Angela Merkel beim Bundesparteitag 2015 in Stuttgart dpa/picture alliance

Legislaturperiode - Begrenzt die Kanzlerschaft!

Angela Merkel verliert an Rückhalt in der Bevölkerung und in den eigenen Reihen. Ihre Kanzlerschaft gerät in eine demokratisch ungesunde Phase, wie auch schon bei Kohl und Adenauer. Ein Plädoyer für eine begrenzte Amtszeit: zwei mal fünf Jahre – höchstens

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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Dass Andrea Nahles, jusogestählt, über einen ausgeprägten politischen Instinkt verfügt, bescheinigen ihr auch politische Gegner. Deshalb hätte der Satz der Arbeitsministerin eine Woche nach dem Wahldesaster von CDU und SPD bei den Landtagswahlen vom 13. März durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient. Frau Merkel, befand Nahles seinerzeit, habe den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren.

Dieser Befund ist richtig, obschon die SPD aus eigener Schwäche heraus, gefesselt in der Großen Koalition, nichts aus ihm machen kann. Lange Zeit war es unvorstellbar, dass es einmal so weit kommen würde. Behaglich biedermeierte Deutschland in Merkels Obhut vor sich hin. „Die macht das schon“, dachte sich die breite Masse, fühlte sich gut regiert und widmete sich den süßen Zerstreuungen des Wohlstandslebens – abgesehen von jenem Teil der Bevölkerung, der sich schon seit geraumer Zeit von diesem Wohlstandsleben abgekoppelt und von niemandem mehr vertreten sah.

Seit einem knappen Jahr aber ändert sich das. Alte Fehler holen die Kanzlerin ein. Die Folgen der übereilten Energiewende etwa erweisen sich jetzt – in subventioniertem Strom, der nicht abfließt, in monströsen Windparks vor der Haustür vieler Bürger- und die Griechenlandrettung, die keine war, drängt als milliardenschweres Problem wieder auf die Agenda.

Merkels größter Fehler: die unkonditionierte Wilkommenskultur

 

Und schließlich und entscheidend Merkels größter Fehler, die unkonditionierte Willkommenskultur. An ihn knüpfen sich Folgefehler wie ihr Verhalten in der Causa Böhmermann und die offensichtliche Abhängigkeit von einem zunehmend unzurechnungsfähiger werdenden Despoten in der Türkei. 

Die Kanzlerin ist fehlbar. Das ist eine neue Erkenntnis. Allmählich wacht das Wahlvolk aus seinem Dämmerschlaf auf.

Dem wohlhabenden Teil droht die Behaglichkeit in Gefahr zu geraten: Viele Millionen Menschen kommen zu uns, deren Aufnahme, Unterbringung und Eingliederung uns nach Berechnungen der Bundesregierung bis zum Jahre 2020 93 Milliarden Euro kosten werden. Der abgehängte Teil der Bevölkerung fühlt sich entweder in seinen prekären Arbeitsverhältnissen bedroht – weil für die vielen unqualifizierten Arbeitskräfte der Mindestlohn perforiert werden könnte und sich so ein neuer Konkurrenzkampf im unteren Drittel des Arbeitsmarktes eröffnen könnte. Oder schlicht, weil sie den Eindruck haben, berechtigt oder auch nicht, dass die Neuankömmlinge besser alimentiert werden als sie.

Die Silvesternacht in Köln als Zäsur
 

Wendepunkt war dabei die Silvesternacht von Köln. Hier kippte die Stimmung zuungunsten Merkels. Die Union sinkt weiter und weiter in den Umfragen. Gäbe es nicht das bayerische Polster der CSU, die CDU alleine läge inzwischen in etwa auf der Höhe (oder Tiefe) der SPD. Das kann jeder leicht an der Synopse aller Umfragenüberprüfen und ablesen.

Zu den Folgen früherer Fehler und der Verkettung der Fehler in der Flüchtlingspolitik gesellt sich ein allgemeiner Überdruss, den Merkel mit fast elf Jahren Amtszeit erstaunlich lange vermieden hat. Diese neue Situation ist zuletzt in zwei ausgezeichneten Essays in der Welt und der FAZ beschrieben worden.

Der Befund ist recht klar. Bleibt die Frage: Was ist die Lehre? Die hat der amerikanische Präsident Deutschland im Rahmen seines Treffens mit Merkel bei der Cebit in Hannover an die Hand gegeben. Er sei sehr froh, sagte Barack Obama mit Blick auf seine Restlaufzeit und Merkels Lage, dass die Amtszeit des Präsidenten in den USA auf zwei Legislaturperioden begrenzt sei.

„Zur Demokratie gehört der Wechsel“
 

Das wäre in der Tat die richtige Lehre für Deutschland. Zum zweiten Mal nach Helmut Kohl (vielleicht sogar zum dritten Mal, wenn wir Konrad Adenauer dazunehmen) gerät eine Kanzlerschaft in eine demokratisch ungesunde Phase. Zur Demokratie gehört der Wechsel, auch der innerparteiliche. Gäbe es in Deutschland wie in den USA die Begrenzung auf zwei Amtszeiten, am besten bei gleichzeitiger Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre, dann träte gar nicht erst ein, was jetzt bei Merkel und der CDU eingetreten ist: dass sich weit und breit kein Nachfolger mehr findet. Weil sie auf die eine oder andere Weise abhanden kamen, mit unterschiedlich aktivem Anteil der Kanzlerparteichefin.

So aber kann es sein, dass sich eine immer anämischer werdende CDU im Geleit mit einer ausgebluteten SPD in eine vierte Amtszeit mit Merkel hangelt, in eine dann nur noch so genannte Große Koalition, gegebenenfalls mit Stützrädchen. Es wäre fürchterlich für die politische Kultur dieses Landes.

Dass sich Unionsfraktionschef Volker Kauder bei dieser Perspektive unwohl fühlt, ehrt ihn als Demokraten im überparteilichen Sinne.

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