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(picture alliance) Eine ganz normale Familie

Gleichstellung - Lesben und Schwule kapern die Institution Ehe!

Neben der finanziellen Gleichstellung fehlt nur noch das Adoptionsrecht, dann bestehen keine Unterschiede mehr zwischen der klassischen Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft. Das Bild von Ehe und Familien in Deutschland verändert sich still

Die Ehe zwischen Mann und Frau ist seit Jahrtausenden die Keimzelle der Familie. Der gemeinsame Überlebenskampf und Fortpflanzung bestimmten seit der Frühzeit die klassische Verantwortungsgemeinschaft zwischen Mann und Frau. Doch längst sind Ehe und Familie in Deutschland nicht mehr deckungsgleich. Zudem drängen sich in Deutschland 23.000 eingetragene Lebenspartnerschaften von Schwulen und Lesben ins kollektive Bewusstsein und zwingen die Gesellschaft über die Ehe und die Familie völlig neu nachzudenken. Zehn Jahre Homo-Ehe haben das althergebrachte Familienbild ins Wanken gebracht.

In den letzten Wochen hat sich eine Debatte um die eingetragene Lebenspartnerschaft zwischen Schwulen und Lesben weiter bahngebrochen. Flankiert durch einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts haben 13 CDU-Abgeordnete Position bezogen. Sie wollen das Ehegattensplitting auch für die Homo-Ehe möglich machen. Seit 2009 hat Karlsruhe eingetragene Lebenspartnerschaften in verschiedenen steuer- und sozialrechtlichen Feldern zur klassischen Ehe rechtlich gleichgestellt. Zu nennen sind beispielhaft die Gleichstellung im Versorgungsrecht für Beamte, bei der Grunderwerbssteuer für Verfügungen unter Lebenspartnern sowie weitere steuerrechtlichen Anpassungen.

Es ist nicht mehr zu übersehen, die eingetragene Lebenspartnerschaft geht mehr und mehr in der bürgerlichen Ehe auf. Nur noch wenige rechtliche Unterschiede trennen heterosexuelle Ehepartner und schwul-lesbische Lebenspartnerschaften davon, vollkommen gleichgestellt zu sein. Dies wirkt sich nun auch auf das Familienbild in der Gesellschaft aus. Damit wird zugleich eine sehr grundsätzliche Frage aufgeworfen:  Soll lediglich die Ehe zwischen Mann und Frau verfassungsrechtlichen Schutz genießen oder sollte dieses Privileg auch eingetragene Lebenspartnerschaften umfassen.

Dieser Trend war 2001, als das Lebenspartnerschaftsgesetz gegen den erbitterten Widerstand der Unionsparteien durch die Regierung Schröder verabschiedet wurde, so noch nicht abzusehen. Vor zehn Jahren, im Juli 2002, hat Karlsruhe dem Lebenspartnerschaftsgesetz in Deutschland den verfassungsrechtlichen Segen erteilt. Mit einer knappen Senatsmehrheit von fünf zu drei Stimmen hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts dieses Gesetz für vereinbar mit Artikel 6 des Grundgesetzes erklärt. Dieses ermöglicht es schwulen und lesbischen Paaren sich rechtlich zu binden und füreinander Sorge zu tragen. Sie können einen gemeinsamen Namen führen, sind gegenseitig Familienangehörige, sind im Güter – und Erbrecht gleichgestellt und die Beendigung der Lebenspartnerschaft bedarf wie bei der Scheidung der Ehe eines gerichtlichen Gestaltungsurteils. Seit 2005 sind Lebenspartner auch zum „nachpartnerschaftlichen“ Unterhalt verpflichtet.

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In der Gesellschaft wird die eingetragene Lebenspartnerschaft zunehmend anerkannt. 75 Prozent der Deutschen befürworten, das Ehegattensplitting auszuweiten. Ob dies einen sinnvolle steuerrechtliche Entscheidung wäre, steht auf einem anderen Blatt. Es ist nicht mehr zu übersehen, schwul-lesbische Lebenspartnerschaften sind Lebenswirklichkeit in Deutschland geworden.

Das Grundgesetz steht hinter dieser gesellschaftlichen Entwicklung zurück. Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes schützt die Ehe zwischen Mann und Frau. Die Verfassung  garantiert somit die Ehe als Rechtsinstitut. Bisher herrscht der Grundsatz vor, dass die Ehe die Keimzelle für Kinder darstellt und deshalb als Wert von Verfassungsrang besonderen Schutz genießen. Es geht schlicht darum, das Staatsvolk zu erhalten. Ob diese eindimensionale Sicht jedoch Bestand haben wird, scheint angesichts der facettenreichen Gesellschaft im 21. Jahrhundert sehr zweifelhaft.

Im Juli 2002 hat die Senatsmehrheit in Karlsruhe zum Lebenspartnerschaftsgesetz noch sehr zurückhaltend argumentiert. Für alle Verfassungsrichter war klar, die Ehe bleibt der Verbindung zwischen Mann und Frau exklusiv vorbehalten. Alle Privilegien der Ehe im Steuer- und Sozialrecht hat die Mehrheit der Verfassungsrichter damals aufgeführt, um das Lebenspartnerschaftsgesetz zu legitimieren und von der Ehe abzugrenzen. Es waren dieselben Privilegien, die seit 2009 vom selben Gericht schwul-lesbischen Lebenspartnern sukzessive eingeräumt werden.

Vielleicht mussten die Verfassungsrichter damals zu dieser Art von Trick greifen, um Deutschland ein Stück weiter aus dem konservativen Kindsbett der Bonner Republik hinauszuhieven. Die Nachlassverwalter des Konservatismus Roland Koch und Edmund Stoiber mussten der Entscheidung damals tatenlos zuschauen und konnten dem nur einen überholten Zeitgeist entgegensetzen.

Noch gibt es rechtliche Unterschiede zwischen der Ehe und der Lebenspartnerschaft. Bevor diese vollständig beseitigt werden, wird in den kommenden Jahren eine schwierige Gemengelage unterschiedlichster Interessen die Familienpolitik in Atem halten. Doch der Prozess lässt sich nicht mehr stoppen.

In dieser Woche hat die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nun ein so genanntes „Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner“ auf dem Weg gebracht. Dieses Regelwerk sieht zwar lediglich vor, Gesetze, in denen von Ehegatten die Rede ist, redaktionell auch das Wort Lebenspartner hinzuzufügen, dennoch ist das ein Akt mit hoher Symbolkraft. Allerdings wird hier zugleich offenbar, dass Befürworter und Gegner eine offene Diskussion zur eingetragenen Lebenspartnerschaft scheuen.

Noch immer muss sich Leutheusser-Schnarrenberger äußerst zurückhaltend agieren und sich durch ein Minenfeld von CDU und CSU geführten Bundesministerien schlängeln, um ihre liberale Agenda durchzusetzen. Nur widerwillig haben konservative Politiker begonnen, sich der Realität und der sich anbahnende vollkommene Gleichstellung der Homo-Ehe mit der herkömmlichen Ehe zu öffnen. So forderte der CSU-Politiker und Oberbürgermeisterkandidat für München Josef Schmid, „ich kann verstehen, dass homosexuelle  Paare, die keine Kinder haben, sich fragen, wieso heterosexuelle  Paare, die auch kinderlos sind, einen Steuervorteil bekommen sollen“. Statt die Ehe zu fördern, „sollten wir da fördern, wo Kinder sind. Wir brauchen ein Familiensplitting“.

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CDU und CSU versuchen dieser Tage dennoch verzweifelt das hergebrachte Familienbild zu bewahren und eine Debatte um  den gravierendsten Nachteil eingetragener Lebenspartnerschaften zur herkömmlichen Ehe schon im Keim zu ersticken: das gemeinsame Adoptionsrecht. Wenn man nämlich den Satz, „Familie ist da, wo Kinder sind“, ernst nimmt, dann sind homosexuelle Paare an diesem Punkt weiterhin strukturell benachteiligt.

Das Adoptionsrecht wird somit zum eigentlichen Dreh- und Angelpunkt auf dem Weg der eingetragenen Lebenspartnerschaft in die bürgerliche Ehe. Hier wird sich entscheiden, ob sich über die bloße finanzielle Gleichstellung hinaus, das Familienbild der Bundesrepublik verändern wird. Wird die sogenannte Regenbogenfamilie gleichberechtigt sein neben der klassischen Familie, die bisher allein ihren Schutz aus Artikel 6 des Grundgesetzes ableitet? 

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Ein Blick auf die Gesetzeslage in den europäischen Ländern zeigt, dass neben den Beneluxstaaten, Schweden, Norwegen sowie Großbritannien auch das katholisch geprägte Spanien die gemeinsame Adoption zulässt sowie für lesbische Paare die künstliche Befruchtung legalisiert. In Dänemark und Finnland ist zwar die künstliche Befruchtung legal, aber ein gemeinsames Adoptionsrecht bisher nicht vorgesehen. Im gesamten Ost- und Südosteuropa bestehen überhaupt keine Gleichstellungsgesetze. Auch Frankreich, die Schweiz, Österreich und Italien hinken hinterher.

In Deutschland ist gibt es bisher nur eine sehr eingeschränkte Gleichstellung. Brigitte Zypries Ex-Bundesjustizministerin (SPD) hatte in der letzten Regierungsphase von Rot-Grün im Jahr 2005 die Stiefkinderadoption für gleichgeschlechtliche Paare möglich gemacht. Diese Art der Adoption erlaubt es, dem neuen gleichgeschlechtlichen Lebenspartner das leibliche Kind des anderen als Kind anzunehmen. Lebenspartnern bleibt es aber verwehrt  gleichberechtigt zu einem klassischen Ehepaar, gemeinsam Kinder zu adoptieren.

Sachliche Gründe, schwule und lesbische Lebenspartner im Adoptionsrecht zu benachteiligen bestehen nicht. Gleichgeschlechtliche Lebenspartner sollten nicht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung schlechter gestellt werden als ein heterosexuelles Paar in bürgerlicher Ehe. Im Adoptionsverfahren haben objektive Kriterien zu gelten, die am Wohl des Kindes zu bemessen sind. Gleichgeschlechtliche Eltern, ob schwul oder lesbisch, sind demnach gleich geeignet oder ungeeignet wie heterosexuelle Paare.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder hat sich 2009 in einer Debatte während der Großen Koalition so eingelassen, dass das Adoptionsrecht für Schwule und Lesben nicht deren Selbstverwirklichung dienen dürfe. Ein anmaßender Satz, der zeigt, wie dürftig die konservative Argumentationslinie geworden ist. Wenn Kinder in die Obhut von zwei sich liebenden Menschen gegeben werden, die darüber hinaus nach außen bekundet haben,füreinander Verantwortung zu tragen, dann hat der Staat nicht zu kontrollieren, ob sich Elternteile mit dem Schritt Kinder zu adoptieren, selbst verwirklichen wollen. Das ist nicht seine Aufgabe. Die Behörden haben nach bestem Wissen und Gewissen das Wohl des Kindes zu bewerten.

Das Ehe- und Familienbild wandelt sich. Gleichgeschlechtlichen Eltern und ihre Kinder werden einen Platz neben herkömmlichen Familien erhalten. Selbst die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) erkennt das konservative Potenzial, das eingetragene Lebenspartnerschaften bieten. Sie möchte den schwul-lesbischen Paaren, die füreinander in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft einstehen nun auch vollwertige Rechte zu ihren Pflichten geben.

Wenn die Gesellschaft in der breiten Mehrheit ein neues Familienbild befürwortet, wird dies nach einer gewissen Karenzzeit auch in das Grundgesetz eingehen. Hans-Jürgen Papier zählte 2002 zu jenen drei Richtern, die das Lebenspartnerschaftsgesetz für verfassungswidrig gehalten haben. Er hat argumentiert, „über die wesentlichen Strukturprinzipien des Instituts der Ehe darf auch der Gesetzgeber nicht beliebig verfügen. Dazu zählt die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehepartner.“

Das mag vielleicht vertretbar sein. Der Verfassungsgesetzgeber indes, also Zwei Drittel der Mitglieder des Bundestags und des Bundesrats, kann den Artikel 6 des Grundgesetzes neu formulieren, das Familienbild erweitern und auch gleichgeschlechtliche Eltern in den Schutz mit aufnehmen. Es wäre eine Änderung des Grundgesetzes, die der Lebenswirklichkeit im 21. Jahrhundert gerecht würde. Auch das Verfassungsrecht unterliegt wie die Gesellschaft dynamischen Prozessen und Veränderungen. Fast immer aber hinkt die Politik dem gesellschaftlichen Wandel hinterher.

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