

So wurde Johannes Rau nach seinem großen Sieg von 1985 (damals erhielt er 1,9 Millionen Stimmen mehr als Hannelore Kraft 2012) zum Kanzlerkandidaten der SPD gekürt. Doch bei der Bundestagswahl im Januar 1987 bekam die SPD in NRW weniger Stimmen als 1985 (4,7 Millionen), während die CDU ihren Stimmenanteil von 3,5 Millionen 1985 um rund 900.000 auf 4,4 Millionen 1987 steigern konnte.

Kohl blieb 1987 Kanzler, obwohl seine ersten Regierungsjahre von einer Reihe von Pannen und Peinlichkeiten geprägt waren. 2012 wird Angela Merkel jedoch viel mehr Anerkennung entgegengebracht als Kohl 1986/1987. Viele, die 2012 in NRW Hannelore Kraft sympathischer fanden als Norbert Röttgen, wollen Angela Merkel 2013 als Kanzlerin behalten und keinen Politikwechsel in der Republik.

Selbst von den CDU-Wählern wollte ein Drittel lieber Kraft als Röttgen. Um diesem Zwiespalt zu entrinnen, blieben deshalb viele potentielle CDU-Anhänger der Wahl im Mai fern. 2013 werden aber die meisten davon wieder zur Wahl gehen und der Union ihre Stimme geben.

NRW kann insofern nicht als kleine Bundestagswahl oder ein Signal für den Ausgang der Wahl 2013 interpretiert werden. Es war eine Landtagswahl, bei der die Wähler die Parteien an Rhein und Ruhr und nicht die Parteien auf Bundesebene bewertet haben.

 

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