Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Pegida-Diskussion - Das schwammige Verb in Merkels Islam-Satz

Um ihre ablehnende Haltung in der Diskussion um „Pegida“ zu bekräftigen, wiederholte Angela Merkel den Satz des Ex-Bundespräsidenten Wulff: „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Das Verb darin ist aber etwas unpräzise

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

So erreichen Sie Christoph Schwennicke:

Angela Merkel findet jetzt auch: Der Islam gehört zu Deutschland. Da hat sie sich einen Satz angeeignet, den vor vier Jahren Bundespräsident Christian Wulff gesagt hat. Leider hat Wulff weder seinerzeit noch seither ausgeführt, wie er diesen Satz meint.

Deshalb haben wir nur diese fünf dürren Worte. Und müssen uns mit ihnen zufrieden geben und sie semantisch angehen.

Vorweg geschickt: Die deutsche Sprache ist eine der facettenreichsten der Welt. Das macht sie für Nichtmuttersprachler so schwer und für Dichter und Schriftsteller so reich.  Man kann in ihr sehr präzise sein. Das Problem ist: Dieser Satz schöpft die Möglichkeiten der deutschen Sprache nicht aus. Er ist unpräzise. Er schillert. Er ist mehrdeutig.

„Dazugehören“: Ein streitbares Verb


Die Bedeutung eines deutschen Satzes liegt vor allem im Verb. In ihm ruht alle Kraft, in ihm entscheidet sich bei der Formulierung Sieg oder Scheitern. Das Problem dieses Satzes ist sein Verb „gehört zu“. Dieses Verb kann Verschiedenes bedeuten, kann verschieden verstanden werden.

Versteht man es im Sinne von „ist ein Teil von“, dann ist dieser Satz richtig. Der Islam ist inzwischen und schon geraume Zeit ein Teil von Deutschland. In vielerlei Hinsicht ist er sogar ein bereichernder Teil.

So haben seinerzeit auch die Hugenotten, denen Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Urgroßvater Friedrichs II., in Preußen religiöses Asyl gewährte, dieses Land bereichert. Viele Namen künden davon bis heute, etwa jener des amtierenden Bundesinnenministers. Ebenso wie die Namen von Fußballspielern, Ärzten und Spitzenpolitikern davon künden, dass auch Menschen aus dem islamischen Kulturkreis heute Deutschland bereichern.

Zugleich verhallt diese Aussage in diesem Sinne als Banalität.

Die Verfassung wurzelt nicht im Islam


Versteht man das Verb „dazugehören“ aber in einem weiteren Sinne, dann ist diese Aussage falsch oder mindestens sehr streitbar. Denn im weiteren Sinne bedeutet „dazugehören“: konstitutiv sein. Und konstitutiv ist der Islam für Deutschland nicht.

Er ist hinzugekommen, so wie vor mehr als tausend Jahren das Christentum in die von Tacitus beschriebenen Sümpfe von Germania gelangte. Die Grundwerte, die Verfassung dieses Landes aber wurzeln nicht im Islam. Deshalb gelten auch die Gesetze, die sich aus diesen Grundwerten und der Verfassung herleiten, und nicht die Gesetze des Korans. Alle friedliebenden und willkommenen Muslime in Deutschland achten das auch. Es ist eine Conditio sine qua non, das anzuerkennen, um hier wunderbar und herzlich willkommen leben zu können. Ohne dieses Einverständnis ginge es gar nicht.

Um einem an dieser Stelle gerne eingeführten Gegenargument gleich zu begegnen: „Der west-östliche Divan“ des deutschen Großdichters ist eine Gedichtsammlung, die Johann Wolfgang von Goethes nachvollziehbare und weltoffene Faszination für die islamische Welt widerspiegelt. Aber der Goethe-Divan ist kein Indiz dafür, dass Deutschland seine gemeinsamen Wurzeln sowohl im Christentum als auch im Islam hätte.

Gemeinwesen fußt für Merkel auf dem christlichen Menschenbild


Soviel zur semantischen Exegese. Und nun zur Frage: Was meint Merkel?

Man weiß es nicht genau. Was sie aktuell hinzugefügt hat, gibt keinen Aufschluss. Aufschlussreich ist, dass sie erst jetzt diesen Satz unterschreibt, zu dem sie oft gefragt wurde. Das ist ein Hinweis darauf, dass sie ihn jetzt aus utilitaristischen Gründen – oder weil er politisch geboten ist – gesagt hat.

Und etwas Zweites fällt auf: Was Merkel in der Tat immer wieder gesagt hat, was sich wie ein Faden durch ihre Reden zieht, ist der Hinweis, dass unser Gemeinwesen auf dem christlichen Menschenbild fußt. Diesen Satz hat sie hundert, wenn nicht tausendfach gesagt (gerne auch in der Variante „christlich-jüdisch“).

2010 – in jenem Jahr also, in dem Wulff seinen Satz prägte – bei einer Regionalkonferenz der CDU Brandenburg formulierte  die Parteivorsitzende beispielsweise: „Wir fühlen uns dem christlichen Menschenbild verbunden, das ist das, was uns ausmacht.“ Wer das nicht akzeptiere, „der ist bei uns fehl am Platz“.

In jenem Sarrazin-Jahr 2010 sagte die Kanzlerin übrigens auch: „Multikulti ist total gescheitert.“

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Hans-Christian Rump | Di., 2. August 2016 - 17:02

'Der luziden Unterscheidung der Bedeutung des Wortes "gehört zu" im bekannten Wulff- Zitat durch Chefredakteur Schwennicke kann man nur beipflichten. Der Islam ist eben nicht "konstitu- tiv", also prägend für unsere europäische Kultur. Er ist zudem eine im wesentlichen Zuwanderer-Religion, d.h. seine Anhänger sind fast ausschließ- lich nichteuropäische Zuwanderer bzw. Flücht- linge, während das Christentum eine jahrhun- dertelange Bekehrungsaktion war. Dass der Islam außerdem in seinen radikalen Strömungen gewalt-fanatisch bzw. frauenverachtend ist, grundsätz- lich die Trennung von Staat und Religion nicht anerkennt und die Menschenrechte unter dem Vorbehalt der Scharia stellt, dies alles macht diese Religion mit den Grundwerten unserer europäi- schen Kultur unvereinbar. Ein solcher Islam gehört eben nicht zu Europa, auch wenn er hier anwesend ist.