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(picture alliance) „Die ist schon clever, die Dame“: Merkel stellt ihr Buch „Dialog über Deutschlands Zukunft“ vor

Merkel geht in Wahlkampfoffensive - Die Kümmer-Kanzlerin

Nicht das Vergangene rühmen, sondern die Zukunft gestalten: Im Kanzleramt stellte Angela Merkel ihr neues Buch vor – und eröffnete damit subtil den Wahlkampf für die Bundestagswahl 2013. Das Signal: „Wir kümmern uns.“ Die SPD schaut tatenlos zu und schläft fast ein dabei

Hallo, hallo? Willy-Brandt-Haus, ist da wer? Hört da jemand in der SPD-Zentrale den Schuss, den Startschuss für den Bundestagswahlkampf im Herbst 2013? Nein? Na gut, dann weiterhin einen geruhsamen Schlaf allerseits.

Den 2. Juli 2012 darf man sich im Kalender eintragen. An diesem Tag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den inneren Hebel auf Wahlkampfmodus umgelegt. Während die SPD-Troika in der Kandidatenfrage Ehne-Meene-Muh spielt, hat die CDU-Vorsitzende ihre Wahlkampfmaschine schon geölt und das Ventilspiel richtig eingestellt.

Am Freitag noch Europakanzlerin, die Federn lassen musste in Brüssel und im Bundestag, in dem ihr für den ESM die eigene Mehrheit versagt blieb, lud sie am darauffolgenden Montag um elf ins Kanzleramt. Zur Vorstellung „ihres“ Buches „Dialog über Deutschlands Zukunft“. Der dröge Titel mit Merkel als Herausgeberin lässt noch nicht genau erkennen, dass es sich dabei um die Blaupause des Wahlkampfes der Union handelt. „Wie wollen wir in fünf bis zehn Jahren leben?“, fragt Merkel sich und ihre Bürger. Auf großflächigen Plakaten, die seit kurzem das Merkel-Buch in den Läden garnieren, bekennt sie, dass sie ganz persönlich von dieser Frage umgetrieben wird. Nicht zuletzt deshalb, weil ihre weitere Kanzlerschaft davon abhängt.

Das ist Merkel, die Kümmerin, die sich schon in den vorangegangen Bürgerdialogen, dem aus den USA entlehnten Town-Hall-Konzept, dem Dialog mit den „Menschen“ (Merkel) gestellt hat – mal besser und mal schlechter. Aber insgesamt immer besser.

Flankierend zum Buch und den Bürgerdialogen spannt die Kanzlerin das Bundespresseamt in die Wahlkampfstrategie ein. Das ist zwar eigentlich untersagt, hat aber bisher jede Bundesregierung so gemacht. In den Zügen der Bahn hängt von Garmisch bis Kiel die Broschüre „Politik für alle Generationen“ – ein Leitfaden der so genannten „Demografiestrategie“ der Bundesregierung. Vorne drauf ist ein gemütlich aussehender weißhaariger Opa zu sehen, der seinen beiden Enkeln liegend aus einem Buch vorliest. Ein wohliger Einstieg in eine Lektüre während einer Bahnfahrt, in der die Zeit lang wird. 

Die Botschaft der Broschüre ist die gleiche wie bei Merkels Dialogbuch: Wir kümmern uns um Sie, wir kümmern uns um Jung und Alt, und all die Fragen, die Ihnen unter oder auf den Nägeln brennen. In diese Kümmer-Strategie eingebettet, kann dann das gefährliche Europathema gleichsam in Watte gepackt werden.

Der Slogan „Wie wollen wir leben?“ gehorcht im übrigen einer Grundmaxime des Wahlkampfes: Rühme dich nicht deiner Taten der Vergangenheit, sondern sage, was du in Zukunft zu tun gedenkst. Während sich die SPD noch an den vermeintlichen oder tatsächlichen Fehlern der Kanzlerin in der Europapolitik abarbeitet, geht die Amtsinhaberin mit gefühligem Ton in die Vorlage. Und immunisiert sich so ein Stück weit gegen die Kritik an ihrer aktuellen Politik.

„Die ist schon clever, die Dame“, entfährt es angesichts der Merkel-Strategie einem Haudegen der SPD. Aber das ist die Ausnahme. Der Großteil der Partei, die als einzige einen Gegenkanzler aufbieten kann, verharrt offenbar im Dämmerzustand. Irgendwann geht es dann beim Auszählreim zwischen Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier nicht mehr darum, wer antreten darf.

Sondern darum, wer antreten muss. 

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