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(picture alliance)

Pro - NPD verbieten – jetzt!

Der NPD gehört der Parteistatus aberkannt. Es ist nicht länger vermittelbar, warum wir eine antidemokratische Organisation mit Steuergeldern finanzieren. Die Demokratie muss sich wehren – jetzt! Ein Kommentar

Sie sind zutiefst beschämt. Im Bundestag. Abgeordnete aller Parteien. Spät, fast zu spät finden sie in einer gemeinsamen Erklärung gemeinsame Worte, die die Fassungslosigkeit über die neonazistisch motivierten Taten des Zwickau-Trios zum Ausdruck bringen sollen. Die Attentäter propagierten „Taten statt Worte“. Jetzt ist es an den politisch Handelnden, den Worten politische Taten folgen zu lassen. Es gilt zu reagieren, an allen politischen Fronten. Dazu gehört auch und gerade ein Verbot der NPD.

Natürlich macht ein NPD-Verbot aus keinem Nazi einen Demokraten. Das ist auch nicht Ziel eines Verbots. Die Gesinnung muss an anderen Fronten bekämpft werden. Ein Verbot dient der Zeichensetzung. Ein Signal, das da lautet: Wir dulden keinen Rechtsextremismus, keine neonazistische Organisation, die unter Zuhilfenahme des Parteienstatus den Schutz der Verfassung sucht. Die NPD ist aber als verfassungsfeindliche, rassistische, antisemitische Organisation kein schützenswerter Bestandteil der Demokratie.

Im Kampf gegen die braune Gefahr müssen daher alle demokratischen Möglichkeiten in Betracht gezogen werden. Dazu zählt auch das Verbot. Natürlich darf die Diskussion um ein erneutes Verbotsverfahren nicht zulasten der Aufklärung der Morde und Motive im Falle der NSU gehen und auch nicht auf Kosten einer gesamtgesellschaftlichen Debatte über die Problematik rechter Gesinnung. Eine Dreifachstrategie ist daher sinnvoll: Der Kampf gegen rechts sollte folgerichtig auf gesellschaftlicher, politischer aber auch auf verfassungsrechtlicher Ebene geführt werden. Wir brauchen ein "sowohl als auch" und kein "entweder, oder". Klar ist aber auch: Für ein Verbotsverfahren müssen die Voraussetzungen geschaffen werden. Ein erneutes Scheitern darf es nicht geben.

Das Verbotsverfahren gegen die NPD, das Mitte März 2003 eingestellt wurde – das dritte Verbotsverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik überhaupt – scheiterte seinerzeit, noch bevor es überhaupt begonnen hatte. Ob und inwieweit die NPD die freiheitlich demokratische Grundordnung durch ein verfassungswidriges Verhalten gefährdet, wurde allerdings gar nicht erst verhandelt. Das Verfahren scheiterte an der Präsenz der V-Leute in den Vorständen der NPD.

So urteilten die Karlsruher Richter und benannten damit den eigentlichen Skandal, der dann auch ins Zentrum der jetzigen Debatte rückt: Die Verflechtung der NPD mit staatlichen Institutionen. Acht Jahre später gerät nun diese Kooperation zwischen Hütern und Feinden der Demokratie erneut auf die politische Agenda. Acht Jahre in denen nichts passierte. Es bedurfte schrecklicher Taten, um dieses folgenschwere Verhältnis nun auf seine Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen und Strukturen des Verfassungsschutzes in Frage zu stellen.

Die Gründe für ein Verbot liegen auf der Hand: Die Tatsache, dass ein jeder Steuerzahler die 6000-Mitglieder starke NPD mitfinanziert ist nicht länger vermittelbar. Es ist unsäglich, dass junge Menschen mit steuerfinanzierten Aktionen der NPD angeworben werden. Vor allem ihre Finanzen (Parteivermögen, Immobilienbesitz, Parteiverlag, Fraktionen und Mitarbeiter, Wahlkampfkostenerstattung, steuerliche Vorteile) und die über lange Zeit aufgebauten Strukturen basieren auf dem Status einer legalen Partei. Streng genommen liegt sogar eine doppelte Finanzierung vor: Zu den steuerfinanzierten Mitteln, die einer jeden Partei zustehen, kommen individuelle Zahlungen an V-Leute.

Demokratie muss das aushalten, sagt sich so leicht. Muss sie das wirklich? Darf sie sich nicht auch zur Wehr setzen? Nicht grundlos, sondern mit Blick auf die jüngere Deutsche Geschichte, haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes die Demokratie zu einer streitbaren erklärt und der Verfassung mit Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GG ein Instrumentarium an die Hand gegeben, das ein Verbot von Parteien, die die freiheitlich demokratische Grundordnung bedrohen, miteinbezieht.

Wehrhafte Demokratie bedeutet, dass es absolute Werte gibt, die nicht relativierbar sind. Eine Relativierbarkeit endet dort, wo Grundrechte in Frage gestellt werden. Die NPD hat seit Jahren als Schutz und Deckungsraum für Neonazis fungiert. Als Sammelbecken für Kriminelle. Sie ist der politische Arm rechtsextremer Gewalt. Verfassungsfeindlichkeit fällt schon deshalb nicht unter das pluralistische Toleranzgebot, weil sie sich nicht auf Meinungen, sondern auf Propaganda, nicht auf Argumente, sondern auf Agitation stützt. Warum sollen wir eine Organisation finanzieren, die antidemokratisch, rassistisch und antisemitisch ist?

Auch die Institution Partei als solche gilt es zu schützen. Parteien sind besondere Organe, es sind verfassungsrechtlich geschützte Institution, die einer deutlichen Abgrenzung bedürfen. Lassen wir weiterhin zu, dass die NPD als vermeintlich demokratische Partei Teil dieses Parteiensystems ist, schieben wir den Rechtsextremismus weiter in die gesellschaftliche Mitte.

Genau das ist auch die Strategie der NPD. Der Gewöhnung folgt die Verharmlosung, Verharmlosung mündet in Gleichgültigkeit. Und diese Gleichgültigkeit ist der erste Schritt zur Akzeptanz. Schon jetzt nimmt die Partei Einfluss auf das Parteiensystem und seine Rezipienten, schon jetzt sorgt vor allem auf kommunaler Ebene das Nebeneinander von etablierten Parteien und der NPD für eine schleichende Akzeptanz.

Insofern geht es bei einem Parteiverbot um nicht weniger als um den Versuch, einer Gewöhnung an faschistische Tendenzen entgegenzuwirken. Diese Tendenzen gibt es überall, in allen Teilen der Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, sie vor allem dort zu bekämpfen, wo sie das Licht der Öffentlichkeit erblicken und sichtbar sind. Und sichtbar wird der Rechtsextremismus auf der öffentlichen Bühne vor allem in Gestalt der NPD.

Wenn Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich dieser Tage nun den Eindruck erweckt, ein Verbot der NPD sei auch unter Beibehaltung von V-Leuten möglich, liegt er falsch. Die Sofortige Trockenlegung der Gelder an NPD-V-Männer in der Führungsspitze der Partei ist fundamentaler Voraussetzung für die Wiederaufnahme eines NPD-Verbotsverfahrens und für die Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit staatlicher Stellen.

Natürlich ist ein Verbot immer die Ultima Ratio. Aber in diesem Fall wird das Verbot zu einem Gebot der Anständigen. Keine Frage: Es ist ein schwieriger Weg zum NPD-Verbot. Ein Weg, den es sich zu gehen lohnt. Denn eine Demokratie ist eine wehrhafte oder sie ist nicht.

 

 

 

 

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Rolf Rindlisbacher | Fr., 20. Januar 2017 - 02:47

Dieses Urteil aus Karlsruhe und einige Reaktionen von sog. politischen Verantwortlichen finde ich skandalös. Eine Partei wird als verfassungsfeindlich, rassistisch und faschistisch eingestuft, aber nicht verboten? Weil sie angeblich keine grosse politische Bedeutung mehr hat? Für alle Opfer der unseligen Nazi-Zeit ist dieses Fehlurteil ein Schlag ins Gesicht und die Meinung der ZDF-Frau Tacke dazu schlicht zynisch. Meinungsfreiheit muss dort ihre Grenzen haben, wo sie zur Volksverhetzung und Rassismus führt. Als Schweizer mit vielen freundschaftlichen Kontakten in unser nördliches Naachbarland bin ich sprachlos ob dieser Scheinheiligkeit...