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Zweitstimmen-Kampagne der FDP - „Haste mal ne Stimme?“

Mit ihrer verzweifelten Leihstimmen-Kampagne zur Bundestagswahl 2013 verprellen Spitzenkandidat Rainer Brüderle und die FDP jetzt auch noch die eigenen Sympathisanten. Ein Bericht eines potenziellen FDP-Wählers in eigener Sache

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Tja, liebe Freunde von der gelben Partei, jetzt beginnt auf den letzten Metern vor der Bundestagswahl doch noch einmal das große Zähneklappern. Ich selbst gehöre ja nicht zu den gewohnheitsmäßigen Verächtern des organisierten Liberalismus – allein schon aus dem Grund, weil FDP-Bashing in Deutschland neben Fußball und Schnäppchenjagd zu den großen Volkssportarten zählt. Außerdem war ich bisher immer der Meinung, dass es im Bundestag eines dezidiert marktwirtschaftlichen Korrektivs bedürfe, zumal Ordnungspolitik in der Union eher nach Tagesform gemacht wird.

Von dieser fixen Idee konnten mich bisher weder das Mövenpick-Ereignis abbringen noch die Tatsache, dass die Zahl der Sympathieträger in den Reihen der Freidemokraten eher übersichtlich ist. Aber man soll ja nach Inhalten wählen und nicht nach vermeintlichen Charaktereigenschaften der Kandidaten.

Das ist übrigens so ein Satz, der zum autosuggestiven Standardrepertoire von Leuten wie mir gehört, die ernsthaft mit dem Gedanken spielen, der FDP am nächsten Sonntag ihre Stimme zu geben. Nein, leicht hat man es unsereins noch nie gemacht. Aber ich will nicht klagen. Für ständiges Rumgejammer sind in diesem Land ja immer noch die Linken zuständig, das meine ich jetzt ganz wertfrei.

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Was mich am Ende aber doch noch davon abhalten könnte, am Wochenende mein zweites Kreuzchen bei der FDP zu hinterlassen, sind die ganz und gar entwürdigenden Auswirkungen des liberalen Fracksausens nach der Bayernwahl. Dass die Freidemokraten im Freistaat wieder auf das Niveau einer Splitterpartei geschrumpft wurden, dürfte ja unter anderem auch an deren willfähriger Unterwürfigkeit gegenüber dem dortigen Koalitionspartner gelegen haben. Und wer sich mit der Rolle eines Appendix der Seehofer-CSU zufrieden gibt, der braucht sich über entsprechende Resultate nicht zu wundern.

Insofern finde ich Rainer Brüderles verzweifeltes Hilfegeschrei von wegen „Wer Merkel haben will, wählt FDP“ mehr als nur ein bisschen bedenklich. Es handelt sich vielmehr um eine programmatische Bankrotterklärung der allerpeinlichsten Art. Sie entspricht nämlich voll und ganz dem Selbstverständnis einer bloßen Funktionspartei, die 1994 unter dem damaligen Bundesvorsitzenden Klaus Kinkel mit dem Slogan „Wer Kohl will, muss FDP wählen“ ins Rennen ging. Solcherlei schoßhündchenhafte Anbiederung ging dem seinerzeitigen Generalsekretär Guido Westerwelle derart gegen den Strich, dass er beschloss, es nie wieder so weit kommen zu lassen.

Die FDP - Vorfeldorganisation des Kanzleramts auf der Suche nach Subventionen


Pech gehabt, denn inzwischen herrscht wieder status quo ante. Der Economist bezeichnet Angela Merkel in seiner aktuellen Ausgabe als die „politisch begabteste Demokratin der Welt“, und die FDP begnügt sich mit der Rolle einer Art Vorfeldorganisation des Kanzleramts. Schlimmer noch: Die liberalen Liktoren winseln um Gnade und bitten untertänigst um ein paar Leihstimmen aus dem Merkel-Lager.

 

Im marktwirtschaftlichen Kontext würde man Leihstimmen übrigens als Subventionen einordnen, denn es handelt sich ja um nichts anderes als um Aufpäppeleien von fremder Hand für ein Unternehmen, das es aus eigener Kraft nicht bringt. Für eine Partei, die sich in ihrem Wahlprogramm explizit gegen solche wettbewerbsverzerrenden Unterstützungsleistungen stark macht, ist das – gelinde gesagt – eine recht denkwürdige Methode zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs.

Daseinsberechtigung der FDP als Zirkelschluss


Sie erinnert auch ein bisschen an den Punker in der Fußgängerzone, der die Passanten um etwas Wechselgeld angeht. Mit dem Unterschied, dass der liberale Spitzenkandidat Rainer Brüderle den entsprechenden Spruch in ein „Haste mal ne Stimme“ umwandelt und auf den Irokesenkamm verzichtet. Aber das macht die Sache auch nicht besser, im Gegenteil.

Weil die Union inzwischen jedoch leicht gereizt auf liberale An- und Abpumpversuche der Merkel-Klientel reagiert und der FDP-Kuhhandelsofferte („tausche Erststimme gegen Zweitstimme“) eher reserviert gegenübersteht, ist die Not groß. Zum Glück gibt es noch die Bild, wo man den Herren Westerwelle, Genscher und Rösler am Dienstag fast eine komplette Zeitungsseite zum Zwecke der Selbstvermarktung spendierte. „Doch am Ende weiß jeder: Diese Republik wäre um einiges ärmer ohne die liberale Partei“, lässt sich Hans Dietrich Genscher dort vernehmen. Eine Begründung für diese These bleibt er allerdings schuldig.

Aus Sicht der FDP scheint ihre Daseinsberechtigung darin zu bestehen, dass es sie gibt. Dass diese Partei halt irgendwie dazugehört zu diesem Land. So wie Opel. Oder die Dresdner Bank. Oder der Quelle-Katalog. „Jetzt geht’s ums Ganze“, lautet denn auch der Aufruf dieser Scheinheiligen der letzten Tage. Es klingt eher nach einer Auskunft in eigener Sache.

Nein, einfach hat es mir die FDP noch nie gemacht – diesmal noch weniger denn je. Aber wie gesagt: Ich will nicht klagen.

 

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